Drittes Gespraech

Anatomie

[18] OCTAVIA: Hahaha! Wie stürmisch du dich, auf mich geworfen hast! O, hätten doch die Götter dich als Mann geschaffen!


TULLIA: Ebenso wird sich dein Gatte auf dich stürzen, wenn du mit gespreizten Schenkeln daliegst. Deinen Mund wird er mit Küssen bestürmen, wird an dem Schwesternpaar deiner schwellenden Brüste saugen, wird seinen Busen gegen den deinigen pressen, wird dich drücken, mit Stössen dich erschüttern, aber viel stärker, viel kräftiger als ich es habe tun können, denn er wird stärker sein und kräftiger als ich. Stossen wird er, dass dein Bett erzittert, ja sogar der Fussboden deines Schlafzimmers. In jener ersten Nacht, da Callias meiner jungfräulichen Scham Gewalt antat, stürzte er sich mit solcher stürmischen Anspannung aller Kräfte auf mich, dass das Krachen meines Bettes von denen gehört wurde, die im Nebenzimmer mir zur Ehren die Nachtwache der Venus hielten. Sieh nur, wie mich dieser Kampf mitgenommen hat, und doch bin ich als Siegerin aus ihm hervorgegangen.


OCTAVIA: Wie wird es denn wohl mir ergehen, wenn ich mit solch einem gewaltigen Athleten zu tun bekomme? Du warst ja doch um mehrere Jahre älter als ich bin, und warst körperlich reifer, als du in deines Callias Hände gegeben wurdest. Ich sehe, es steht mir eine grausame Marter bevor.


TULLIA: Ich will es dir nicht verhehlen, Octavia: du wirst eine harte Mühsal zu erdulden haben. Wenn ich versuchte, es zu leugnen, so würde ich mit deiner Unwissenheit Missbrauch treiben. Die Geschichte wird folgendermassen vor sich gehen.


OCTAVIA: Unterrichte mich recht genau über alles, was für mich zu wissen von Wichtigkeit ist. Was wird das für ein Schmerz sein, den ich werde auszuhalten haben? Ist er sehr heftig, dauert er sehr lange? Lieber wäre es mir, er wäre heftig und kurz, als schwächer und von langer Dauer.


TULLIA:


Dir auch bleibt der Schmerz nicht erspart – doch nur in der ersten

Nacht ist er nennenswert; leicht wird er später dir sein.


OCTAVIA: Gewiss werde ich ihn ertragen, und wie ich hoffe: mutig und standhaft. Was sollte ich auch anders machen? Aber sage mir: was werde ich auszuhalten haben?
[18]

TULLIA: Jenen Teil unseres Körpers, von dem wir bereits gesprochen haben, nennen die Lateiner und unsere Landsleute, die Italiener: vulva, cunnus, fregna, fica, potta. Vulva bedeutet Tasche, Ficke. Bei Cunnus denkt man an Cuneus, den Keil, den man hineintreiben muss, weil es bei den ersten Versuchen eines grossen Kraftaufwandes bedarf. Man leitet das Wort auch vom griechischen κυνὸς ab, um damit gleichsam anzudeuten, dass jener Geruch, den das Maul eines Hundes aushaucht, auch jenem unserem unteren Munde entströmt; oder man führt es auf das griechische Wort κόννος zurück, das ›Bart‹ bedeutet; Spassvögel behaupten nämlich, wir hätten unseren Bart da unten, und nennen ›Bart‹ jenes Vliess, das unsere Scham ganz und gar umgibt und bekleidet. In Wirklichkeit aber kommt cunnus wohl von κοννειν, was bedeutet: mit Vernunft begabt sein; wie mentula von mens abzuleiten ist, so würde cunnus mit dem Begriff der Vernunft in Zusammenhang zu bringen sein. So viel ist gewiss: wie die mentula, das männliche Glied, sich selber regiert, wie wenn es mit eigenem Willen begabt wäre, und wie es sich um den Willen, der seinen Sitz oben im Kopfe hat, nur sehr wenig kümmert, so verhält sich auch das andere Organ: es hat seine eigenen Begriffe und richtet, gegen alle Gesetze der Vernunft, Empörungen an, die sich durchaus nicht durch mentale Einwirkungen, sondern nur durch die der mentula beschwichtigen lassen. Wir Frauen nennen dieses Ding, mit einem schicklicheren Namen, die Scham. Die Lippen, die ihren Eingang verschliessen, nannte man, wie ich bei einem alten Grammatiker las, Schamlefzen. Gegen diese Stelle wird Caviceus mit aller Kraft den Stoss seiner gewaltigen Lanze richten; in jenem Augenblick wird er dir eine furchtbare Folterqual antun, bald nachher aber dir noch viel grössere Wonnen verschaffen.


