Der letzte der Kimbern

[233] Wie heiß hat die Julisonne gebrannt

Auf der raudischen Felder stäubenden Sand!

Da sind sie erlegen, die Nordlandhünen:

Nicht frommte die riesige Kraft den Kühnen:

Zu heiß die Hitze, zu dunstig der Dunst,

Zu lauernd des Marius Feldherrnkunst!


Von allen Seiten umgarnt der Keil: –

Da verfehlt des gedrängten Gewühls kein Pfeil:

Von Kohorten umfaßt wie von ehernen Zangen,

Wie so grimmig die sieglosen Recken rangen!


Erst fielen die Vordersten, wie sie gestanden,

Die mit Ketten die Gürtel zusammen banden:[233]

Und über sie hin die numidischen Rosse!

In die nackten Leiber der Braus der Geschosse!

Da ist vor der Glut der Mittagssonnen

In Schweiß und in Blut ihre Kraft zerronnen,

Und Tausende mehr sind erstickt und verschmachtet,

Als das breite Schwert der Legionen geschlachtet.


Nun ragt aus dem rings umbrandenden Sturm

Noch Einer: ein letzter einsamer Turm.

Zurück an die Burg der Wagen gedrängt,

Von Geschossen und Rossen und Speeren umengt,

Das helmlose Haupt von den roten Locken

Umwogt wie von lohenden Feuerflocken:

Held Boiorich ist's, der Kimbernkönig,

Der zum Zweikampf Marius gefordert hat.

Doch eisig erwiderte der und höhnig:

»Ei, wenn der Barbar des Lebens satt,

So komm' er morgen aufs raudische Feld:

Dort wird er vor Abend den Schatten gesellt.«


Noch trotzt er, wie der umstellte Bär:

Rings um ihn die römische Meute her.

Und Marius ruft aus der Ferne vom Roß:

»Hier, Legionare! Hieher! Auf diesen!

Doch verletzt ihn nicht mit Speer und Geschoß:

Lebendig, gebunden, bringt mir den Riesen,

Der schmückt wie kein andrer mir den Triumph!«


Doch mit des zerbrochenen Langschwerts Stumpf

Der Gewaltige wütet in solchen Streichen, –

Ihn vermag kein Römergriff zu erreichen,

Und sie schauen mit Grausen der Ihrigen Leichen

Hochum gehäuft. Wie, entblößt des Schildes,

Die breite Brust nach dem Tode begehrt! –

Da zuckt von unten ein tückisches Schwert:[234]

»Willkommen, ihr Wonnen des Walhallgefildes!«

Er ruft's und stirbt im Stehen: der Wall

Der erschlagenen Römer verwehrt ihm den Fall.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 233-235.
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