Opium

Opium.
Opium.

[809] Opium.

Bisanhero haben zwar fast alle die Scribenten mit einander überein gestimmet, es sey das wahrhafte Opium ein gummoser Saft und Tropfen aus den Mohnhäuptern in Egypten und Griechenland geronnen; wiewol wir dieses recht und wahre Opium gar nicht zu sehen kriegten, indem dasselbige die Türcken für sich selbst behielten, und liessen selbes nicht ausführen, sondern sendeten uns an dessen Stelle das Meconium, welches der Saft sey, der aus eben desselben Mohnes Köpfen und Blättern gepresset, hernach abgedämpfet und zu einer dichten Masse, oder zu einem harten Extract gemachet worden.

Allein, das Opium in Tropfen will sich an keinem Orte finden, und allem Vermuthen nach wird man auch keines nicht bekommen. Dann, kein einiger Reisender hat sich iemahlen rühmen können, daß er dasselbige bey curieusen und Liebhabern habe gesehen; hingegen haben alle diejenigen, welche die vornehmsten Türcken das Opium brauchen sehen, vermeldet, wie daß es ihnen eben so geschienen, als wie dasjenige, das uns wird zugeführt: es würden überdiß die türckischen Kauffleute, als überaus eigennützige[809] und des Gewinns begierige Leute, versichert nicht ermangeln dasselbige mit grossem Fleisse aufzusuchen, wann es zu haben wäre, damit sie es den Europäern aufs theuerste verkauffen könten: so dürfften sich curieuse Leute genug finden, die solches auf den Fall, um gleich schwer Gold erhandeln solten.

Ich halte diesemnach dafür, es gäbe gar kein ander Opium, als das Meconium, oder Extract aus den Mohnköpfen und Blättern in Egypten. Unter solcher Gestalt wird es uns unter eben diesem Titel Opium gesendet, wie Stücken oder Kuchen von allerhand Gestalt, welche in Mohnblätter eingewickelt sind, damit sie nicht zu feuchte werden. Das beste wird uns über Marseille zugeführet: es kömmt wol auch desselbigen aus England, das aber ist viel unreiner und viel trockner. Doch möchte man noch sagen, das Opium, dessen sich die Türcken zu bedienen pflegen, und das sie aus Egypten und aus Griechenland erhalten; weil sie es aus der ersten Hand bekommen, daß solches nicht so leicht verfälschet und geändert sey, als wie dasjenige, das wir von weiten her bekommen, und welches durch so vieler Leute Hand gegangen.

Man soll dasselbige erwehlen, welches schwer ist, dichte, rein und klebrig, von Farbe schwartz und in etwas braun, von Geruch unangenehm und eckel, von Geschmack bitter und etwas scharff dabey. Vor diesem war das beste, welches von Theben kame, daher wird auch in gar viel Dispensatoriis thebanisches Opium, Opium Thebaicum verlanget, obgleich vorietzo eben so gutes von vielen andern Ort her gebracht wird. Es führet viel Oel und flüchtiges Saltz.

Es dienet die Feuchtigkeiten in dem Leibe dick zu machen, den Schlaf zu bringen, die Schmertzen zu stillen, den Durchfall und Erbrechen, das Bluten und den Schlucken zu verstellen; den Schweiß zu treiben, zu den Wehetagen der Augen und der Zähne. Auf einmahl wird ein halbes Gran bis auf zwey gantze Grane eingegeben.

Das Opium bringt den Schlaf zu wege vermittelst des schleimigen oder schweflichten Theiles, den es bey sich führet; dann, wann derselbige von dem flüchtigen Theile ist in die Röhrlein des Gehirnes aufgeführet worden, so verwickelt er die Lebensgeister und leimet sie gleichsam zusammen, daß sie auf eine Zeitlang, an dem sonsten so behenden Kreisumlauff und Circulation gehindert werden. Diese Verhinderung der Lebensgeister in ihrem Lauffe ist schon genug den Schlaf zu wege zu bringen: wie dann ingleichen die Bewegung und die Circulation zureichen, wann man erklären will, was wachen heist. Ich habe in meinem Tractat von der Chymie weitläufftiger davon gehandelt, als ich beschrieben, auf was für Art und Weise ich das Laudanum zurichte.

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Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 809-810.
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