195. Weiblicher Wassergeist.

[129] Ertingen.


In dem Garten eines Nachbars befand sich vor Zeiten eine Brunnenstube, in welche ein Kind hineinfiel und trotz[129] der geringen Tiefe des Wassers spurlos verschwand. Die alte Nachbarin behauptete, in der Tiefe des Brunnens sei eine behäbige Stube, in der eine »alte Hexe« wohne und sich mit Spinnen beschäftige. Komme aber ein Kind zum Brunnen, so sei es ihr Geschäft, dasselbe mit allerlei Versprechungen von »Gutlen und Netzwasser« zu sich hinab zu »zeineln«100 (locken). Obwohl man auf das traurige Ereigniß hin den Brunnen verschüttet, lasse er sich doch nie ganz abtreiben; horche man aber am Boden, so könne man die Alte mit ihren Kindern reden hören.

100

Vgl. Th. Vernaleken, Mythen u. Bräuche S. 161 ff. Locken der Wasserfrau durch süße Lieder: Tettau und Temme Nr. 169. – Das oberschwäbische »zeẽle« kennt Niederschwaben nicht; niederschwäbisch begegnet uns »zammserl, hërzammserl, erezammserle, nausszammserle, nâzammserle« (hinab).

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 129-130.
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