Des Schäfers Tageszeiten

[49] Fliegendes Blat.


Ach! wie sanft ruh ich hie

Bei meinem Vieh!

Da schlaf ich süß im Moos,

Dem Glücke in dem Schoos,

Ganz sorgenlos.

Wenn ich die prächtigen Schlösser beschau

Sind sie doch nur mir,

So zu sagen schier

Ein kühler Thau.


Kommt denn das Morgenroth,

So lob ich Gott.

Dann mit der Feldschallmey

Ruf ich das Lämmerg'schrey

Ganz nah herbey;

Da ist kein Seufzen, kein trauriger Ton;

Denn die Morgenstund

Führet Gold im Mund,

Baut mir ein'n Thron.


Kommt dann die Mittagszeit,

Bin ich voll Freud;

Da grast das liebe Vieh,[49]

Geiß, Lämmer, Schaaf und Küh,

Auf grüner Haid.

Setz' mich in Schatten hin, esse mein Brod.

Bey meinem Hirtenstab

Schwör ich, daß ich hab

Niemals ein Noth.


Endlich seh ich von fern

Den Abendstern;

Dort draus am Wasserfall

Schlaget die Nachtigall,

Giebt Wiederhall.

Freyheit in Armuth giebt Reichthum und Sieg,

Allem Pomp und Pracht

Sag ich gute Nacht

Und bleib ein Hirt.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 49-50.
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