Zehntes Kapitel

[62] Die Nacht ist warm, die Menschen träumen,

Und leise flüstert's in den Bäumen,

Und leise schleicht der Mondenschein

In Dralles Garten sich herein.


Zehntes Kapitel

Von seinem Dämmerlicht beschienen,

In Gras und Blüten, summen Bienen.


Die feiern heut bei des Mai's Beginn

Das Hochzeitsfest der Königin.


Zehntes Kapitel

Schon sitzen im hohen Rosensaal

Die Königin und der Prinzgemahl.


Zehntes Kapitel

[62] Sie winkt – da schießet mit Getos

Der Bombardör den Böller los.


Zehntes Kapitel

Zing, zing, traromm! – und auf der Stelle

Ertönen die Klänge der Hofkapelle.


Die Fliege blus Trompette,

Der Mück Klarinette,


Die Hummel die Trummel,

Der Heuschreck die Geigen;


Das gab fürwahr einen lustigen Reigen. –


Zehntes Kapitel

Schau! Holzbock der Lange

Ist eifrig im Gange


Mit Bienenlieschen

Auf zierlichen Füßchen. –


Zehntes Kapitel

[63] Und da der Kleine

Mit Minchen, dem Bienchen,

Rührt auch die Beine. –


Zehntes Kapitel

Und seht mir nur das nette Trinchen!

Da macht ja wohl Herr Schröter

Den angenehmen Schwerenöter!
[64]

Zehntes Kapitel

Im Apfelbaum sitzt auch der Mond

Und hat dem Feste beigewohnt. –


Zehntes Kapitel

Nun waren da auch zwei Maienkäfer,

Recht nette Bübchen,

Doch blöde Schäfer;

Die rauchen und trinken im Nebenstübchen,

Bis daß sie im nassen Grase liegen

Und können nicht mehr nach Hause fliegen.
[65]

Zehntes Kapitel

Der Wächter Schuhu findet sie.

Er spricht: »Aha, das sind ja die!! –

Schon wieder mal!!« –


Zehntes Kapitel

Und bringt sie in sein Wachtlokal.
[66]

Zehntes Kapitel

Der Mond, der auch nicht recht mehr munter,

Hüllt sich in Wolken und geht unter.


Zehntes Kapitel

[67]


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 62-68.
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