Karsdorfer Kranzlied vor dem Tanze

[93] Melodie vom Reiterliede.


Frisch auf, ihr Männer, führt die Fraun,

Zum Tanzplatz schön geschmücket,

Viel tausend Blumen sind zu schaun,

Zu einem Kranz gepflücket,

Auf, windet lustig an dem Kranz

In diesem hellen Morgenglanz.


Zur Arbeit brannte manchen Tag

Die Sonn auf unsern Rücken,

Heut schaut sie milde zum Gelag

Mit allen Liebesblicken,

Hellstrahlend heut ihr Angesicht

Durch alle trübe Wolken bricht.


Die Hüthe schwenkt zu Gottes Ehr,

Schaut an die fernen Auen,

Kein Feld, das nicht gesegnet wär,

Könnt ihr vom Buchberg schauen,

Und über uns der Wald erklingt,

Zu Gottes Ehr der Vogel singt.[93]


Zu Gottes Ehr der Tauben Schaar

Erschwingt sich durch den Himmel,

Zu seiner Ehr den See so klar

Durchrauscht der Fisch' Getümmel,

Der Wiesen Grün das Auge stärkt,

Daß es auf Gottes Gnade merkt.


Er schuf die Welt, hat diesen Ort

Auf grünem Berg gegründet,

Daß einst gelehret, was sein Wort

Und frohe Lust verkündet:

Doch wer zuerst den Ort erkannt,

Den ehre rings das frohe Land.


Dem Herrn gebührt der Ehrentrank,

Er hat den Platz umgeben

Mit bunten Dächern, Tisch und Bank,

Gott lass' ihn lange leben;

Er giebt uns Speis', er giebt uns Trank,

Ihm schalle jubelnd unser Dank.


Ihr wisset noch, wie wüst es war,

Eh' unser Herr gekommen,

Heut geht hieher manch Liebespaar,

So froh und so beklommen,

Und wird vom Pred'ger eingeweiht,

Zum Ehestand bei Lust und Freud.


Sie sind beglückt in ihrer Brust,

Und sitzen still beiseite,

Ein jedes Alter hat hier Lust,

Die Kinder schaukeln heute,

Es trägt der Greis das Kleinste her

Und findet seine Last nicht schwer.[94]


Aus Brunnen springt empor der Trank,

Den uns der Herr geschenket,

Zum Himmel steiget unser Dank,

Der uns den Herrn geschenket.

Es pflanzte seine Thätigkeit

Hier manchen Baum zur Fröhlichkeit.


Dafür gedeiht, was er gesät,

Und was er baut, das bleibet,

Und was er ordnet, das geräth,

Weil er's mit Ernst betreibet,

Gott geb ihm Freud an seinem Kind,

Und mach es so wie ihn gesinnt.


Jetzt ist des gnäd'gen Herren Glück

In Lieb und Lust vollkommen,

Seit unsre gnäd'ge Frau zurück

Nach langer Kriegszeit kommen,

Sagt, wem gebührt wie ihr der Kranz,

Die uns erscheint in mildem Glanz?


Wir bringen ihr des Festes Kranz,

Woran wir all gebunden,

Hat jede Blume eig'nen Glanz,

Ihr blühn sie all verbunden,

Doch bleibt des Festes schönster Kranz

Das frohste Paar im lust'gen Tanz.

Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 93-95.
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