[29.]

[72] Wer vff syn frumkeyt halt alleyn

Vnd ander vrtelt böß vnd kleyn

Der stoßt sich offt an hertte steyn


29. Der ander lut vrteilt

Der ander lut vrteilt

Der ist eyn narr der sich vertröst

Vff won / vnd meynt er sig der größt

Vnd weiß nit das jn eyner stund

Syn sel fert dieff jn hellen grund

Aber den trost hat yeder narr

Er meynt nit syn der nähst der far

Wann er schon ander sterben sicht

Bald hat eyn vrsach er erdicht[73]

Vnd kan sagen / der dett also /

Der was zů wild / der seltten fro

Der hatt diß / vnd der jhens gethan

Dar vmb hatt jn gott sterben lan

Vnd vrteilt eynen noch sym tod

Der villicht ist jn gotts gnod

So er jn grössern sünden lebt

Wider gott vnd syn nähsten strebt

Vnd forcht dar vmb nit stroff noch bůß

Vnd weiß doch das er sterben můß

Wo / wenn / vnd wie / ist jm nit kundt

Biß das die sel fert vß dem mundt

Doch gloubt er nit das syg eyn hell

Biß er hin jn kumbt vber die schwell

So wurt jn den der synn vff gan

So sie jn mitt der flāmen stan

Eyn yeden dunckt syn leben gůt

Alleyn das hertz gott kennen důt

Für böß schetzt man offt manchen man

Den gott doch kent / vnd lieb will han

Mancher vff erden würt geert

Der noch sym tod zůr hellen fert

Eyn narr ist wer gesprechen dar

Das er reyn sig von sünden gar

Doch yedem narren das gebrist

Das er nit syn will / das er ist


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 72-74.
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