Donnerstag

[172] Winde rauschen, Flocken tanzen,

Jede Schwalbe sucht das Haus,

Nur der Pfarrer unerschrocken

Segelt in den Sturm hinaus.

Nicht zum besten sind die Pfade,

Aber leidlich würd' es sein,

Trüg' er unter seinem Mantel

Nicht die Äpfel und den Wein.


Ach, ihm ist so wohl zu Mute,

Daß dem kranken Zimmermann

Er die längst gegönnte Gabe

Endlich einmal bieten kann.

Immer muß er heimlich lachen,

Wie die Anne Äpfel las,

Und wie er den Wein stipitzte,

Während sie im Keller saß.


Längs des Teiches sieh ihn flattern,

Wie er rudert, wie er streicht,

Kann den Mantel nimmer zwingen

Mit den Fingern starr und feucht.[172]

Öfters aus dem trüben Auge

Eine kalte Zähre bricht,

Wehn ihm seine grauen Haare

Spinnenwebig ums Gesicht.


Doch Gottlob! da ist die Hütte,

Und nun öffnet sich das Haus,

Und nun keuchend auf der Tenne

Schüttet er die Federn aus.

Ach wie freut der gute Pfarrer

Sich am blanken Feuerschein!

Wie geschäftig schenkt dem Kranken

Er das erste Gläschen ein.


Setzt sich an des Lagers Ende,

Stärkt ihm bestens die Geduld,

Und von seinen frommen Lippen

Einfach fließt das Wort der Huld.

Wenn die abgezehrten Hände

Er so fest in seine schließt,

Anders fühlt sich dann der Kranke,

Meint, daß gar nichts ihn verdrießt.


Mit der Einfalt, mit der Liebe

Schmeichelt er die Seele wach,

Kann an jedes Herz sich legen,

Sei es kraftvoll oder schwach.

Aber draußen will es dunkeln,

Draußen tröpfelt es vom Dach; –

Lange sehn ihm nach die Kinder,

Und der Kranke seufzt ihm nach.


Quelle:
Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1973, S. 172-173.
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