Eiche! dich wähl' ich mir itzt vor allen des Hains
Wider den hitzigen Strahl.
Waldig erhebt sich dein Haupt, und herrschet in Luft
Ueber die Schwestern umher.
Weich ist mein Lager auf Moos, beschattet von dir,
Liedererweckend der Hauch,
Welcher dein heiliges Laub durchzittert, und itzt
Leis' in der Harfe mir seufzt.
Eiche! du wirst mir ein Bild; Mein väterlich Land
Steht es nicht, Eiche! wie du?
Eiche! dich seh' ich nicht mehr. Mein väterlich Land,
Dieses nur seh' ich allein.
Sey mir gegrüßt – o rauscht, ihr Saiten! darein,
Daß es in Tiefen des Hains[21]
Staunend der Jäger vernimmt, am Rande des Hains
Staunend der Wandrer vernimmt! –
Sey mir gegrüßet, o du! wo find' ich für dich
Namen, mein väterlich Land!
Mächtig erhebst du dein Haupt, und herrschest in Luft
Ueber die Schwestern umher.
Segen entströmet der Hand der Gottheit auf dich
Jeglichen Monden herab.
Flächen bedecket dir Frucht des Lebens, von Vieh
Blöcken dir Thäler sich zu.
Sonnen die kochen den Trank der Fröhlichkeit dir
Hügel und Hügel hinan.
Wälder durcheilet der Fuß, der Flügel des Wilds,
Flüße das Schüppengewühl.
Groß ist der Name, der Ruhm der Kinder von Teut,
Wo sich der Tagstrahl empört.
Groß ist der Name, der Ruhm der Kinder von Teut,
Wo sich der Tagstrahl entzeucht.
[22]
Blick' ich die Vorzeit hinan, ein leuchtender Pfad
Schweift in's Unendliche fort,
Menschengebieter darauf, und Helden darauf,
Alle sie Kinder von Teut;
Alle sie Fäuste des Tods, und Herzen von Stahl,
Wenn sich ein Schlachtruf erhub;
Lagen die stolzen, und sprach die Freiheit: Genug!
Alle sie milde, wie West;
Alle sie mäßig und klug, verschwiegen, gerecht,
Freunde des Bardengesangs;
Feinde des heuchelnden Trugs, der weichlichen Pracht,
Und der entmannenden Lust.
Dieß war, o Deutschland! das Erb' der Kinder von dir
Alter und Alter heran.
Bleibt es nicht etwa das Erb' der Kinder von dir
Alter und Alter hinan?
Heftet nicht Joseph auf dich sein Adleraug'? Ha!
Schattet sein Flügel dir nicht?
Wachet nicht Friedrich der Mann der Schlachten für dich?
Ha, wo sind Herrscher, wie die!
[23]
Ha, wo sind Mütter, wie die, die Joseph gebar,
Brüder, wie Joseph gebar,
Thätig, wie Männer, dein Stolz, o Frauengeschlecht!
Deiner, mein väterlich Land!
Fremde! wo seyd ihr? Wer steht im Sturme der Schlacht
Wider die Söhne von Teut?
Wenn mit vereinigter Kraft ihr eiserner Schwall
Felder verschlinget, wer steht?
Deiner Druiden Verstand, vom Himmel geschärft,
Dringet den Wesen in's Mark,
Lehret nicht Wörter, nicht Tand, nicht Künste der Lust,
Lehret nur Wahrheit und Pflicht.
Würdig des heiligen Laubs, vom Himmel bestrahlt,
Reißt sich dein Bardenvolk auf,
Fällt in die Saiten, und singt dem Herzen, das Herz
Strömt in Empfindungen aus.
Heil mir – o rauschet darein, ihr Saiten! darein,
Daß es in Tiefen des Hains
Staunend der Jäger vernimmt, am Rande des Hains
Staunend der Wandrer vernimmt! –
[24]
Heil mir! auch ich bin von dir, o Deutschland! ein Sohn,
Eines der Kinder des Lieds!
Wenn sich der Tagstrahl empört, der Tagstrahl entzeucht,
Dank' ich dem Himmel dafür.
Weich ist mein Lager auf Moos, beschattet von dir.
Vaterland! bin ich es werth?
Muß dir von Liebe mein Herz nicht glühen, dein Ruhm
Wunsch und Vergnügen mir seyn!
Muß ich nicht denken, wie du, groß, edel und frei!
Muß ich nicht handeln, wie du,
Billig und redlich und treu! nicht eifern, wenn Stolz
Sitten und Sprache verhöhnt!
Wär' es doch immer nur Stolz der Fremden! Allein,
Vaterland! hast du nicht auch
Manchen entarteten Sohn, der schamlos an dir
Sitten und Sprache verhöhnt?
Kenntest du, was du verhöhnst, unwürdiger Sohn!
Ha, du verhöhntest es nicht;
Aber dir hat dein Gefühl, dein Heldengefühl
Einer der Fremden erstickt;
[25]
Hat dir zu weibischer Zier dein Auge verwöhnt,
Hat dir erweichet dein Ohr,
Hat dir die Zunge gelähmt, ach ewig dein Herz
Deinem Geschlechte geraubt! –
Aber sie werden mir schlaff die Saiten, mein Griff
Glitschet mir lautlos herab.
Ist es des sinkenden Tags erfrischender Thau?
Ist es mein inniger Gram?
1 Der Barde rühmt de Vorzüge seines Vaterlandes.
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