11. Erziehung durch Ahndung

[217] Denkst du nicht, Maria, mehr an die ausgestandnen Schmerzen,

Als das kleine Jesulein in dir ein Gestalt gewann?

O wie sollt ich ihn nicht drum tausendmal im Glauben herzen,

Da er nun zusehens wächst, mir zum Bräutgam und zum Mann.


Hat Johannes nicht vor Freud, schon im Mutterleib gesprungen,

Spielt er nicht zum voraus schon, eh er noch kam an das Licht;

Haben wir nicht seine Freund oft sein Hochzeitslied gesungen,

Hat man mir mit Fingern da dieses Kind gezeiget nicht.


Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab ich das Lamm vor Augen,

Schaue, wie es mir zur Lust treibt so manches süße Spiel;

Ist dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter Brust zu saugen,

Ist er nicht mein Salomon, den ich niemals küß zu viel.


Ja er ists, und was ich will, kann ich in dem Kindlein finden,

Kind und Bräutigam zugleich heißt und ist er in der That;

Denn die zarte Liebe kann auch wohl Kinder ehlich binden,

Daß in Unschuld als sich selbst, eins das andre lieber hat.[217]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 217-218.
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