Harmonīe

[812] Harmonīe (griech.) ist die wohlgefällige Übereinstimmung der Teile eines zusammengesetzten Ganzen. Sie erstreckt sich auf Erscheinungen der äußern wie der innern Welt, man spricht von der H. menschlicher Kräfte, sei es des Einzelnen, dessen verschiedene Bestrebungen sich zu einem Ganzen ordnen und der Wollen und Vollbringen geschickt angleicht, sei es einer Gemeinschaft, deren Glieder sich ergänzen und verstehen (daher »H.« oft Name geselliger Vereinigungen). H. heißt in der Geschichte der Philosophie auch der Zusammenhang, die innige Verbindung von Leib und Seele, vermöge deren ihre beiderseitigen Tätigkeiten zusammenstimmen; »prästabiliert« nennt Leibniz diese H., weil sie, seiner Lehre zufolge, auf einer ursprünglichen göttlichen Anordnung beruht. – Die größte Bedeutung kommt der H. in der Kunst zu, wo sie vor allem als Farbenharmonie (s. d.) oder Klangharmonie (s. unten) in einer ästhetisch wirksamen äußern Gliederung der Teile eines komplexen Gebildes in die Erscheinung tritt. Auch die symmetrische Gliederung optischer und die rhythmische Gliederung akustischer Eindrücke ist der H. verwandt. Insbesondere aber macht sie sich (und hierfür kommt in erster Linie die Poesie in Betracht) in der Übereinstimmung von Inhalt und Form geltend: die Gefühle, die der Inhalt erregt, müssen zu denen, die die Form auslöst, im Einklang stehen; wo dies nicht der Fall ist, tritt eine schwere Störung des ästhetischen Eindrucks ein. Desgleichen muß dort, wo ein abstrakter Gedanke einem konkreten künstlerischen Gebilde zugrunde liegt, zwischen diesen beiden Elementen H. herrschen, d. h. sie müssen in allen Einzelheiten parallel gehen. In der Musik bezeichnet das Wort die Vereinigung mehrerer Töne zu einem Akkord, im weitern Sinne jeden Zusammenklang gegen einander verständliche Töne (Gegensatz Disharmonie), im engern Sinn einen Zusammenklang zur engern Einheit der Konsonanz verschmelzender Töne (Gegensatz Dissonanz). Vgl. Akkord und Konsonanz. Bei den Griechen, welche die Mehrstimmigkeit noch nicht kannten, war H. soviel wie Tonleiter.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 812.
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