Des Traumes Ziel

[52] Ich träume oft von einer bleichen Rose.

Sie blüht in eines hohen Berges Schatten,

zum Lichte fleht sie mit dem schmachtend matten

dem Blumenblick aus ihrem dunklen Loose.
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Und mich ergreift's, daß tröstend ich sie kose.

Doch weiter muß auf meinem Pfad ich schreiten:

zum Gipfel, wo die Lorbeern stolz sich breiten!

So steh' ich zaudernd zwischen Berg und Rose.


Denn wie ich auch den Fuß mag von ihr kehren:

ich kann der tiefen Sehnsucht nicht mehr wehren,

aus ihrem Schooß den süßen Duft zu schlürfen.


Da: bin ein Gott ich worden durch die Reine?

auf schweb' ich mit ihr zu dem heil'gen Haine,

wo auch die Rosen immergrünen dürfen!

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 52-53.
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