Anhang

einiger Bemerkungen über das heutige Spanien, und seinen Verbindungen etc.

[94] Spaniens jetzige Regierung hat sich durch verschiedene Begebenheiten merkwürdig gemacht – aus welchen die Nachwelt den Charakter der damaligen Landesverfassung dereinst beurtheilen wird – wie mit Unpartheylichkeit alle Monarchen der Erde, von den Enkeln immer wahrer gerichtet werden als von ihren Zeitgenossen.

Sierra Mosena ist unter des jetzt regierenden Königs Carls des dritten Regierung bevölkert worden – Man hat die runden Hüthe abgeschaft unter welchen sich die Maltadors oder Spanische Banditen versteckten und unkenntlich machten, – die Reinigung[95] der Hauptstadt, die Vertreibung der Jesuiten das sind die guten Stiftungen welche die Epoqve Carls des dritten bezeichnen. Der Aufruhr welcher diesen König zur ängstlichsten Flucht nach Aranjuetz vor seinen eigenen Unterthanen zu nehmen bewog, und die Widererweckung der barbarischen Inqvisition – das sind die Flecken dieser Regierung – Vielleicht dürfte das gegenwärtige Verhältniß dieses Staats mit Frankreich von den Politikern des folgenden Jahrhunderts auch nicht zum Beweise von Spaniens Größe gerechnet werden.

In wie fern Carl der dritte an dem einen wie an dem andern Schuld hat, oder ob er an allen diesen Dingen ganz und gar unschuldig ist? darüber mag der künftige Geschichtschreiber ihm den Prozeß machen.[96]

An dem berüchtigten Verfahren der Inquisition gegen den Olavides war der König gewiß unschuldig. Kein Monarch in Spanien kann eine Sentenz dieses dafür gehaltenen göttlichen Tribunals mildern, und sie bedarf auch seiner Bestätigung nicht – Es ist über die Königliche Würde erhaben und hat selbst das fürchterliche Grundgesetz: einen König in den Bann zu thun, wenn er ein Ketzer ist.

An der ganzen Prozedur gegen den verdienstvollen Olavides war Carl der dritte also offenbar unschuldig und aus diesem Fall läßt sich folglich nicht schließen ob er ein guter oder schlimmer König ist.

Die Reinigung der Hauptstadt, die Abschaffung der runden Hüthe, viele gute Polizey Anstalten und die Bevölkerung der Sierra Mosena sind ganz eigentliche Werke des damaligen Präsidenten von Castilien Grafen von Aranda, dessen uneingeschränkte Gewalt, vorurtheilfreye Einsicht, Ansehen beym Militair und große Rechtschaffenheit ihn fähig machte, für[97] Spanien unmöglich scheinende Dinge möglich zu machen – Es ist unausgemacht ob der Unterschied zwischen diesem Staatsmann und dem alles umfassenden Choisell in der weiten Ausdehnung des Geistes oder – nur im Herzen allein zu suchen ist. Aber beyde Ministres konkurirten bey der Gesellschaft Jesu. Choisell erfand den Plan und der Graf Aranda führte ihn aus. Der erste spielte diesen Streich den Jesuiten aus Rachsucht. Der letzte weil er diesen Orden als ein gefährliches Gift an Höfen und als ein verderbliches Staatenübel ansahe.

Der französische Minister war anfänglich, wie bekannt, ein armer Edelmann der nicht mehr als tausend Thaler Einkünfte hatte – und gerade tausend Thaler kostete der Anzug seines Läufers daher sagten die Bonmotisten zu Paris daß Choisell immer ein Jahr Revenües vor sich hätte (Qu'en bon oeconome il avoit une année de Revenues devant lui) Er erwarb sich die Gunst der Madame Pompadaur, wurde Gesandter zu Rom, und durch eben[98] diesen Kanal Staatsminister von Frankreich. Als ihm das Büreau der auswärtigen Affairen übergeben wurde, brachte ihm ein Aufwärter ein hinter dem Spiegel gestecktes Papier – eine geheime Anklage wider ihn, welche die Jesuiten bey seinem Vorgänger angebracht und ihm einen heftigen Verweiß zugezogen hatte. Gleich nach dieser Entdeckung beschloß er den Fall der Jesuiten – ein Dominikaner war der Kourier der den Plan dieses wichtigen Unternehmens nach Madrit brachte. Die Jesuiten merkten Unrath, machten Jagd hinter den Domikaner her – aber Mönche wurden durch einen Mönch hintergangen, der Kourier entkam ihnen, der Plan kam glücklich in Arandas Hände, und wurde von ihm zur Vollstreckung gebracht.

Auch der kurze Schlummer der heiligen Inqvisition, war eine Wirkung von dem großen Ansehen, mit welchem Aranda gegen dieses Ungeheuer Faze machte und es, so lange er gegenwärtig war, in Respekt hielt.[99] Abgeschaft war dieses Blutgericht nie, die Stelle des Großinqvisitors, war kaum ein Jahr vakant. Noch 1768 wurde ein Spanier im Verhaft genommen, der am Freytage das abscheuliche Aergerniß gab, Hühnerbraten zu essen, und dem Satan gleich auch seine Gäste zu nöthigen, von dieser verbothenen Frucht mit ihm zu essen. Aber ein Auto da fé wurde nicht gehalten, so lange Aranda in Spanien blieb – kaum aber ging er als Ambassadeur nach Frankreich, so siegte der Beichtvater Pater Osma über Vernunft und Menschlichkeit, und gab der Inqvisition neues Leben. Die Medisanze versichert, daß eine Partie gesammleter Johanniswürmer in einem dunkeln Zimmer, dem Könige Carl dem III. wie lauter höllische Feuerflammen erschienen, und vom Pater Osma so kommentirt worden wären; daß er Gottes Tribunal wieder in Aufnahme bringen sollte. So viel ist gewiß, daß der König den Großinqvisitor rufen ließen, und ihm sagte: Qu'on adore mon Dieu, & sur tout qu'on le[100] craigne. (Ich will, daß man meinen Gott anbete, aber vorzüglich will ich, daß man ihn fürchte.) Carl glaubte wirklich dismal, daß er einen eignen Entschluß gehabt hätte, indem er den Befehl aussprach, welchen sein Beichtvater ihm eingeflößt hatte. – Olavides war das erste Opfer, welches der heiligen Hermandat zu Ehren, im Angesicht des ganzen erstaunten Europa, gebracht wurde – weil Aranda nicht mehr in Spanien war, und der Fanatismus ohne Gefahr wider sein Haupt zu erheben, wagen durfte.

Solchergestalt, war das innere Gouvernements- Wesen das Fach, worinn Aranda wirklich glänzte und Gutes in Spanien stiftete, bis er nach Paris ging, wo alles wieder den Krebsgang nahm; zum Beweis – daß nicht der König sondern Aranda geherrscht hatte.

Im Finanzwesen that Svillaci alles – wolte als Liebling des Königs, auch bisweilen das Ganze umfaßen, wie Pombal in Portugal, wie Mazarini[101] und Richilieu in Frankreich – aber im Grunde war er nur ein Blutygel des Staats wie Terray – bloß aus seiner – nicht aus seines Königs Schuld, empörte sich der Pöbel, schoß unzählige Kugeln in sein Haus und in seine Fenster. Svillaci retirirte sich in des Königs Schloß – seine Gemahlin zum holländischen Gesandten Mr. de Doubles – der König floh durch die Sousterrains nach Aranjuez – schickte seinen Liebling nach Sicilien, setzte einen Kommis am Ruder des Finanzwesens und der Pöbel ward ruhig.

Grimaldi hat das auswärtige Departement und schloß mit Frankreich Traktaten, welche Spanien von Frankreich – abhängig machen – – – Die Seele von der ganzen Einrichtung Spaniens war Choisell – Die Nachwelt wird einst sagen: Was Carl ist. – – –[102]

Fußnoten

1 Paulus dessen unmittelbare Inspiration seinen Schriften das Gepräge des eigentlichen Wortes Gottes aufdrücken soll, lehret gerade das Gegentheil: Ist Christus nicht auferstanden, so ist unser Glaube umsonst, sagt dieser Apostel.


Quelle:
[Cranz, August Friedrich]: Charlatanerien in alphabetischer Ordnung als Beyträge zur Abbildung und zu den Meynungen des Jahrhunderts, 1–4, Berlin: 41781, 21781, 1781, 1781 [Nachdruck Dortmund 1978].
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