An eine schöne Erscheinung am Dreikönigtag

[458] Nicht allen war der Himmel gleich geneigt,

Und jeglichem ist andre Pflicht gegeben

Wie mancher betet an, indes die Lippe schweigt,

Der andere darf nur die Blicke heben,

Der König Gold der Weise Mirrhen reicht

Und Weihrauchwolken läßt der Melchior schweben,

Der Kinder Lallen und der Liebe Stammeln,

Des Sängers Lied muß sich zum Dienste sammlen.


Es hat der Herr sich eine Welt erbaut,

Er hat sie mit der Schönheit ausgeschmücket,

Er hat sie dem Gesetze anvertraut,

Sein Siegel auf des Menschen Stirn gedrücket,

O selig wer in solche Augen schaut,

Die solche Seligkeit der Welt entzücket,

Ihm ist der Herr, ihm ist das Reich erschienen

Er weiß, er weiß, wo's lieblich ist zu dienen.


Wie gütig ist der Herr, der überall,

Da wo ich bin, da will er mir erscheinen,

Und wo ich singe grüßet ihn der Widerhall

Und wo ich denke kann ich ihn nur meinen,

Ihn lob' ich lachend mit der Freude Schall

Ihn ehrt der Trauer stillbescheidnes Weinen,

Und was mich rührte, darf ich stolz auch singen,

Denn nur zu ihm erheben sich die Schwingen.


Mir ward ein Aug', was herrlich ist, zu sehen

Ein Herz ward mir, was würdig ist zu hegen,

Die Sonne will mir auf und untergehen,

Der Anmut geh' ich treu und fromm entgegen,

Vor dir du schöner Mensch mag gern ich stehn,

Dir, mir zu lieb nicht, nein nur Gottes Wegen.

Sei irdisch Himmel mir, und himmlisch Erde

Daß Freundesdienst ein Gottesdienst mir werde.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 458-459.
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