Gemüt

[226] Gemüt heißt die durch die Gesamtheit der Gefühls- und Willenserregungen erworbene Einheit und Bestimmtheit des Seelenlebens. Das Gemüt bildet den Gegensatz zur Intelligenz, welche der Gesamtzustand des Erkenntnislebens des Menschen ist und ihn in Beziehung zur Außenwelt setzt. Im Gemüte besitzt und genießt die Seele sich selbst; es bildet ihr innerstes Leben. Die Grundlage der jedesmaligen Gemütsstimmung ist das Gemeingefühl. – In prägnantem Sinne heißt ein Mensch von reichem Innenleben gemütvoll, während gemütlos sowohl der rohe Mensch als auch der Mensch, dessen Innenleben arm ist, heißt. Die Art und Weise, wie sich die Gefühle und Neigungen eines Menschen ausbilden, macht seine Gemütsart aus, welche heiter oder trübe, furchtsam oder tapfer, gutartig oder bösartig sein kann. Gemütlichkeit legen wir dem bei, welcher, ohne die Absicht dazu zu haben oder zu zeigen, durch sein Benehmen andere in eine angenehme Gemütsstimmung versetzt. Gemütsbewegungen sind alle stärkeren, oft plötzlich ausbrechenden Veränderungen der Stimmung, also heftige Gefühle, Affekte, Begierden und Leidenschaften. Das Gegenteil davon ist die Gemütsruhe, die nicht in der Gefühllosigkeit, sondern in der Harmonie der Gefühle und Bestrebungen besteht. Gemütskrankheiten s. Geisteskrankheiten. Vgl. Affekte, Apathie, Ataraxie.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 226.
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