Worte, gesprochen an Schills Grabe in Stralsund zur halbhundertjährigen Gedächtnisfeier seines Todes, am 31. Mai 1859

[307] Wir kommen heut getreten,

Du tapfre Sundia,

Zu wünschen und zu beten;

Zu beten ist immer da:

Schon wieder listen die Welschen

In weiter Welt herum,

Zu verkehren und zu fälschen

Deutsch Evangelium:


Evangelium der Treue,

Die beste deutsche Macht,

Die täglich wieder neue

Und frische Herzen macht:

Die Macht, worauf wir stehen

Und stehen ganz allein,

Die Macht, der in den Höhen

Der Herr will Helfer sein.


Bei dir ist viel zu melden

Von alter Sachsenkraft,

Deine Bürger waren Helden

Mit Schwert und Lanzenschaft,[307]

Es mußt' an deinen Wällen,

Wie stolz er lief daran,

Der Wallenstein zerschellen,

Der allgewaltige Mann.


Die ritterlichen Namen,

Die dich als Braut gewollt

Und um dich werben kamen,

Die Fahnen aufgerollt,

Wer mag sie heute nennen,

Die stolze Heldenzahl,

Die herrlich leuchtend brennen

In deinem Wappenstrahl1?


Viel reiche Ruhmesgarben

Fuhrst weiland du dir ein;

Die buhlend um dich warben,

Schwer ließest du sie ein;

Zuletzt ist einer der Frommen

In böser welscher Zeit

In deine Mauern gekommen.

Sein Name klinge heut!


Ja, als die Wucht von Schanden

Den Nacken Deutschlands bog,

Ist einer aufgestanden,

Der stolz den Degen zog;

Als viele wie Memmen erblichen

Und kuschten feig und still,

Ist dieser nicht ausgewichen.

Sein Name klinget Schill.


Er ruht an deinem Strande,

Du edle Strahlenstadt,

Umgerollt im Vaterlande

Ist glücklich der Zeiten Rad:

Über dem die Welschen riefen:

Verscharrt ihn wie einen Hund!

Den grüßen heut aus Herzenstiefen

Die Männer am Stralensund.
[308]

Drum wollen wir fröhlich treten

Heut an des Helden Gruft

Und fromm für jeden beten,

Der Nieder Welschland! ruft;

Wer nichts als deutsche Sache

Und deutsche Freiheit will,

Ruft Nieder, welscher Drache!

Ruft Hoch der deutsche Schill!

Fußnoten

1 Stralsund führt einen Strahl (Pfeil) im Wappen, gleichsam schon Geburtszeichen seiner kriegerischen Geschicke. Kriegsspiel in und um sie gespielt haben außer dem Wallenstein Gustav Adolf, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, Karl der Zwölfte und Leopold der Dessauer.


Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 307-309.
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