OCTAVIA: Möchten diese Wonnen recht, recht schnell den Schmerz vergessen machen!


TULLIA: Du siehst, wie wundervoll dieser Körperteil gebaut ist. Zunächst bildet die Scham einen Vorsprung, dank jener Erhöhung, die bei dir von einem leichten Flaum bedeckt ist. Und glaube nicht etwa, sie sei zwischen den Schenkeln verborgen, wie ein Ding, dessen man sich zu schämen habe. Hiermit hat die Scham nichts zu tun! Sie nimmt im Gegenteil diesen Platz deshalb ein, weil sie so bequem für den Gebrauch gelegen ist, zu dem sie bestimmt ist.[19] Diese Erhöhung wird Venusberg genannt, und wer diesen einmal erklommen hat, der zieht ihn für immerdar dem Parnass, dem Olymp und den allerheiligsten Bergen vor.


OCTAVIA: Gebe der Himmel, ich bekomme einen so fröhlichen Bergsteiger, wie du es bist! Dann brauchte ich den Parnass nicht um seinen Apollo und den Olymp nicht um seinen Jupiter zu beneiden!


TULLIA: Hier befinden sich nun zwei Oeffnungen, eine unter der andern, mittels deren dieser Venusberg zum vollständigen und vollkommenen Beischlaf sich öffnet. Die erste hat man als ›grosse‹ bezeichnet, die andere ist tiefer nach innen zu gelegen. Die Weite der erstem ist sehr bequem für die Niederkunft; wir sind in der Tat, meine liebe Octavia, sozusagen Werkstätten, in denen das Menschengeschlecht angefertigt wird. Wenn diese Oeffnung enger wäre, so liesse sie sich, in dem Augenblick, wo der Foetus das Licht der Welt erblickt, nicht ohne fürchterliche Schmerzen genügend ausweiten; es ist daher sehr notwendig, dass sie recht dehnbar und weit ist. Junge Leute, die zum ersten Mal da herumstöbern dürfen, bilden sich ein, Jungfrauen und Frauen seien so weit gebaut, wie es nach dieser Aussenpforte den Anschein hat; ich habe Dummköpfe gesehen, die bei diesem Anblick entsetzt zurückprallten. Aber die innere Pforte ist enger. Die Lippen, die den Rand der grossen Oeffnung bilden, nennt man, wie gesagt, Schamlefzen; innerhalb der kleineren, versteckter gelegenen Oeffnung befinden sich Lappen, die bei mir sehr weit hervorragen. Bei Jungfrauen, wie du es bist, befinden sich unter diesen Lappen ausserdem noch vier Klappen. Sie versperren den Weg zur Gebärmutter, jenen Weg, den bei den ersten Liebesumarmungen der Mann seinen wollüstigen Begierden nicht ohne grosse Mühe und gewaltige Anstrengungen zu bahnen vermag.


OCTAVIA: Ich ahne schon: während dieser Bemühungen macht sich der Schmerz, von dem du sprachst, am heftigsten bemerkbar.


