Die Wett-streitende Doris

[261] Das schöne Kleeblat der Göttinnen

Das um den Apffel führte Zanck/

Gedachte/ nächst der Schönheit/ Danck

Für meiner Doris zu gewinnen;

Doch Venus selber gab ihr nach

Eh noch jemand das Urtheil sprach.


Aglaja stund mit ihr im Streite

An wem der Vorzug solte seyn:

Der beyden Schwestern holder Schein

Zog erst viel Hertzen auff die Seite/

Doch ward mit Warheit ausgeführt/

Daß ihr der erste Stand gebührt.


Apollo ließ die Wolcken schwinden/

Braucht alle seine Glutt und Macht/

Wolt ihrer hellen Augen Pracht

Durch seine Stralen überwinden:

Was aber kunte gegen Zweyn

Der Glantz von einer Sonne seyn?[261]


Man hörte sie die Wette singen

Mit einer stoltzen Nachtigall.

Wem hätte dieser süsse Schall

Nicht durch das Hertze sollen dringen?

Doch ihrer reinen Stimme Zier

Gieng tausend Nachtigallen für.


An dem gelinden Oder-Strande

Da sezten sie und Amor an/

Wer am gewißten schißen kan;

Ihr blieb der Sieg/ und ihm die Schande

Was sonst Cupidens Pfeil verlacht/

Das hat ihr Blicken wund gemacht.


Wenn sie denn alles kan besiegen/

Und nichts ist/ das ihr widerspricht/

Warum soll meine Freyheit nicht

Zu ihren edlen Füssen liegen?

Ich bin ihr willig unterthan/

Und bete meine Fässel an.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 261-262.
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