Margaritæ

[697] Margaritæ.

Margaritæ.

Uniones.

Perlæ.

frantzösisch, Perles.

teutsch, Perlen.

Sind kleine Steine, die entweder gantz, oder schier gantz rund sind, auch schieff und nicht vollkommen rund, oder auch wie Birnen formiret, dicht und hart, glatt, weiß und gleissend, von unterschiedener Grösse. Sie werden in gewissen Austern gezeuget, deren Schalen nicht einerley Grösse haben: doch finden sich ihrer, die wol drey und viermahl so groß, als wie die Austern zu Rouen. Diese Austern werden in der Ost- und Westsee gefischet, gleichwie in des Herrn Taverniers Reisebeschreibung der Länge nach zu sehen. Es giebet vier Perlenfischereyen in Orient. Die erste ist um die Insel Bahren, in dem persianischen Seebusen oder Golfo. Die andere ist gegen der Insel Bahren über, auf der Küste von dem glücklichen Arabien, unweit der Stadt Carifa, und gehöret einem arabischen Fürsten. Die dritte[697] ist bey der Insel Ceylon, in der See, welche das Dorff Manaar bespühlet. Die vierte ist auf der japanischen Küste, wird aber nicht gefischet, weil die Japaner sich gar wenig um Kleinodien bekümmern.

In Occident sind fünff Perlenfischereyen, und alle in dem Mexicanischen Meerbusen, längst der Küste von Neuspanien.

Die erste befindet sich längs der Insel Cubagua, hundert und sechzig Meilen von S. Domingo.

Die andere ist bey der Margariten- oder Perleninsel, eine Meile von Cubagua.

Die dritte bey Camogota, unweit vom vesten Lande.

Die vierte zu Rio de la Hacha, längs an derselben Küste.

Die fünffte ist bey S Martha, sechzig Meilen von Rio dela Hacha.

So werden auch in Schottland, und in einem Flusse in Bayern Perlen gefischet, sind aber meistentheils nur schief, und nicht vollkommen rund, und kommen an Schönheit den orientalischen und occidentalischen gar nicht gleich.

Die Austern werden nirgends als auf dem Abgrunde der See gefunden. Die Täucher lassen sich hinab, nachdem sie einen Stein unten an den Leib gebunden haben, der an der Seite, wo er ihre Haut berühret, als wie ein Bogen ausgehauen ist; und einen andern unter ihre Füsse, der sie im Augenblick hinunter auf den Abgrund zeucht: derselbe Stein wird alsbald wiederum, vermittelst eines kleinen. Seils, herauf und in das Schiff gezogen. Die Austern hangen insgemein gantz veste an den Klippen, die wissen die Taucher mit einem kleinen Messer, oder einem andern Instrument, das sie bey sich zu führen pflegen, davon herab zu sondern: diese thun sie in ein grosses Netz, das wie ein Sack gemachet ist, und sie an einem langen Stricke, dessen eines Ende an den Bord des Schiffs bevestigt, an dem Halse haben: und mit demselben Stricke werden die Taucher, wann sie ihren Sack gefüllet haben, wiederum herauf gezogen.

Obgleich die Taucher mehr als sechzig Fuß tieff sich ins Meer hinunter sencken, doch sagen sie, es sey so helle drunten, als wie auf dem Lande. Sobald sie nun hinunter kommen, lauffen sie auf dem Sande, und dem allda befindlichen Letten herum, und nach der Klippen Spitzen, reissen die Austern, so geschwind es ihnen möglich ist, herunter, und stecken sie ein, dieweil sie keine Zeit nicht zu verliehren haben. Doch kan der beste Taucher eine halbe Stunde lang unter dem Wasser dauren, die andern können über eine gute Viertheil Stunde lang nicht wol aushalten. Sie sollen, wie man sagt, weder Oel, noch etwas anderes dergleichen brauchen; sondern sie halten nur den Athem vest an sich, indem sie sich dazu von ihrer Jugend auf gewöhnet haben. Sobald sie spüren, der Athem wolle zu kurtz werden, so ziehen sie an dem Seile, daran der Sack hangt, sie aber halten sich zugleich mit beyden Händen veste dran. Wann dann die in dem Schiff das Zeichen inne werden, so ziehen sie sie behende aus dem Wasser herauf, und nehmen ihnen den Fang ab, der auf das höheste sich auf vier- bis fünffhundert Austern mag belauffen. Sie bringen aber allemahl nicht also viel herauf, dann sie können[698] nicht gewiß seyn, daß sie ihrer so viel finden werden, als sie aufnehmen möchten; überdiß können sie auch nicht alle gar zu lange unter Wasser bleiben, gleichwie bereits erwähnet worden. Im übrigen sind diese armen Leute allerhand und grosser Gefährlichkeit unterworffen; dann, sie lassen sich nicht alleine dermassen tieff hinunter in die See, bleiben hier und dort behangen, brechen auch wol Hals und Beine, wann sie über einen Stein weg fallen, oder müssen aus Ermangelung der Luft ersticken, sondern sie müssen auch in Furchten stehen, daß sie von einem oder andern grossen Fisch verschlungen werden dürfften.

Wann die Austern aus der See herauf gebracht sind worden, so verziehen sie, bis daß sie von sich selbst aufgehen: dann, wann sie dieselben aufmachen wolten, wie wir es mit den Austern machen, möchten sie die Perlen beschädigen und zersprengen. Wann sie sich nun geöffnet haben, so nehmen sie die Perlen heraus.