TULLIA: Lass mich nur meine Beschreibung erst zu Ende bringen! An ihrem Vereinigungspunkt bilden diese vier Häutchen eine kleine Röhre von der Form einer Gewürznelke. Sie versperren nicht in die Quere, etwa wie ein vorgezogener Vorhang, den Weg zum Uterus; sie bilden vielmehr einen Vorsprung vor dem äusseren Eingang des Gartens; an der oberen Seite öffnen sie sich jedoch ein[20] wenig und auf diesem Wege fliessen die Ausscheidungen ab, die die Natur aus unserem Leibe hervortreibt. Aber ich habe vergessen, dir von der Klitoris zu sprechen. Diese ist ein häutiger Körper, der unter dem Schamberg sitzt und im kleinen die Gestalt eines männlichen Gliedes hat. Und wie wenn sie eine Rute wäre, so bringt die verliebte Begier sie zur Erektion und entflammt sie zu einem so starken Jucken, dass eine Frau oder ein Mädchen mit einem nur einigermassen feurigen Temperament, wenn man zur Kurzweil die Klitoris mit der Hand berührt, meistens ihren Saft fliessen lassen, ohne auch nur auf den wackeren Reiter zu warten. Mir selber ist das oft genug begegnet, wenn Callias seine ruchlosen Lüste an mir ausliess, wenn er den Kitzler streichelte und betastete. Seine Hände, die sich tändelnd ergötzen, überfliesst aus meinem Gärtlein plötzlich ein reichlicher Tau. Das ist für ihn Anlass zu einer Menge von Witzen, von guten und schlechten Scherzen. Aber was kann ich dabei machen? Er lacht laut heraus, ich lache ebenfalls; ich werfe ihm vor, er sei zu stürmisch, er wirft mir vor, ich sei zu wollüstig; so werfen wir einander den Ball zu und während wir so zum Scherz streiten, stürzt er plötzlich sich auf mich, streckt mich auf den Rücken, mag ich mich wehren oder nicht, fährt in mich hinein, und erstattet mir in reichlicher Menge den Saft zurück, den, wie er scherzhaft bemerkt, mein Gärtchen verloren habe; er tue das, sagt er, damit ich mich nicht beklage, durch seine Schuld zu kurz gekommen zu sein.


OCTAVIA: Ihr beide führt ein glückliches und von Wonne erfülltes Leben. Ihr genügt euch vollkommen zu eurer gegenseitigen Glückseligkeit.


TULLIA: Der Raum ferner, der vom Eingang des Gartens bis zu dessen Hintergrund sich erstreckt, ist ›Scheide‹ genannt worden. In diese wird die Rute eingeführt, wenn das Weib den Stoss empfängt. Die Aerzte nennen sie Gebärmutterhals oder Uteruskanal oder auch wohl innere Scham. Diese Scheide umschliesst und umfasst saugend das männliche Glied, sobald es in sie eindringt: sie ist, meine Octavia, gleichsam der Schacht, durch den das menschliche Geschlecht aus den finsteren Tiefen des Nichts an das Licht des Tages gefördert wird.


OCTAVIA: Du weisst so trefflich zu schildern, dass es mir ist, als sehe ich selber all dieses in meinem Leibesinnern verborgene so deutlich vor mir, wie wenn es offen vor meinen Augen daläge.
[21]

TULLIA: Bei dir, liebe Base, stehen diese innere Oeffnung und der an sie sich anschliessende Gang nicht so weit offen wie bei mir. Wohlan! Dies alles mit trunkenen Blicken zu betrachten, ist auch eine Art von Wollust: Spreize die Schenkel so weit du kannst, ohne dass es dir Schmerzen macht.


OCTAVIA: Da liege ich. Aber was willst du denn von mir mit deinen Schelmenaugen? Du biegst mit deinen Fingern diese beiden Lippen zur Seite; was siehst du drinnen?


TULLIA: Süsses Mädchen! Ich sehe eine Blume, die jeder, der sie erblickt, allen Blumen und allen Düften vorziehen wird!


OCTAVIA: Ach, Tullia! Ich bitte dich, halt ein mit deiner geschäftigen wollüstigen Hand! Ziehe diesen Malefizfinger zurück, den du hineingesteckt hast. Du hast mir wirklich weh getan, als du tiefer eindrangest.


TULLIA: Du tust mir leid, kostbare Muschel, die du würdiger bist, Venus erstehen zu sehen, als jene, aus der der Sage nach Venus hervorgegangen sein soll. Unter glückverheissenden Zeichen wahrlich ist dieser Caviceus geboren, dem aus dieser Muschel eine neue Venus erstehen wird!


OCTAVIA: Und doch sagst du, ich tue dir leid?


TULLIA: Ja, denn ich sehe dich schon auf erbarmungswürdige Weise zerfetzt.


OCTAVIA: Wie wird es damit sein? ... Aber du bist überrascht? Warum denn?


TULLIA: Da dein Gärtchen nur ein ganz enges Pförtchen, einen sehr schwierigen Zugang besitzt, so fürchte ich, deinem Caviceus wird eine Arbeit beschieden sein, die, so angenehm sie auch an und für sich ist, doch nicht verfehlen kann, ihm – mindestens anfangs – weniger süss als peinvoll zu sein. Du hast den Rammbock gesehen, womit er Bresche in deine Festung legen soll?


OCTAVIA: Nein, gesehen habe ich ihn nicht; aber, beim Castor! ich habe gefühlt, dass er war, wie man die Keule des Herkules abbildet: dick, steif und sehr lang!


TULLIA: Deine Mutter hat mir in der Tat gesagt, er sei bewunderungswürdig ausgestattet, und sie ist dessen herzlich froh; ihrer Meinung nach ist in der ganzen Stadt niemand besser versehen als er. Auf ihre Prahlereien habe ich geantwortet, meines Mannes Callias Dolch sei acht Zoll lang. – ›Das ist garnichts‹, antwortete[22] sie mir, ›im Vergleich mit dem, den Caviceus hat.‹ Sie beklagte dein Schicksal und beneidete dich zugleich darum; im Ganzen genommen hielt sie dich für recht glücklich. Sie behauptet, Caviceus habe einen Penis von elf Zoll Länge und von der Dicke deines Armes, wie er am Handgelenk ist.


OCTAVIA: O dieses ganze ungeheure Ding wird er mir mit Gewalt in den Leib stossen? Werde ich das aushalten können? Mir wird schwach, wenn ich an das Unheil denke, das mich armes Mädchen erwartet!


TULLIA: Nun, verliere nur nicht den Mut! An Länge kann Callias es mit Caviceus nicht aufnehmen, dafür aber übertrifft Caviceus an Dicke keineswegs meinen Callias. Siehst du meinen Arm?


OCTAVIA: Gewiss sehe ich ihn: ich wäre blind, wenn ich ihn nicht sähe.


TULLIA: Nun, zu solcher Dicke schwillt ihm das Glied an, wenn es gegen mich in Wut gerät; und doch passt diese Klinge sehr bequem in meine Scheide.


OCTAVIA: Was ist denn diese glorreiche Scheide, diese verwetterte Scheide! Das möchte ich wohl wissen!


TULLIA: Der Unterschied zwischen einer stechenden Wanze und einer stechenden Lanze ist nicht grösser als der zwischen deiner und meiner Scheide. Hier hast du sie: sieh sie dir an, betrachte sie, untersuche sie!


OCTAVIA: Strecke dich im Bett aus und biege dich zurück. Denn wenn du sitzest, kann ich sie nicht ordentlich sehen.


TULLIA: Hier liege ich. Sieh dir nur alles recht genau an. Dir wird das nützlich sein und ich werde auch mein Vergnügen daran haben.


OCTAVIA: Ich sehe einen Schlund! Ich sehe den Abgrund, in den Curtius sich stürzte und der ihn mitsamt seiner Rüstung und seinem Streitross verschlang! Ich will die Hand daran legen und die Seitenwände auseinander halten; ich könnte wahrhaftig in aller Bequemlichkeit die ganze Hand hineinstecken, wenn ich wollte. Ich begnüge mich aber, meinen Finger einzuführen – natürlich den Venusfinger – und ich übertrage ihm die Aufgabe, dieses Land zu erforschen, um mir darüber zu berichten und mir zu sagen, wie weit es ist, wie hoch und wie das männliche Glied seine Bequemlichkeit darin findet ... Prächtig! Priapus selber würde damit zufrieden sein, und sogar einer, der noch besser beratet wäre als Priap. Aber an meine Nase dringt ein garstiger Duft –
[23]

so dringet aus schwarzen

Schlünden betäubender Pestgeruch in die Nase.


Wie übelriechende Blumen trägt doch dein Garten! Venus würde sich's verbitten, wollte man ihr ein Blumengewinde oder einen Kranz daraus flechten.


TULLIA: Du bist lustig, liebes Herzchen, und deine Scherze sind recht niedlich. Auch du wirst einmal so werden wie ich jetzt bin und zwar binnen wenigen Monaten – sobald du nämlich geboren hast. Dann wird dir ein unermesslicher Spalt klaffen, wie du ihn bei mir jetzt klaffen siehst; dir wird drinnen der Muttermund offen stehen, wie es jetzt bei mir der Fall ist. Und du, deren unterer Mund so frischen Atem ausduftet wie der obere, du wirst meine Nase mit giftigem Dunst anhauchen und wirst meine Hand beflecken, wenn sie dich berührt. Das sind die Uebelstände des Heiratens, das sind die bösen Folgen unserer Wonnen. Ja, verlass dich darauf, so wird es sein!


OCTAVIA: Und wie wird es denn so werden? Das möchte ich wissen!


TULLIA: Wenn das Glied des Mannes zu seiner vollen Grösse angeschwollen ist, dringt es mit solcher Begier in unseren Leib ein, dass es drinnen jedes Stellchen besudelt, befleckt, bespritzt.


OCTAVIA: Aber vergiss nicht, was du mir versprochen hast!


TULLIA: Ich verstehe, was du wünschest, und bin schon mit der Antwort bei der Hand. Dieses so echt männliche, so unartige, so stolze Glied weiss ein liebendes Weib, eine, die es kennen gelernt hat, nicht hoch genug zu preisen. Dass Eine, die es kennen gelernt hat, es nicht liebt, kommt gar nicht vor.


OCTAVIA: So werde also auch ich es leidenschaftlich lieben, wenn ich es kennen gelernt habe!


TULLIA: Vortrefflich ... Die Lateiner nennen dieses Glied teils in wörtlicher, teils in übertragener Bedeutung: veretrum, mentula, penis, phallus, taurus, machaera, pessulus, peculium, vas, vasculum, pomum, nervus, hasta, traps, palus, muto, verpa, colei, scapus, caulis, virga, pilum, fascinum, cauda, mutinus, noctuinus, columna. Die Griechen haben ebenfalls mehrfache Bezeichnungen dafür: bei ihnen heisst es nämlich φλεψ, καυλος, γονιμη, οὐρα, κριϑη, πεος, σαϑη, ἐμβολον, σημα, συρινξ, καπρος, τυπας, τυλος, κωλη, ῥαψη, ἀναγκειον, ἀφιδος. Wenn es nicht zum Dienst der Venus gebraucht wird,[24] hängt das männliche Glied schlaff herab; zu jenem Dienste aber richtet es sich auf, schwillt an, gerät in Raserei und wächst zu solcher Grösse, dass es uns anfangs einen heftigen Schreck einjagt, bald auch der Jungfrau einen brennenden Schmerz verursacht, dann aber der Entjungferten die höchste Wonne, hinter der die Furcht und der Schmerz weit zurücktreten.


OCTAVIA: Von der Wonne weiss ich nichts und von dem Schmerz möchte ich am liebsten nichts wissen. Mein Hauptgefühl ist die Angst vor jenem Ding.


TULLIA: Unten an der Wurzel des Gliedes und im Zusammenhang mit demselben befindet sich ein Sack, den man scrotum oder Hodensack nennt; er ist mit dichten, gekräuselten, ziemlich harten Haaren bekleidet und bewachsen. In diesem Sack befinden sich die Zeugen der Männlichkeit, die für uns zugleich die freundlichen Zeugen der Liebe sind, die die Männer uns zollen.


OCTAVIA: Von diesen Zeugen habe ich niemals etwas gehört noch gesehen. Sage mir schnell, was das ist!


TULLIA: Es sind zwei kleine Kugeln, die jedoch immerhin nicht gar zu klein sind; sie sind nicht von völlig runder Gestalt, ziemlich hart, und je härter sie sind, desto besser sind sie zum Dienste der Wollust geeignet. Weil sie zwei an der Zahl sind, haben die Griechen sie διδυμοι genannt und viele grosse Männer haben diesen Namen getragen. Manchem hat die Natur in ihrer Freigiebigkeit noch ein Kügelchen hinzubeschert, sodass sie drei hatten. Zu diesen gehörte der Tyrann von Syrakus, Agathokles, den man daher Triorchis nannte. Berühmt in dieser Hinsicht ist bei uns das edle Geschlecht der Coleoni, dem jener gewaltige Held der italischen Kriege, Bartolomeo Coleoni, angehört. Fast alle männlichen Angehörigen dieses Geschlechtes sind mit drei Testikeln begabt und sind kräftig in den Kämpfen der Venus, wie sie hochherzig in die Schlachten des Mars hineingehen. Glücklich können ihre Gattinnen sich preisen! Denn in den Höhlungen der Hoden ist gleichsam die Werkstatt, in der jener ambrosische Tau bereitet wird, der uns so wonnig kitzelt und der die Wunden, welche beim Eindringen in unseren Leib der Penis verursacht hat, so wundersam heilt, dass sie nicht lange schmerzen. Diesem Tau verdanke ich mein Püppchen, ihm verdanke ich alle meine Freuden; ihm verdankt das Menschengeschlecht sein Dasein. Gemeiniglich nennt man ihn semen oder sperma; beide Wörter[25] bedeuten Samen, das eine ist lateinischer, das andere griechischer Herkunft. Dieser Samen, in die Furche des Weibes ausgestreut, bildet sich nämlich bald zu einem Menschen. Von allen Tieren gibt der Mensch die grösste Menge Samen von sich. Diejenigen aber, bei denen drei Arbeiter an demselben Werkstück schaffen – wie unter anderen Fulvius, der Bruder meiner Freundin Pomponia – die überströmen natürlich die Weiber mit einem noch reichlicheren Regen als andere Männer, die nur zwei Zeugen haben. Die Sache verhält sich, wie ich dir sage.


OCTAVIA: Vielleicht hat auch Caviceus drei, denn er besprengte mich mit jenem Tau bis zum Gürtel hinauf und machte mein ganzes Hemd nass.


TULLIA: Für einen kräftigen Jüngling, den heisse Begier nach deiner Liebe erfüllte, liebe Base, wäre es schmachvoll gewesen, mit leeren Gefässen dir und deiner Venus zu libiren. Aber ich bin noch nicht fertig und will fortfahren: diese schaumige, weisse, klebrige Flüssigkeit, die das Glied ausspritzt, wird von jener Stelle, an der es destilliert ist, bis an die Spitze der Rute gebracht und springt aus dieser mit solchem Ungestüm hervor, dass der Mann, der sie von sich gibt, den Strahl nicht weniger als drei Fuss weit fortschleudert. Wenn daher nach vielen Stössen das Werk sich seinem Ende naht, so wird der Saft mit solcher Gewalt in die Tiefen des Uterus hineingespritzt, dass keine Frau – es müssten ihr denn alle Sinne erlahmt sein – sich von diesem heissen Regen getroffen und benetzt fühlen kann, ohne dass ihr die Wollust alle Glieder durchzuckt. Es fehlen mir die Worte, liebe Octavia, um dir diese Wonne gebührend zu beschreiben; binnen wenigen Stunden wirst ja du selber es dir sagen können.


