Die Legende vom Hadernburger Wein

[421] (Für Frau Lisette Stremel zur Erinnerung

an die Eppaner Zeit.)


Christoph Patzeber ein Bauer war,

Der hat getrunken wunderbar

Von ururalten Weinen;

Die waren gelb wie Oel und klar,

Er hat getrunken über ein Jahr,

Mit ihm sein Weib und die Seinen.


Er kam dazu, wußte selbst nicht wie,

Und eure ganze Philosophie,

Die wirds auch nicht erklären.

Schaut nur und hört wies ihm geschah:

Er ging halt hin, und der Wein war da;

So sind die alten Mären.


Christoph Patzeber in einer Nacht

Hat sich mal auf den Weg gemacht,

Wollte nach Wälschmichel gehen.

Da führte was ihn in die Quer,

Nach Wälschmichel kam er nicht mehr,

Denn er hat Wein gesehen.
[421]

Wein! Achtzehn Faß mit Hahn und Krahn

Sahn ihn wie achtzehn Augen an

Recht freundlich und mit Winken.

Sie lagen in einem Keller tief,

In den hell eine Treppe lief;

Patzeber, der thät trinken.


Sakra! das schmeckt! Doch aus der Hand

Den Wein zu trinken ist Sünd und Schand.

Was giebts da zu besinnen!

Christoph holt sich zwei Flaschen groß,

Steigt wiederum in das alte G'schloß

Und läßt voll Wein sie rinnen.


Gemächlich will er wieder gehn,

Da sieht Weißbärte drei er stehn,

Die haben nichts in Händen

Als eine Tafel und Kreide weiß,

Es wird ihm eisig bald, bald heiß:

Jesus! wie wird das enden!


Hebt drum zu vaterunsern an;

Da tröstet ihn der älste Mann:

Wir thun dir nichts zu leide!

Hol Wein dir nur, so oft du willst,

Es schreibt nicht auf, wie oft du füllst

Das Flaschenpaar, die Kreide.
[422]

Patzebern dünkt das wunderbar,

Doch angenehm. Ein ganzes Jahr

Hat er mit allen Seinen

Tagtäglich sich gefüllt aufs neu

Die Flaschen ohne Reu und Scheu

Mit Hadernburger Weinen.


(Denn in der Hadernburg geschah

Die seltsame Historia.

Ist bei Salurn gelegen;

Dietrich von Bern hielt Hochzeit drin

Mit einer schönen Kurtaatscherin,

Der alte Niblungdegen.)


So trank er voller Freudigkeit,

Bis daß ein' hohe Obrigkeit

Dahinter ist gekommen.

Erbarmte sich der Seele sein

Und hat: woher, von wem der Wein,

Ihn ins Gebet genommen.


Ob er nicht gar vom Teufel wär?

Patzeber bracht die Flaschen her.

Sie kosteten gar schnelle:

Nicht aus Salurn ist dieser Wein,

Drum kann er nicht gestohlen sein,

Und schmeckt auch nicht nach Hölle.
[423]

Patzeber! Wo fließt dieser Quell?

Christoph bekannte auf der Stell,

Wo er den Wein thät finden.

So gehe hin und hol aufs neu,

Daß nochmals wir nach Pflicht und Treu

Behördlich ihn ergründen!


Patzeber lief. Doch sonderbar:

Wo gestern Trepp und Keller war,

Da gähnte schwarze Leere,

Und Schläge sausten hageldicht,

Patzeber fiel aufs Angesicht

Und fürchtete sich sehre.


Dann sah er tief, tief unter sich

Den lieben Keller; schauerlich

Saßen darin die dreie

Und murmelten in ihren Bart

Und kritzelten nach Kaufmannsart

Viel Ziffern Reih an Reihe.


Sprach dumpf der Aelteste: es stimmt!

Sein Nachbar ein Stück Kreide nimmt,

Durchstreicht die Ziffernreihen,

Daß es wie eine römsche Zehn

Oder ein Andreaskreuz zu sehn,

Mit dicken Strichen zweien.
[424]

Dann, als dies stumm geschehen war,

Zählte auf in Silbermünze bar

Der dritte dreißig Thaler,

Drückt sie Patzebern in die Hand,

Wimmert ein bißchen und verschwand.

Aufdämmerte ein fahler


Lichtschein, und durch die graue Luft

Zog hin und her ein Moderduft;

Patzebern wollt es scheinen,

Als ging ein Leichenzug vorbei;

Mit Fackeln sah er noch die drei

Und hörte leise weinen.


Weiß Gott, ihm war nicht wohlgemut,

Obwohl in seinem alten Hut

Die dreißig Thaler klangen.

Er lief davon wie hundsgejagt,

Mit Stottern hat er ausgesagt,

Was Grauens ihm ergangen.


Die Thaler gingen rundherum

Im hohen Ratskollegium,

Ob sie nach Schwefel röchen?

Nein, nein: sie waren blinkeblank

Und hatten keinerlei Gestank

Und klangen nicht nach Blechen.
[425]

Christliche Thaler! Gut und recht!

Doch Christoph hatte ausgezecht,

Er starb nach zehen Tagen;

Das hatte wohl die römische Zehn,

Die er in jener Nacht gesehn,

Vorkündend wollen sagen.


Nach Christoph hat in mancher Nacht

Manch Bauer sich noch aufgemacht,

Zu trinken alte Weine

Im Keller Dieterichs von Bern;

Ich selber thät es herzlich gern:

Indes, es fließen keine.


Die Obrigkeit ist schuld daran!

Ich klage die Salurner an,

Daß sie den Wein vertrieben.

Nun ist für jenen Malvasier

Zur Strafe ein recht saurer ihr,

Ihr eigner Wein verblieben.


Oh heilige Bureaukratie,

Vergiß der Märe Lehre nie:

Laß ferne deine Hände

Von Dingen wunderbarer Art!

Sonst seng dir saurer Wein den Bart!

Das ist der Märe Ende.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 421-426.
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