Die Alten haben die Perlen Uniones genannt, weil sie der Meinung sind gewesen, als ob mehr nicht als ein einiges Stück aus einer ieden Auster gezogen werden könte: darinne sie sich doch betrogen, indem in ieder Schale bis auf die sieben Stück gefunden werden. Sie werden aus dem zähen oder schleimichten, saltzigen Safte erzielet, der in gar vielen Theilen des darinn befindlichen Fisches gerinnet und steinharte wird.

Zu Erzielung der Perlen findet sich kein eigener Ort, sondern sie wachsen ohne Unterscheid in allen Theilen einer Auster. Jedoch befinden sich in einer ieden Auster ein oder zwey gar grosse Stücke, die besser als die andern übrigen formiret sind. Die Auster ist so gut zu essen, als wie die gemeinen.

Die Perlen werden von unterschiedener Farbe befunden, die einen sind weiß, die andern ziehen sich aufs gelbe, und andere sehen gar bleyfarbig aus. Der Herr Tavernier vermeldet, daß er sechs vollkommen runde gehabt habe, die aber so schwartz gewesen, wie Gagat. Die weisse ist ihre rechte und natürliche Farbe. Die gelblichte Farbe entstehet daher: die Fischer verkauffen ihre Austern Hauffenweise, und die Kauffleute warten manchmahl vierzehen Tage, bis daß sie von sich selbst aufgehen, damit sie die Perlen heraus nehmen mögen: indessen sterben einige darunter, weil ihnen das Wasser entgehet, daher verderben sie und werden faul, die Perle wird auch davon zugleich angesteckt, und daher gelbe. Dieses ist eine gewisse Wahrheit: dann in allen Austern, welche ihr Wasser behalten haben, bleiben die Perlen beständig weiß. Die bleyfarbigen und schwartzen Perlen werden nur alleine in America gefunden, und diese Farbe kommt von dem Grunde in der See, welcher allda viel schlammiger und modriger ist, als wie im Orient. Es werden aber nicht in allen Austern Perlen gefunden, sondern es giebet ihrer viel darunter, die gar keine haben. Die besten Jahre zu dieser Fischerey sind die, in denen es sehr viel geregnet hat: wie man dann angemercket, wann es gar starcke Regen hat gegeben, daß die Austern alsdann auch viel reicher sind an Perlen gewesen.

In unsern Austern, Muscheln und dergleichen Schneckenzeug werden auch Perlen gefunden, sie mögen nun herkommen, woher sie nur wollen: und die[699] bestehen aus überaus sehr zarten Lagen oder Blätterlein, die die Natur hat auf und über einander geleget, auf Art der Zwiebelschalen, welche hernachmahls harte und als wie Stein worden. Ihre Materie und der Perlenmutter ihre ist einerley.

Die orientalischen Perlen werden am höhesten geschätzet; und unter denenselben suchet man die grössesten heraus, die gantz vollkommen rund, glatt, weiß, und gleissend, oder wie durchsichtig sind. Diese werden auf frantzösisch, Perles d'une belle eau genennet; auf teutsch, Perlen, die ein schönes Wasser haben. Ihr Preiß ist höher oder auch geringer, nachdem sie wol oder schlecht beschaffen sind: und werden nur zu Hals- und Armbändern gebrauchet. Zur Artzney werden nur die gantz kleinen genommen, die auf teutsch Staubperlen, frantzösisch, Semence de perle, Perlensamen genannt werden, weil sie wie Samenkörnlein sehen: sie haben aber eben eine so gute Kraft, als wie die grossen, und kommen nicht so hoch zu stehen. Die orientalischen soll man erwehlen, welche weiß und hell, durchsichtig und reine sind. Sie sind alkalinisch, und werden so lang auf einem Steine gerieben, bis daß sie zu gantz unbegreifflichen Pulver geworden sind.

Sie sollen eine treffliche Hertzstärckung geben, dem Gift zu widerstehen dienen, und die entgangenen Kräfte wiederum ersetzen. Alleine, ihre Haupttugend ist, daß sie die Säure dämpfen und zu nichte machen, dergleichen andere alkalia auch thun. Dannenhero sind sie gut zu der Schärffe im Magen, zu dem also genannten Hundehunger, zum Durchfall und zu dem verbluten. Die dosis ist von sechs Granen bis auf ein halbes Quintlein.

Nach Paris werden uns grosse, schwere Austerschalen überbracht, die sind gar schön und dick, auswendig grau, inwendig weiß, glatt, gläntzend, und als wie ein wenig grünlicht: haben in der Mitten einen Fleck und Zeichen, daß eine Auster da gesessen. Lateinisch werden sie Mater perlarum, teutsch, Perlenmutter, und auf frantzösisch, Nacre des Perles, auch Mere des Perles, genennet; entweder, weil sich in diesen Austerschalen, sowol als wie in vielen anderen, unterweilen Perlen finden, oder aber, weil sie inwendig also schön, wie die orientalischen Perlen, sehen. In meinem Materialkasten hebe ich eine solche Schale auf, die siebenzehen Untzen wiegt, und breiter ist, als wie zwey Hände. Man erwehlet die weissesten, und die am meisten gläntzen: es werden auch diese Schalen geschnitten, und Löffel, Rechenpfennige, und andre kleine schön polirte Dinge draus gemacht, welche linde anzufühlen, gläntzend und sehr wol zu sehen sind. Sie werden auch auf einem Reibestein gantz zarte abgerieben, und alsdann Mater perlarum præparata, präparirte Perlenmutter, genannt. Die Weibspersonen brauchen diß zu einer Schmincke.

Es dienet dieses Pulver zu Stillung des Durchlauffs und des Blutens, die gar zu scharffen Feuchtigkeiten in dem Leibe zu verbessern. Auf einmahl wird ein halber Scrupel bis auf zwey gantze eingegeben. Es ist ein alkali.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 697-700.
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