Geisteskrankheiten

[223] Geisteskrankheiten (Seelen- oder Gemütskrankheiten) sind abnorme Zustände des Geisteslebens, in denen auf Grund physiologischer Störungen entweder einzelne Seelenprozesse (Vorstellen, Fühlen, Wollen) abnorm verlaufen, oder miteinander in Widersprach stehen. Die Grenze zwischen gesundem und ungesundem Seelenleben ist unsicher und fließend. Als Typen, die schon die Grenze der Psychose (Seelenkrankheit) berühren, gelten: 1. Die Verengung des Vorstellungskreises. 2. Die große Zerstreutheit. 3. Die Heftigkeit des Wollens und Fühlens. 4. Die fixen Ideen. 5. Das Schlafwandeln und der magnetische Schlaf. 6. Die Halluzinationen und Visionen. – Die Geistesstörungen im engeren Sinne zerfallen in solche der Depression und solche der Exaltation; dort zeigt sich übermäßige Herabstimmung, hier Überspannung des Seelenlebens. A. Typen der Depression sind: 1. Die Hypochondrie und Hysterie. 2. Die Melancholie. 3. Die Monomanie. B. Typen der Exaltation: 1. Die Manie oder Narrheit. 2. Die Tobsucht. 3. Die Verrücktheit. – Die Ursachen der Psychose sind mannigfach:[223] Bald sind es Natureinflüsse, bald die Geschlechtsreife, bald die klimakterischen Jahre, bald die Konstitution, bald die Erblichkeit, bald das Leben in großen Städten, bald anstrengender Beruf und Stand, bald Sorgen und Leidenschaften, die zur Geisteskrankheit führen. Eine neue Klassifikation der Geisteskrankheiten, die scharf zwischen Neurosen und Psychosen scheidet, gibt Hellpach, die Grenzwissenschaften der Psychologie. Leipzig 1902. Vgl. Hohnbaum, Psych. Gesundheit und Irrsinn. Berlin 1845. Wachsmuth, Allgem. Pathol. d. Seele. Frankfurt 1859. J. Weiß, Kompend. d. Psychiatrie. Wien 1882. T. Krafft-Ebing, Psychiatrie. Leipzig 1883.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 223-224.
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