Nachtgebet der Braut

[85] O mein Geliebter, in die Kissen

ausweinen will ich meine Lust!

darf sagen nicht, nur wissen, wissen,

was also wogt in dunkler Brust!


Doch bin ich wachend dir enthalten,

so will ich mich im Traum dir nahn,

mich wie die Rose dir entfalten

und deine Sonnenglut empfahn


und deine Flammenküsse trinken,

dir Flammen küssend wiedersprühn:

bis lodernd wir zusammensinken,

in langen Schauern stumm verglühn.


Oh stiller Sehnsucht bange Wonne –

o stiller Sehnsucht sel'ge Qual –

oh Traum du, meiner Nächte Sonne –

o mein Geliebter – – mein Gemahl!

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 85-86.
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