Kantate auf den Tod Ihrer Königlichen Majestät, Louise von Preußen

[204] Der rührenden Zuneigung Ihrer Majestät der Kaiserin von Österreich für die Verewigte gewidmet


Zueignung


Sieh mild, o hohe Frau, auf diese Zeilen

Du liebtest Sie, wenngleich Dir unbekannt.

Als Du, von ird'schem Schmerze Dich zu heilen

Zur vaterländ'schen Quelle Dich gewandt

Erweckte, Deine Liebe Ihr zu teilen

In Deiner Brust, die Sehnsucht Gottes Hand

Auch Sie war krank in Sehnsucht, Dich zu sehen,

Sie wollt' zu Dir, Sie mußt' zum Himmel gehen.


Und weil auf Erden würdig keine Stelle,

Von Sünde und von Lüge unentweiht

Daß Unschuld sich und Hoheit fromm geselle,

Sich zuzuspieglen eine schönre Zeit,

Rief Sie der Herr zu alles Lichtes Quelle.

Dort bleibt ein selig Anschaun auch bereit,

Wenn unter Dir auch ruht dies dunkle Leben

Dem Deine Tugend noch muß Schimmer geben.


Verzeihe, daß der Tod mir herrlich scheinet.

Erfüllet von des Schicksals Bitterkeit,

Hab' ich als Mensch um deutsche Not geweinet,[204]

Als Christ erkannt des Lebens Eitelkeit –

Doch ist zum Felsengrab die Zeit versteinet,

Durchbricht sie Christi Sieg mit Herrlichkeit

Mit ihm erstehn, die treu mit ihm gestorben,

Es hat solch Heil, die Selige erworben.


Clemens Brentano.


O Herr! Sie ist bei dir, Sie ist bei dir!

Tief unter Ihr

Ruht diese dunkle Erde,

Und aller Tränen Fall,

Und aller Klagen Schall,

Kauft Sie nicht los,

Allmächtiger! aus deiner Liebe Schoß.


Aber wir dürfen weinen,

Weinen um Sie!

Uns gehöret die Erde noch

Und das Leid und die Trauer!


Uns kehrt noch der Frühling wieder

Läßt sich mit Blumen nieder,

Und mit irdischem Entzücken

Lassen wir uns noch berücken,


O ihr Blumen! zu euch nieder

Weinen, die euch künftig pflücken,

Uns bleibt nur Ihr Bild zu schmücken,

Sie kehrt nimmer, nimmer wieder!


Weh! wie gehet ein Ruf

Durch die Gefilde des Landes

Wie schallet schreckend einer Posaune Schall

An die Tore der Stadt!

Ach, des Leides Maß, voll war es nicht

In eiserner Zeit[205]

Sind die Schwerter unzählige

Und überschwenglich

Ist der Becher der Not!


Die Tränen brechen aus,

Sollen wir sprechen aus,

Wie Sie gewesen ist,

Die nun genesen ist,

Von allem Leid,

Die in der Krone Glanz,

Die in der Blumen Kranz

Glorreich und huldreich war,

Die ein Gestirne klar

Stand in der Zeit.


In des Meeres öder Wüste,

Wo die Sehnsucht ewig sucht,

Uns ein klar Gestirn begrüßte

Über unsrer Heimat Bucht.


Freudig nach dem Sterne schauend,

War das Segel aufgerollt,

Und wir steuerten vertrauend,

Wie es Plan und Fahrt gewollt.


Aber o Trauer, wie tief dein Flug,

Wie steigt eine Finsternis auf

Unter dem schweren Fittich des Wehs,

Eine Nacht decket unsre Augen

Tränen, Tränen sind all unser Trost!


Die Geliebte,

Die uns liebte,

Sie war selig

Sie war selig

Sie war selig unter uns![206]


Die Geliebte,

Die uns liebte,

Sie ist selig

Sie ist selig

Sie ist selig ohne uns!


Und wie wir auch bitter trauren

Tränen zu den Tränen gießen

Wachsen nur des Todes Mauren

Die Sie ewig uns verschließen.

Unerbittlich, unerschütterlich

Ein kaltes Felsenhaus

Stößet das Grab die Klage zurück.


Heilig, heilig sind die Schmerzen

Wölben einen festen Bogen

Über unsre treuen Herzen

Die die Trauer hat umzogen.

Widertönend, widerspieglend,

Ein Liebe schallender Tempel,

Hallet das Grab die Klage zurück.


Herrlich war Sie vor der Sonne

Herrlich war Sie vor dem Licht

Und es lachte hohe Wonne

Auf dem holden Angesicht.


Sie trug auf der hohen Stirne

Würdig dieses Lands Gestirne

Eine goldne Königskrone.


Sie trug auf der edlen Stirne

Aller Tugend schön Gestirne

Eine süße Blumenkrone.


Herrlich war Sie vor der Sonne,

Herrlich war Sie vor dem Licht,[207]

Und es lachte hohe Wonne

Auf dem holden Angesicht.


Einen kenne ich,

Wir lieben ihn nicht,

Einen nenne ich,

Der die Kronen zerbricht.

Weh! sein Fuß steht im Staub,

Sein Haupt in der Mitternacht

Vor ihm wehet das Laub

Zur dunklen Erde hernieder,

Ohn' Erbarmen

In den Armen

Trägt er die kindische taumelnde Welt,

Tod, so heißt er

Und die Geister

Beben vor dir, du eiserner Held!


Einen kenne ich

Wer liebt ihn genug

Einen nenne ich

Der die Dornkrone trug.

Heil! sein Fuß stehet im Licht

Sein Haupt in der Glorie,

Wo er gehet, zerbricht

Des Todes eiserner Riegel.

Voll Erbarmen

In den Armen

Trägt er die sterbliche liebende Welt,

Jesus heißt er

Und die Geister

Beten dich an, du ewiger Held!


Laß mich in die Mitte treten

Wo die frommen Seelen stehn,[208]

Laß mich lieben, laß mich beten,

Zu dem Grabe laß mich gehn.


Seele, du Kristall!

Gottheit, Lichtesschein!

Du strömst überall

In die Seele ein,


Leib du herrlich Haus!

Beide schließt du ein,

Wie ein Blumenstrauß

Duft und Farbenschein.


Und ich will die Blumen pflegen

Weil die Farbe ewig lebet,

Wohlgeruch auch ewig schwebet,

Muß sich gleich die arme Blume,

Dieser Schrein der Heiligtume

Welkend an die Erde legen.


Ewig, ewig ist das Leben,

Denn ich kann die Augen heben

Kann in tiefer Klage beben,

Kann auf Trauerliedern schweben,

Und mein Herz ist hoch erheitert,

Wenn der Schmerz es so erweitert.


Und ich seh' Sie in der Blüte,

In der Reife vollem Segen,

In dem Ernste, in der Güte,

Wie Sie ging auf unsern Wegen,


Bringet her die Blumenkränze

Wölbet hohe Ehrenbogen,

Daß Sie freudig nochmals glänze

Wie Sie zu uns eingezogen.[209]


Teppiche breitet

Auf Ihren Wegen

Streuet die Blumen

Der herrlichen Braut,


Sehet, wie schreitet

Der irdische Segen,

Durch unsre Tore,

Von Treue erbaut.

Doch wie wir auch Palmen schwingen,

Ihr die Lebenswünsche bringen,

Wie wir Ihr auch Kränze schlingen

Ach, es kann uns nicht gelingen,


Ihre Milde, Ihre Güte,

Ihrer Anmut grüßend Neigen,

Ihrer Schönheit lichte Blüte,

Kann kein Lobgesang erreichen.


Stille, stille!

Rede von Freude nicht,

Singe mir heute nicht,

Von der verlorenen, schimmernden Zeit.


Hülle, hülle

Schwarz deine Töchter ein

Sie sollen Wächter sein

Ehrend die Tote, mit Blumen bestreut.


Ich will mir das Herz zerreißen

Will die sel'gen Tage preisen

Bis mich tödlich trifft das Leid.


Überm Grab ist eine Höhe,

Und ich schreie, Wehe, Wehe!

Schau' ich rückwärts in die Zeit.[210]


Überm Grabe ist ein Hügel

Daß die Trauer ihren Flügel

Hebe zu der höhern Welt,


Überm Grabe ist ein Gipfel

Wo an steilem Kreuzeswipfel

Triumphierte unser Held!


Stille, stille

Irdischer Klage Ruf,

Er, der die Tage schuf,

Stellt in die Nächte die Sterne hinein.


Hülle, hülle

Dich in die Nächte ein,

Dort ist der echte Schein,

Laß deinen Mantel voll Sternen sein.


Auf dem hohen Tore flagget,

Wo die Siegesgöttin stand,

Eine schwarze Trauerfahne

Ihre Schatten übers Land,


Und auf dunkelem Gerüste

Singt gehüllt in schwarzen Flor,

Der Sie jubelnd sonst begrüßte

Nun der Schüler Trauerchor:


Du giengst in den Jugendgarten,

Wolltest nach den Blumen sehn

Die Du kindisch einst gepflanzet,

Die in Gottes Sonne stehn.


Wie Du so die Augen lenkest

Auf des Gartens grünen Saum,

Und der Blumen Leben denkest

Trittst Du aus des Lebens Traum.[211]


Süßre Kelche sich erschließen,

Jenseits liegt die trübe Welt,

Und Du trittst zu Paradiesen

Aus dem ird'schen Rosenzelt,


Und Dein Purpurmantel sinket

Und es sinkt Dein Myrtenkranz,

Aber Deine Krone blinket,

Heller in des Himmels Glanz.


Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer,

Zu euch ziehet die Trauer ein.

Und der bittre Schmerz

Pflanzt sein Panier auf eure Mauern.

Stark ist die Liebe,

Sie hat gerungen fürs Vaterland,

Aber stärker der Tod,

Er hat euch geschlagen

Wo ihr tödlich waret.


Was wir liebten,

Was wir ehrten,

Was wir alle lieben lehrten,

Was wir ewiglich begehrten,

Ist entwichen, ist verblichen,

Und es bringt ein dunkler Wagen,

Was der Erde ist, getragen.


Abendröte, Trauerbote,

Unsre Tore stehen offen:

Du hast uns mit Weh getroffen.


Morgenröte, Mittag strahlend,

O ihr sonnenvollen Tage,

Die ich an dem Abend klage.[212]


Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer

Leget die Schlüssel

Auf der Siegerin Wagen,

Die uns geführet mit Liebe sonst,

Die uns besieget mit Trauer jetzt,

Ehret die Asche, ihr sterblichen Männer,

Und weinet der Siegerin!


Die Krieger, die zur Schlacht Sie führte

Und denen Sie die Fahne gab,

Sind Ihres letzten Weges Zierde,

Geleiten Sie zum stillen Grab.


Eine Halle ganz von Schmerzen

Bilden Ihr des Volkes Reihn,

Und Sie zieht durch tausend Herzen,

Die Ihr fromme Tränen weihn.


Und Ihr Auge ist geschlossen

Siehet nicht des Volkes Leid,

Sie hat Tränen sonst vergossen,

Als uns traf die schwere Zeit.

Sie ziehet ein

Des Landes Wonne.

Des Himmels Sonne

Giebt keinen Schein.


Weh, o Wehe unter Klagen

Lassen wir den Trauerwagen

Also still vorüberziehn,

Können wir Sie zu erfreuen

Nicht mehr jubelnd Blumen streuen

Ihr der Blumen Königin.


Auf Ihrem Sarge liegen Blumen

Des frühen Todes rührend Bild,

Auch Sie war eine schöne Blume,

Sie decket jetzt des Todes Schild.[213]


Ich glaube keinen Tod,

Und stürb' ich alle Stunden,

Ein schönres Morgenrot,

Ist immer mir gefunden.


Ewig, ewig wird Sie leben,

Ist Sie nicht der Zeit geblieben,

Hat Sie uns doch Kraft gegeben,

Daß wir Sie auf ewig lieben.


Ewig, ewig wird Sie leben,

Denn Sie hat Ihr Lebensende

Eine Christin hingegeben

In des Endelosen Hände.


Sehet, wie dränget das Volk sich

Zu den Kleinodien des Reichs,

Die auf des Landes Palast

Traurig schimmern auf schwarzen Kissen.


Dies ist die Krone,

Ihr Männer des Landes,

Die Sie getragen auf würdigem Haupt;

Einsam ruhet der goldene Reif,

Nimmer umschließt er die herrliche Stirn,

Hoher Gedanken Tempel.


Dies ist der Zepter,

Den sie geführet in segnender Hand,

Einsam ruhet der goldene Stab,

Und Ihre Hände sind gefaltet

Über Ihrem Herzen, das fromm war,

Zu Gott, der Ihr gnädig sei!


Tausend kommen, Tausend gehen

Ihre Königin zu sehen,[214]

So die frommen Bienen ziehen,

Wo die letzten Blumen blühen,

Tragen Tränen in die Zellen,

Wollen gern ein Grab bestellen

Ganz aus Liebe, ganz aus Trauer,

Ihrer hohen Königin!


Stille, stille,

Über den Toten

Ruhet ein Traum

Reißet nicht nieder

Mit irdischem Schmerz

Den Schirm, der die Toten schützet,


Stille, stille

Stehet das Herz

Der Erblichenen,

Und ihre Lippe schweigt,

Stille gebietend.


Und nun weichet von dem Lager,

Einsam sei der Klage Haus,

Denn es nahet Ihr der Nächste,

Weinet seine Tränen aus.


Meine Seele ist betrübet bis in den Tod

Bleibet hier und wachet mit mir,


Mein Vater ist es möglich,

So gehe dieser Kelch von mir,

Doch nicht, wie ich will,

Sondern wie du willst.


Mein Vater ist es nicht möglich,

Daß dieser Kelch von mir gehe,[215]

Ich trinke ihn denn.

So geschehe dein Wille.


Es erschien ihm aber ein Engel

Vom Himmel und stärkete ihn.


Stillet die Klage,

Schmücket die Trauer,

Ihr sollet nicht zagen,

Vor des Todes Schauer.


Gebet der Erde,

Was sie gegeben,

Es blühet Leben

Über dem Grab.


Mit Blumen sei der Staub gezieret,

Ein glänzend Haus sei ihm erbaut,

Weil jetzt die Seele triumphieret,

Und ihren Gott im Himmel schaut.


Schwarz ist der Leichenzug, ein Schatten

Vom Brautzug in des Himmels Höhn,

Und ach! wir weinen in dem Schatten,

Sie leuchtet in dem Lichte schön.


Des Landes Herrn,

Ich sah ihn weinen,

Des Herzens Stern

Will nicht mehr scheinen,

Er steigt des Domes Stufen

Er folget Ihr, Sie gieng ihm einst zur Seite

Im Frieden, und im Streite,

Und alle Herzen rufen:[216]


O Herr! Du warst mit Ihr,

Der Bürgertugend Bild

Auf unserm Throne,


O Herr! Du trugst mit Ihr,

Des treuen Volkes Schild,

Die ernste Krone,


O Herr! Sie stand bei dir

So gütig und so mild,

Der Himmel gab Sie dir zum Lohne,


Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen,

Der Wille des Herrn sei gelobet!


Sieh, es folgen auch die Kinder,

Die Sie auf der Erde ließ,

Drei sind Ihr vorausgegangen,

Sie im Himmel zu empfangen,

Engel Ihrer Seligkeit!

Und der Säugling schwarz verhüllet

Wird den Brüdern nachgetragen,

Nie betrat er noch die Erde,

Die die Mutter ihm verschließt,

Und er schlummert –


Selig die Schlummernden,

Ruhig pochet das Herz,

Und es gaukelt der Schmerz,

Ein Traum, über die Wiege hin,


Selig die Unmündigen,

Bunte Blumen und Flitterglanz,

Schimmern im Totenkranz,

Und ihr weinet und lächelt,

Denn ihr versteht, ihr Unschuldige

Das unsterbliche Leben!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 204-217.
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