Die Judentochter

[237] Mündlich.


Es war eine schöne Jüdin,

Ein wunderschönes Weib,

Sie hatt' ein schöne Tochter,

Ihr Haar war schön geflochten,

Zum Tanz war sie bereit.


»Ach, liebste, liebste Mutter!

Was thut mir mein Herz so weh!

Ach, laßt mich eine Weile

Spazieren auf grüner Heide,

Bis daß mir's besser wird.«


Die Mutter wandt den Rücken,

Die Tochter sprang in die Gaß,

Wo alle Schreiber saßen:

»Ach liebster, liebster Schreiber!

Was thut mir mein Herz so weh.«


»Wenn du dich lässest taufen,

Luisa sollst du heissen,

Mein Weibchen sollst du seyn.«

»Eh ich mich lasse taufen,

Lieber will ich mich versaufen

Ins tiefe, tiefe Meer.


Gut Nacht, mein Vater und Mutter,

Wie auch mein stolzer Bruder,

Ihr seht mich nimmermehr!

Die Sonne ist untergegangen

Im tiefen, tiefen Meer.«[237]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 237-238.
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