Letzter Wunsch

[129] Was mich brünstig einst getrieben,

Allen es verklärt zu künden,

all mein Streben, all mein Lieben,

ruht nun still in seinen Gründen.


Fühle nur die Reine, Schöne,

die ich tiefst im Herzen trage;

und mir sind so fremd die Töne

meiner Jünglingsthränenklage.


Wage dennoch nicht zu singen,

wie mein Glück sich mir enthüllte;

möcht' es doch zu arm gelingen,

was so reich sich mir erfüllte.


Reicher als erstrebt mein Lieben,

liebereicher so mein Streben,

und nur Ein Wunsch ist geblieben:

daß wir auch den Brüdern leben,


daß ein Wandel ohne Fehle

nun in Thaten auch bewähre,

wie dies Ruhen Seel' in Seele

uns den Wunsch zur Kraft verkläre.

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 129.
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