Das Lied vom Ringe

[44] Elwert. S. 19.


Es waren drey Soldaten,

Dabey ein junges Blut,

Sie hatten sich vergangen,

Der Graf nahm sie gefangen,

Setzt sie bis auf den Tod.


Es war ein wackres Mädelein

Dazu aus fremdem Land,

Sie lief in aller Eilen

Des Tags wohl zehen Meilen

Bis zu dem Grafen hin.


»Gott grüß Euch, edler Herre mein,

Ich wünsch Euch guten Tag,[44]

Ach! wolt Ihr mein gedenken

Den Gefangnen mir zu schenken

Ja schenken zu der Eh.«


»Ach nein, mein liebes Mädelein,

Das kann und mag nicht sein,

Der Gefangne der muß sterben,

Gott's Gnad muß er ererben

Wie er verdienet hat.«


Das Mädel drehet sich herum

Und weinet bitterlich,

Sie lief in aller Eilen

Des Tags wohl zwanzig Meilen,

Bis zu dem tiefen Thurm.


»Gott grüß Euch ihr Gefangnen mein,

Ich wünsch Euch guten Tag!

Ich hab für Euch gebeten,

Ich kann Euch nicht erretten,

Es hilft nicht Gut noch Geld.«


Was hat sie unter ihrem Schürzelein?

Ein Hemdlein war schneeweiß,

»Das nimm du Allerliebster mein,

Es soll von mir dein Brauthemd sein,

Darin lieg du im Tod.«


Was zog er von dem Finger sein?

Ein Ringlein, war von Gold,

»Das nimm du Hübsche, du Feine,

Du Allerliebste meine,

Das soll dein Trauring sein.«[45]


»Was soll ich mit dem Ringlein thun,

Wenn ichs nicht tragen kann?«

»Leg es in Kisten und Kasten,

Und laß es ruhen und rasten

Bis an den jüngsten Tag.«


»Und wenn ich über Kisten und Kasten komm,

Und sehe das Ringlein an,

Da darf ichs nicht anstecken,

Das Herz möcht mir zerbrechen,

Weil ichs nicht ändern kann.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 44-46.
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