Klage um drei junge Helden

[173] 1816.


Ich mag wohl traurig klagen,

Gar mancher klagt mit mir:

Drei Helden sind erschlagen

In grüner Jugend Zier;

Es waren drei junge Reiter,

Sie zogen so fröhlich hinaus,

Sie zogen gar balde weiter

Zu Gott in das himmlische Haus.


In Mansfelds edlen Bergen

Weht edle Freiheitsluft,

Da kriecht es nicht von Schergen,

Da lügt kein Schelm und Schuft,

Da wächst das freie Eisen,

Da wächst der freudige Mut,

Und alle, die Männer heißen,

Sind reisig und tapfer und gut.


In Mansfeld war geboren

Das fromme, deutsche Kind,

Der Freund, den wir verloren,

Wie wenig Freunde sind,[173]

Der Eckardt1, der Vielgetreue,

Dem Gott und das Vaterland rief,

Nun schlummert der junge Leue

Im Grabe so still und so tief.


Auf Leipzigs grünen Felden –

O Leipzig, hoher Klang! –

Da traf's den jungen Helden,

Daß er vom Rosse sank.

Das war ja sein frommes Lieben

Bei Tage und bei Nacht,

Das hatt' ihn hinausgetrieben

In den Tod, in die mordische Schlacht.


Wohl dir! Du hast's errungen

Mit deines Blutes Born,

Die Schande ward bezwungen

Vom edlen Freiheitszorn;

Doch müssen wir andern weinen

Und klagen im bittern Schmerz:

Solange die Sterne scheinen,

Schlug nimmer ein treueres Herz.


Es thront am Elbestrande

Die stolze Magdeburg,

Ihr Ruhm klang durch die Lande,

Ihr Unglück auch hindurch,

Als Tilly dem wilden Feuer

Einst sie zu verzehren gebot;

Da trug sie den Witwenschleier,

Denn ach, ihre Schöne war tot.


Sie mag ihn wieder nehmen,

Ihr starb ihr bester Sohn,

Er ging, ein großer Schemen,

Hinauf zu Gottes Thron,

Da hießen den Schönen, Frommen,

Der kam aus dem heiligen Streit,

Die Englein alle willkommen

Zur ewigen, himmlischen Freud'.
[174]

Wohl viele sind gepriesen

Im großen deutschen Land,

Doch dich, mein frommer Friesen2,

Hat Gott allein gekannt;

Was blühend im reichen Herzen

Die Jugend so lieblich verschloß,

Ist jeglichem Laut der Schmerzen,

Ist jeglichem Lobe zu groß.


War je ein Ritter edel,

Du warst es tausendmal,

Vom Fuße bis zum Schädel

Ein lichter Schönheitsstrahl;

Mit kühnem und stolzem Sinne

Hast du nach der Freiheit geschaut,

Das Vaterland war deine Minne,

Es war dir Geliebte und Braut.


Du hast die Braut gewonnen

Im ritterlichen Streit,

Dein Herzblut ist verronnen

Für die viel edle Maid;

In Welschland von grimmen Bauern

Empfingst du den tödlichen Streich,

Drob müssen die Jungfraun trauern,

Die Blume der Schönheit ist bleich.


Hoch im Cheruskerlande

Da steht ein altes Schloß

Auf grüner Bergeshalde,

Wovon mein Stolberg3 sproß;

Es sandte herrliche Boten

Schon aus in grauester Zeit,

Die klagten bei hohen Toten,

Gefallen im Vaterlandsstreit.


Davon lebt auch noch heuer

Wohl mancher Name wert:

Der Vater schwingt die Leier,

Der Sohn, der schwingt das Schwert;
[175]

Wie jener es vorgesungen,

So machte ihm dieser es nach:

Was frühe dem Knaben geklungen,

Das bringet der Jüngling an 'n Tag.


Es scholl die Kriegsdrommete

Des welschen Aufruhrs neu,

Sie klang wie Hochzeitflöte

Dem Grafen stolz und frei,

Da ließ er sein Hengstlein zäumen,

Da hängt' er den Säbel frisch ein

Und sprengte mit heldlichen Träumen

Gar lustig wohl über den Rhein.


Sein Traum ist nun erfüllet

Von deutscher Herrlichkeit,

Sein Durst ist nun gestillet

Nach edlem deutschen Streit;

Er ritt mit den tapfern Reitern

Zum Kampfe nach Brabant hinab,

Da schuf er den Blumen und Kräutern

Ein rotes, blutiges Grab.


Was Lenz und Sonne schufen

Im bunten Rosenmai,

Das stampften Rosseshufen

Im Junius inzwei!

Auch lag in der Jugend Schöne

Mancher Jüngling die Felder entlang,

Das Wehe der Klagetöne

Von Müttern und Bräuten erklang.


Auf Brabants grüner Aue,

Sie heißet Sankt Amand,

Da troff vom roten Taue

Das Eisen mancher Hand,

Mit Rotten aus Welschland trafen

Die preußischen Reisigen dort,

Da holte der Himmel den Grafen,

Da riß eine Kugel ihn fort.


Drum muß ich traurig klagen,

Wohl mancher klagt mit mir,

Drei Helden sind erschlagen

In grüner Jugend Zier,[176]

Es waren drei holde Knaben,

Sie waren so schön und so gut,

Fürs liebe Vaterland haben

Sie fröhlich vergossen ihr Blut.


Schlaft still und fromm in Treue

Bis an den Jüngsten Tag,

Wo sich ein Morgen neue

Euch wieder röten mag!

Es blühet um euren Frieden

Gedächtnis so golden schön:

Im Siege ward euch beschieden

Fürs Vaterland hinnen zu gehn.

Fußnoten

1 Friedrich Eckardt, aus Rothenburg in der Grafschaft Mansfeld, Stadtrat und Bergrat in Berlin, zog als Reiter mit aus in den heiligen Krieg, starb als Rittmeister einige Tage nach der Leipziger Schlacht in Halle an der Munde von einer Flintenkugel.


2 Karl Friedrich Friesen aus Magdeburg, ein rechtes Bild ritterlicher und jungfräulicher Unschuld, mit Schönheit, Kraft und Wissenschaft gerüstet, gleich geübt in geistiger und leiblicher Fechtkunst, fiel als Leutnant der Lützowschen Freischar im sechsundzwanzigsten Jahr seines Lebens in Frankreich in einem Gefechte mit Bauern.


3 Christian Graf zu Stolberg, ein Sohn des edlen Friedrich Leopold, starb den Heldentod in der Schlacht vön Ligny in Brabant. Er war schön und stattlich, ein Neunzehnjähriger voll ritterlicher, frommer Kraft.


Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 173-177.
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