Auf die Schlacht bei Groß-Görschen oder Lützen

[128] den 2. Mai 1813.


Habt ihr wohl den Klang vernommen,

Der durch alle Länder klingt,

Wie der Ruhm den Flug genommen

Und die goldnen Flügel schwingt?

Wie der Schande Zentnerschwere

Sich von Deutschlands Nacken löst,

Und die alte deutsche Ehre

Hell in Kriegsposaunen stößt?


Hörtet ihr die hohen Namen?

Preußen! Preußen! klingt der Klang;

Tausend Stimmen rufen Amen,

Tausend Herzen glühen Dank,

Millionen Knie sinken

Freudig betend vor dem Herrn,

Millionen Augen blinken

Selig auf zum Tagesstern.


Nehmt den Stolz, ihr frommen Männer! –

Dieser Preis wird nimmer Wahn –

Nehmt den Stolz, ihr ersten Renner

Auf der deutschen Ehrenbahn,

Die der süße Reiz der Tugend

Lockte froh zu Sieg und Tod,

Wie der Bräute Rosentugend

Lockt der Wonnefackel Rot.


Tapfre Preußen! Tapfre Preußen!

Ihr, die Glück und Sieg versöhnt,

Deutschlands Retter sollt ihr heißen,

Wo nur deutsche Sprache tönt;

In der Enkel fernsten Tagen,

Durch der Säkeln Nacht hinaus

Soll noch jeder Deutsche sagen:

Diese fochten's mutig aus.


Jetzt die edlen Heldenschatten,

Die der dunkle Tod umfing,

Wollen wir mit Glanz bestatten

In des Schlachtfelds blut'gem Ring;[129]

Auf! Und türmt den Berg von Steinen!

Türmt ein deutsches Heldenmal!

Sonne, komm mit hellsten Scheinen,

Leuchte drauf den schönsten Strahl!


Auf! Und pflanzet grüner Eichen

Ernste Haine ringsumher!

Betet, daß in deutschen Reichen

Buben freveln nimmermehr!

Betet, fluchet, daß die Sklaven,

Die den heil'gen Toten nahn,

Plötzlich alle Himmelsstrafen

Auf das schuld'ge Haupt empfahn!


Und ihr, die von listen Höhen,

Von dem heitern Element,

Wo die Geister wandeln gehen,

Alles schauet, alles kennt,

Helden aus den grauen Zeiten,

Die ihr längst geschieden seid,

Hört die Siegesglocken läuten,

Freut euch deutscher Herrlichkeit!


Ihr auch, die auf diesen Auen

Jüngrer Schlachten Staub erregt

Und mit Schrecken, Tod und Grauen

Reihen gegen Reih' bewegt,

Gustav, großer Schwedenkönig,

Zweiter Friedrich, Wallenstein,

Lernt, wie eure Schlachten wenig

Sind vor diesem Ehrenschein.


Denn das Lied muß schwarz sich kleiden,

Welches euch besingen will,

Und der helle Klang der Freuden

Wird bei euren Taten still,

Und Germanien mag wohl klagen

Um den schweren Haß und Neid,

Wodurch in vergangnen Tagen

Ihr so groß geworden seid.


Aber selig, wer in diesen

Hehren Götterschlachten fällt!

Der wird ewig froh gepriesen

Als ein Heiland, als ein Held;[130]

Auf der Freiheit Siegesstätten

Blüht die Ehre ewig grün,

Heil'ge kommen da zu beten,

Engel kommen da zu knien.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 128-131.
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