Neu Osterlid, von Christi und

unserer Leib Auferständnus

[829] 1.

›Wen sucht im Grab jr Weiber hie?‹

›Jesum von Nazret,‹ sprachen sie.

›Er ist nicht hie for handen,

er ist kräftig erstanden‹,

sprachen die Gotsgesanten.


2.

›Besecht das ort hie, da er lag,

geht hin vnd zaigt an solche sag

Sein Jüngern die in kanten,

das jr jn hie nicht fanden,

dan er sei auferstanden,[829]


3.

Vnd werd inn Galilea sich

jnen erzaigen sichtbarlich.‹

Wie es dan ist geschehen,

da sie in han gesehen,

auf das wirs nicht verschmehen.


4.

Dan vns zu stärkung haben zwar

sie Christum gsehen, wie er war,

Auf das wir auch mit jnen

GOTS warhait klar hirinnen

sehen vnd preisen künnen,


5.

Der sein Gsalbten nicht sehen lis

die verwäsung, wie er verhis,

Damit wir auch trost haben,

ob wir schon wern vergraben,

das wir draus werdn erhaben.


6.

Dan gleich wie Christi Flaisch vnd Leib

nicht inn dem Grab vnd Tod verpleib,

Also nicht pleiben werden

vnser Leib inn der Erden,

wie sehr die Würm sie zehrten.


7.

Dan Christ der Toden Erstling ist,

der erstlich aus dem Tod stůnd frisch:

Derselb die Ban beraitet,

vns die Wonung beschaidet

vnd durch den Tod vns laitet.


8.

Darum, O liber Jesu Christ,

diweil du Auferstanden bist,

So wais ich, das ich werde

auch erstän aus der Erde

on geprest vnn beschwärde,


9.

Vn dich preisen inn Ewigkait,

das du mir die Ban hast berait

Inns warhaft Vaterlande,

da ich sing ›Christ erstandē,‹

drum komm ich nicht zuschanden.


10.

Aber wie die Wächter vms Grab

pläzlich erschraken all darab,

Also an Jüngsten tagen

werden all die verzagen

die heut dein Wort ausschlagen,


11.

Die nicht glaubten deim Bund im Plůt

vnd das jn Auferstundst zu gut,

Dich vnd dein Wort noch wolten

im Grab verborgē halten,

des sicherer zuwalten.


12.

Was wacht, jr Todenwächter, lang?

wolt halten jr im Grab mit zwang

Das lebendmachend leben?

welchs vns thut leben geben,

for dem jr müsst erbeben?


13.

Ir seit wol Tode Wächter zwar,

dan jr nichts ausgericht habt gar,

Dan jr hetten verschlafen

auch sein Jünger zustrafen,

wan sie zum Grab wern gloffen.


14.

Vnn da jr jzunt auch schon wacht,

schrekt euch der den jr tod doch acht:

Wolt jr, Wächter, verwaren

den Rechten Wächter zwaren,

der vns verwart inn gfaren?


15.

O wie Plindschläfrig tode Leut,

die im tod pleiben GOT zu neid

Vnd das Leben verstosen,

welchs sich hat töden losen,

das sie wern lebensgnossen!


16.

O du war Leben vnd der Weg,

lait vns zum waren Himmelsteg,

Das wir nicht so verplendet

von dir werden abgwendet,

der du zum Weg bist gsendet.


17.

Reis vns aus disem Jamertal

vnd führ vns inn dein Königssal,

Da du zu troz dein Feinden

herschst vnn zu trost dein Freundē

die dich im Glauben mainten.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 829-830.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Lieder
Geistliche Lieder Und Psalmen Aus Dem Strassburger Gesangbüchlin Von 1576: Auch Dessen Anmahnung Zu Christlicher Kinderzucht Und Ein Artliches Lob Der Lauten (German Edition)

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die frivole Erzählung schildert die skandalösen Bekenntnisse der Damen am Hofe des gelangweilten Sultans Mangogul, der sie mit seinem Zauberring zur unfreiwilligen Preisgabe ihrer Liebesabenteuer nötigt.

180 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon