Ehestand

[149] Procopii decalogale conjugale II. T.p. 569.


Ich gieng spazieren in ein Feld

Ohne Sünde;

Mich umzusehen in der Welt,

Wie es stünde.

Es war an einem Sonntag gut,

Nach dem Essen;

Mein Leid, das mich so quälen thut,

Zu vergessen.

Mit Gedanken thät ich zanken,

Thät ich zanken.


Sehr tief gedacht ich hin und her,

Wo ich auswollt;

Mir selbst wußt nicht zu rathen mehr,

Was ich thun sollt.

Allein zu bleiben mich verdroß,

Mit der Weile;

Zum Heurathen die Lust war groß,

In der Eile.

Wollt schier wagen, ja zu sagen,

Ja zu sagen.


Und sieh, ein Jüngling trat herfür, Wohlbekleidet;

Er grüßt mich freundlich in Gebühr,

Mich begleitet.

An Händen trug er güldne Ring,

Die ihn zierten;[149]

Auch noch mehr andre köstlich Ding

Ihn berührten.

An dem allen hätt Gefallen,

Hätt Gefallen.


Bei neben ward ich auch gewahr,

Daß der Jüngling

Ein schweres Joch trug immerdar,

Das ihm anhing.

An Füssen hätt er Ketten stark,

Stahl und Eisen;

Das schmerzt ihn bis auf Bein und Mark,

Konnt aufreissen.

Ottern, Schlangen auch dran hangen,

Auch dran hangen.


Da ich nun ward mit ihm bekannt,

Ich ihn fragte:

Jüngling wer bist? Wie wirst genannt?

Er mir sagte:

Ich bin der Ehstand dieser Welt,

Also heiß ich;

So mancher, tapfre kühne Held

Um mich reißt sich.

Zum Heurathen thu ich laden,

Thu ich laden.


Dann ich ihn erst recht schaute an,

Mit Verwundern;

Gedacht: Sollt denn ich freyer Mann

Gleich jezunder

Beladen mich mit solchem Joch,

Und verbinden?[150]

Ich wills wohl lassen bleiben noch,

Kanns nicht finden;

Will mich drinnen bas besinnen,

Bas besinnen.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 149-151.
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