[Wer will hinfort beständig bleiben]

[299] Wer will hinfort beständig bleiben/

Wenn alles voller Unbestand?

Wer will in sein Gedächtnis schreiben

Was andre zeichnen in den Sand?

Was macht ein Celadon auff Erden/

Wenn jeder will ein Hylas werden?


Was will man sich mit Treue plagen?

Cupidens Flügel sind bekandt/

Die Venus hat von ihrem Wagen

Vorlängst den alten Zug verbannt/

Für Schwan und Taube sieht man Raben

Und Sperling' um die Deichsel draben.


Ich kan ja die von Hertzen lieben/

Und jen' aus Pflicht und Höfligkeit/

Bey dieser mein Vergnügen üben/

Mit jener schliessen meine Zeit:

An Ort und Art/ Gestalt und Stunden

Ist unser Lieben nicht gebunden.


So pflegt manch leichter Sinn zu sagen/

Der sich mit Schaden lustig macht/[299]

Verbotnen Raub darvon zu tragen

Mit tausend Lüsten lebt bedacht.

Wer sich der Treue will befleissen/

Muß alber oder einsam heissen.


Was aber fragt nach solchem Schmähen

Der Harnisch tugendvoller Brust.

Der Ausgang wird uns lassen sehen/

Auff wen noch wart die beste Lust.

Wenn Stein und Gicht die Glieder brechen

Wird sie an ihm der Nachbar rächen.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 299-300.
Lizenz:
Kategorien: