Ein Mißgriff

[99] Der Samstag ist meistens so ein Tag,

Den der Vater nicht leiden mag.

Es wirbelt der Staub, der Besen schwirrt,

Man irrt umher und wird verwirrt. –


Ein Mißgriff

Hier oben auf der Fensterbank

Steht Liese und macht die Scheiben blank.[99]

Knopp, welcher seine Pfeife vermißt

Und gar nicht weiß, wo sie heute ist.

Schweift sorgenschwer im Haus umher,

Ob sie nicht wo zu finden wär.


Ein Mißgriff

Er denkt: »Wo mag die Pfeife sein?«

Und zwickt die Liese ins Bein hinein.[100]

Obgleich dies nur ganz unten geschehen,

Frau Doris hat es nicht gern gesehen.


Ein Mißgriff

Sie ruft: »Das bitt ich mir aber aus!

Abscheuliches Mädchen, verlasse das Haus!«


So wären denn Knoppens also mal

Ohne weibliches Dienstpersonal,

Und morgens in früher Dämmerung
[101]

Ein Mißgriff

Hat Knopp eine schöne Beschäftigung.


Alsbald so steht es im Wochenblatt,

Daß man Bedienung nötig hat.


Infolgedessen mit sanfter Miene

Erscheint eine Jungfrau namens Katrine,

Welche hochheilig und teuer versprochen,

Stets fleißig zu putzen, beten, backen und kochen.
[102]

Ein Mißgriff

Hierin ist sie auch einerseits rühmlich,

Anderseits aber recht eigentümlich!


Ein Mißgriff

Erglänzt zum Beispiel am Sirupstopfe

Der unvermeidliche zähe Tropfe –

Schluppdiwutsch! – so schafft sie ihn dort

Mit schnellem Schwunge der Zunge fort.
[103]

Ein Mißgriff

Oder wenn sich beim Backen vielleicht

Irgendwo irgendwie irgendwas zeigt –

Schluppdiwutsch! – sie entfernt es gleich

Durch einen doppelten Bogenstreich. –

Obschon dies sehr geschickt geschehen,

Frau Knoppen hat es nicht gern gesehen.

Sie ruft: »Das bitt ich mir aber aus!

Abscheuliches Mädchen, verlasse das Haus!«


So wären denn Knoppens zum andern Mal

Ohne weibliches Dienstpersonal.
[104]

Ein Mißgriff

Knopp aber in früher Dämmerung

Hat eine schöne Beschäftigung.


Alsbald so setzt man ins Wochenblatt,

Daß man ein Mädchen nötig hat!
[105]

Ein Mißgriff

Hierauf erscheint nach kurzer Zeit

Eine Jungfrau mit Namen Adelheid,

Welche hochheilig und teuer versprochen,

Stets fleißig zu putzen, beten, backen und kochen.

Auch kann sie dieses; und augenscheinlich

Ist sie in jeder Beziehung sehr reinlich.


Ein Mißgriff

Pünktlich pflegt sie und ohne Säumen

Die ehliche Kammer aufzuräumen.

Recht angenehm ist dann der Kamm,

Pomade und Seife von Madam.
[106]

Ein Mißgriff

Doch für die Zähne verwendet sie gern

Den Apparat des gnädigen Herrn. –

Obgleich dies zu guten Zwecken geschehen,

Frau Knoppen hat es nicht gern gesehen.

Sie ruft: »Das bitt ich mir aber aus!

Abscheuliches Mädchen, verlasse das Haus!«

Knopp aber in früher Dämmerung
[107]

Ein Mißgriff

Hat eine neue Beschäftigung. –
[108]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 99-109.
Lizenz:

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