Der Puppenspieler

[125] Was ist für Freude noch bei großen Bühnen,

Da ist nichts Lustges mehr, kein wild Erkühnen,

Auch ich war einst dabei, hab mitgemacht,

Und hab in Jahren nicht dabei gelacht.[125]

Die guten alten Spieler werden schwach,

Und ach das junge Volk wächst schwächlich nach,

Was kann die Welt für Lust an Kindern haben?

Es dankt das Publikum für künftige Gaben,

Will Fertges sehn; was sich erst bilden soll,

Das mache kein Geschrei, sonst heißt es toll.

Den Kindern springt die Quint, wie ichs gehört

Das Publikum ward ganz von Haß bethört,

Es pocht, es lärmt, und keiner schien mehr recht,

Es flohn die Schauspielleut aus dem Gefecht.

Da nahm ich nun mein Tuch, macht einen Knoten,

Und hab ein Kinderspiel dem Volk geboten,

Und wackelte damit und ließ es tanzen,

Ich ward vergnügt und es gefiel im Ganzen.

Ich nahm das Buch recht wie ein Kind in Lehre,

Als obs das Publikum, das edle wäre,

Und fragt es aus, wie es uns möchte haben?

Da sprachs so viel von hohen Künstlergaben,

Doch wußt es nicht, wo die zu Kaufe wären;

Da mußte ich es billig drin belehren,

»Die Kunst ist frei, sie brauchet viel Theater,

Das Eine bild' das Kind, dies zeig den Vater,

Wenn jenes reif, da tret' es hier erst ein!

Doch weil für jetzt dies Schauspielhaus allein,

So müßt ihr auch den Schülern gnädig sein.«

Auf dieses Wort folgt Klatschen allgemein,

Ei dachte ich, und konnt es gar nicht fassen,

Dies Schnupftuch kann jetzt mehr als Künstler spaßen;

Die Künstler sind zum Spaß zu vornehm worden,

Und doch nicht groß genug zum tragschen Morden.

Ich ging davon und machte kleine Puppen;

Viel hatt ich nicht zu brocken in die Suppen,

Doch essen auch nicht viel die kleinen Leut,

Sie sind zu jeder Rolle stets bereit,

Um Kleider ist kein Streit, auch nicht um Tugend,

Auch nicht um Liebhaber, auch nicht um Jugend.

Sie sind so alt, wie ich sie eben brauch,

Die weißgenasten häng ich in den Rauch.[126]

Mein Kopf füllt mein Theater ganz allein;

Sind meine Menschen gegen mich nur klein,

So bin ich darum wahrlich groß zu nennen,

Kann sie verbinden, und sie trennen,

Nach Eigensinn und nach Verstand

Und bin ein rechter Gott in diesem Land;

Weiß ich nichts mehr aus meinem Kopf zu sagen,

So brauchen sie nur tüchtig sich zu schlagen,

Und weil mein Casperl trefflich Tritte giebt,

So schweigt Kritik und ich bin stets beliebt,

Ein jeder lacht, ein jeder giebt sein Geld,

Jetzt ist mein Casperl hier der größte Held.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 125-127.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon