Innigliche Frewde

[175] Da lieg du Volck der finstern Erden,

Gram, Kranckheit, Thränen, Hertzeleid,

Tyrannen meiner Lebens-Zeit,

Der Sclav ich muste täglich werden,

Ihr Seelenfeind', und du o Leib,

Der Knechtschafft Auffenthalt, da bleib,


Gott holt mich heim aus ewren Banden,

Nun bin ich himmlisch, ewig, mein,

Reich, sieghafft, über alle Pein,

Der ich so viel hab' ausgestanden,

Die Ewigheit ihr Glantz und Pracht

Sampt allem ist in meiner Macht.


Mein ist die Gnüg in allen Dingen

Der Lust ohn Ende wehren sol,

Mein freyer Mund ist lachens voll

Und meine Zunge kan nur singen,

Der Abgrund meines Hertzens brennt

Für Frewden, die mein Aug' erkennt.


Gegrüsset seyd ihr schönen Awen,

Ihr Lebens-Brunnen allzumal,

Vnd du der Frommen grosser Saal

Daran kein Mensch hat müssen bawen,

Vnd den der Höchste weit und breit

Erfüllt mit seiner Herrligheit.


Ihr Väter und ihr Seraphinen

Du grosse Himmels-Bürgerey

Ihr die ihr theils durch grosse Trew

Den Menschen euch bemüht zu dienen

Theils Gott ohn Ende loben müsst,

Ihr Wahrheit-Zeugen seyd gegrüsst.


O macht mich theilhafft ewrer Frewden

Vnd nehmt in ewre Zunfft mich ein,

Ich werd euch nicht verächtlich seyn,

Denn seht, ich komm aus grossem Leiden,

Des Lammes Blut und Todes-Schweiß

Macht meine Kleider hell und weiß
[175]

Ich wil zum Tempel Gottes wallen

Mit heisser Andacht und mit Danck,

Und da sol Tag und Nacht der Klang

Auch meiner Stimmen widerschallen,

Das Lamm im Saal nimmt immerdar

Durch volle Weide meiner wahr.


Es führt mich zu den kühlen Bronnen

Daraus ohn Ende leben quillt,

Es ist das meine Thränen stillt,

Hie fühl ich keine Glut der Sonnen,

Nicht Durst noch Hunger kan mir zu

Denn meine Gnüge Gott bist du.


Du hast uns von dem Bann der Erden

Erkaufft durch deinen eignen Sohn,

Vnd lässest jetzt vor deinem Thron

Vns König' und auch Priester werden.

Für solche Trew solst du allein

In Ewigheit mein Dancklied seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 175-176.
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