Nachtmusikanten

[26] Narren-Nest von Abraham a St. Clara. Wien 1751. III. T.S. 89.


Hier sind wir arme Narrn

Auf Plätzen und auf Gassen,

Und thun die ganze Nacht

Mit unsrer Musick passen.


Es giebt uns keine Ruhe

Die starke Liebes-Macht,

Wir stehen mit dem Bogen

Erfroren auf der Wacht;


Sobald der helle Tag

Sich nur beginnt zu neigen,

Gleich stimmen wir die Laut,

Die Harfen und die Geigen.


Mit diesen laufen wir

Zu mancher Schönen Hauß,

Und legen unsern Kram,

Papier und Noten aus.[26]


Der erste gibt den Tackt,

Der andre bläßt die Flöten,

Der dritte schlägt die Pauck',

Der viert stößt die Trompeten.


Ein andrer aber spielt

Theorb und Galischan

Mit gar besonderm Fleiß,

So gut er immer kann.


Wir pflegen auch so lang

An einem Eck zu hocken,

Bis wir ein schön Gespenst

Hin an das Fenster locken;


Da fängt man alsbald an

Vor der Geliebten Thür

Verliebte Arien

Mit Pausen und Suspir.


Und sollten vor der Wacht

Wir endlich weichen müssen,

So macht man statt der Händ',

Die Läufe mit den Füßen.


Und also treiben wirs

Oft durch die lange Nacht,

Daß selbst die ganze Welt

Ob unsrer Narrheit lacht.


Ach schönste Phillis hör

Doch unser Musiciren,

Und laß uns eine Nacht

In deinem Schoos pausiren.[27]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 26-28.
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