OCTAVIA: Aus dem Kopf der Rute entströmen also diese Milchbache? Dass Priapus einen solchen Kopf hat, will ich nicht leugnen; er zog sich ja von der menschlichen Gesellschaft von Lampsakos zurück, weil er ein so ungeheures Glied hatte, und gewiss auch um den Göttinnen nahe zu sein, von denen du mir erzählt hast – aber ich wusste nicht, dass auch bei den Menschen dieses Glied einen Kopf hätte. Dass also jeder Mann zwei Köpfe hat, davon wusste ich in meiner Dummheit nichts.


TULLIA: Und wahrlich, selig und glücklich wäre und ruhmvoll unter den Heroen würde wandeln, wer auch drei Glieder hätte![26] Den länglichen obersten Teil des Penis nennt man Kopf, balanus, Eichel, und wenn du diesen Kopf mit den Fingerspitzen drücktest, so bürdest du ihm damit nicht im geringsten wehtun, sondern ihm nur ein recht süsses Jucken verursachen. Und wenn du in höchster sinnlicher Begier brennst, wirst du niemals auf leichtere und schnellere Weise als durch dieses Mittel deinen Caviceus von allen anderen Gedanken ablenken und ihn dahinbringen, dich als Gatte brünftig zu umfangen. Und bedeckt ist dieser Priapskopf mit einem Käppchen; man nennt es Vorhaut, und der wackere Nachtarbeiter legt es fast niemals ab, es sei denn, um dich zu begrüssen und mit entblösstem Haupte den Vorhof der Herrin zu betreten.


OCTAVIA: Du bist wundervoll! Dich anzuhören, werde ich niemals satt bekommen. Möchte auch Callias, wenn er bei dir schläft, nimmer zu ersättigen sein!


TULLIA: Meine Augen sind bereits schlummerschwer, denn langes Wachen zu ertragen, bin ich nicht geschaffen. Und was du eben sagtest, das hast du denn auch wirklich erst gesagt, als du bemerktest, dass ich bereits halb im Schlafe sprach, während ich dir meinen Vortrag über diese Dinge hielt.


OCTAVIA: Bitte, bitte, schlafe doch nicht! Tu mir den Gefallen, da ich dich doch so hübsch artig bitte!


TULLIA: Bei deiner Venus und bei meiner und auch bei der Venus deines Caviceus: du hast den Schlaf noch nötiger als ich: denn in der nächsten Nacht wirst du bei deines Gatten Umarmungen, Küssen, Umklammerungen, Stössen und Liebesrasereien keinen Schlaf zu sehen bekommen. Ruhe deinen so zarten, so verwöhnten Körper aus! Bereite dich vor, den Kampf wacker zu bestehen!


OCTAVIA: Ich werde tun, was du wünschest, aber mir liegt deine Gesundheit mehr am Herzen als die meinige: schlafe also nur ruhig ein, ich werde kein Sterbenswörtchen mehr sagen.


TULLIA: Gib mir einen recht, recht süssen Kuss; das wird meine Wegzehrung für die Nachtruhe sein!


OCTAVIA: Ich liefere dir meinen Mund, meine Lippen und meinen ganzen Leib aus. Geniesse meiner und ergötze dich an mir, soviel du willst. Ich bin ganz und gar die Deinige!


TULLIA: O Küsse, um die Jupiter mich beneiden würde! O wonnige Umarmungen! O verführerische Berührungen! Erlaube mir, dass ich mit dem Gesicht zwischen deinen beiden Brüsten einschlafe,[27] die eine Hand an deinem Gärtlein, die andere an deine harten, festen Hinterbacken gepresst. So pflegt Mars in den Armen seiner Cypris zu schlafen! Wenn nicht mehr der Schlaf meine Glieder in Banden hält, werde ich meine Belehrung fortsetzen und werde mit der gleichen Gewissenhaftigkeit, mit der ich begann, dir sagen, was noch übrig ist, meine süsse Jungfrau, meine Gebieterin!


OCTAVIA: Jetzt bist du geschwätziger, als eigentlich der Sache angemessen ist; schweig und schlafe! Mach es nur so, wie du es dir so schön ausgedacht hattest.
[28]

Quelle:
Meursius: Gespräche der Aloisia Sigaea. Leipzig 1903, S. 18-29.
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