Lied der Geusen

[412] Gleichwie die Möwe ruhlos hastet

Von Land zu Meer, von Meer zu Land

Und kaum im Flug die Schwinge rastet

Auf Wellenschaum, auf Dünensand: –


So wogen wir auf irren Bahnen

Von Deich zu Flut, von Flut zu Deich,

Zerschliss'ne Segel unsre Fahnen,

Ein morsches Schifflein unser Reich.


Oft nur den letzten Schuß im Laufe, –

Vom Sturm gepeitscht, vom Feind gehetzt, –

Ein adeliger Bettlerhaufe, –

Den Hut zerhaun, das Wams zerfetzt: – –


Und doch erbebt das stolze Spanien,

In dessen Reich der Tag nicht sinkt,

Wenn unser Racheruf: »Oranien!«

Sich über Albas Heere schwingt.


Ihr bebt mit Recht! Von Sklavenschande

Bei Gott, wird dieser Boden rein,

Und müßten alle Niederlande

Von Meeresflut verschlungen sein!


Durchstecht den Deich, reißt auf die Schleusen!

Ersäuft die fremde Tyrannei!

Es naht die See, es nahn die Geusen:

Das Land wird Meer, doch wird es frei!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 412-413.
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