4. Auf eines guten Freundes Geburtstag

[329] 1632.


Liebe hat die Pierinnen

erst auf meine Seite bracht,

Liebe hat mich lieb gemacht

bei den deutschen Kastalinnen,

Liebe kan mit leichter Sachen

uns zu Götter Freunde machen.


Dafnis, Dafnis, durch die Liebe

ward ich anfangs dir vermählt!

Sie, sie hat uns so umpfählt,

daß uns nichts vonsammen triebe.

Was sich treu und standhaft nennet,

wird durchaus durch nichts getrennet.


Nun, du bist mir zwar genommen

durch das Tun, so Alles nimmt;

doch so lang' ein Auge glimmt,

solst du mir wol nicht entkommen.

Musen, ihr und du, o Liebe,

fraget nichts nach jenem Diebe.


Weil ich athme, weil ich lebe,

will ich schreiben, was ich kan,

nur daß dich der Bleckezahn

Tod ins Leben wieder gebe.

Wem sich Lieb' und Musen geben,

der muß auch gestorben leben.


Ach daß nun doch Einer käme,

der mich so, wie Dafnis, meint!

Her, wo ist ein solcher Freund,

dem ich mich, wie ihm, bequeme?

Liebe macht aus Fremden Brüder,

Haß aus Brüdern Fremde wieder.


Bruder, meine mich mit Treuen,

so du treu es meinen kanst!

Zoilus sein falscher Wanst

berste, wie er will, von neuen!

Ehrlich, treulich, standhaft Lieben

ist für Neide stets doch blieben.
[329]

Deiner Tugend weise Gaben

locken, Lieber, mich zu dir.

Nun so komm! Da solst an mir,

was die Liebe wündschet, haben.

Wenn ein Herz ein Herze krieget,

das ihm gleicht, so ists vergnüget.


Sonst hab' ich auch über Hoffen

Einen, der sich mir und dir,

der sich Dafnis gleicht, allhier

durch die Götter angetroffen.

Ach wie selten kan erreichen

ein treu Herze seinesgleichen!


Er mein Leben, du mein Leben,

euer beider Leben ich,

ich durch euch und ihr durch mich,

wollen bis ans Blaue schweben.

Unser' Namen schwingt die Liebe

über Nebel durch das Trübe.


Komme, so du ihn zu sehen

Lust und ein Verlangen hast!

Doch er muß sein unser Gast,

wenn die Lösung soll geschehen.

Besser ist nicht treuen Flammen,

als im Fall' sie sind beisammen.


Liebe hat mich erst geliebet,

Liebe hat mich wert gemacht,

Liebe hat mir wieder bracht

was der Tod mir abgediebet.

In der Liebe will ich bleiben,

bis er mich auch ab wird leiben.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 329-330.
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