Harmonie

[256] Harmonie (gr. harmonia = Zusammenfügung) ist eigentl. die den Klanggesetzen angemessene gleichzeitige Verbindung von Tönen. Von der Musik hat man das Wort auf jede wohlgefällige Einheit eines Mannigfaltigen übertragen, besonders in der bildenden Kunst; daher spricht man auch von einer Harmonie[256] der Anordnung, des Ausdrucks, der Lichtabstufungen, der Farben usw. – Eine harmonische Weltanschauung nennt man die Vereinigung des Glaubens mit dem Wissen, der Forderungen des Gemüts mit den Resultaten der Forschung. Ein harmonischer Charakter ist derjenige, bei welchem alle Grundkräfte des Geistes gleichmäßig ausgebildet sind, wie es uns an Sokrates, Goethe u. a. entgegentritt. – Die Pythagoreer erfanden den Begriff einer Harmonie der Sphären, d.h. eines gesetzmäßigen Kreislaufs der Himmelskörper um die Hestia, das Zentralfeuer, den ein. musikalischer Heptachord begleiten sollte. Leibniz (1646-1716) lehrte pluralistisch, alle Monaden seien voneinander unabhängig, jede ein Wesen für sich, ohne kausale Beziehung zu den anderen, er nahm aber eine »prästabilierte« (d.h. vorher von Gott bestimmte) Harmonie zwischen den Monaden an, um ihr Zusammenwirken zu erklären, und ersetzte durch diese Lehre den unhaltbaren Occasionalismus (s. d.) der Cartesianer. Swedenborg (1688-1772) spricht von einer »konstabilierten« Harmonie, welche die Ordnung der mechanisch-organischen Welt ausmacht. Die Materialisten alter und neuer Zeit nennen endlich die Seele die »Harmonie des Leibes«. So auch schon Philolaos, Aristoxenos, Dikaiarchos und Galenus. Vgl. Seele.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 256-257.
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