17. Entsagung

[407] Und soll es nun nicht anders gehen

ich muß von ihr gehasset sein?

So laß die eiteln Sachen stehen,

mein Sin, und gieb dich nur darein!

O wol dem, welcher ist vergnüget,

wie sein Verhängnüß sich auch füget!


Kein beßrer Rat ist, als ertragen

diß, was man doch nicht ändern kan.[407]

Ein feiger Mut hebt an zu zagen.

Beständig sein, das tut ein Man,

sieht Beides an, gleich in Geberden:

erfreuet und betrübet werden.


Zwar ofte werd' ich seufzen müssen,

wenn ich erwäge jene Zeit,

da ich den schönen Mund zu küssen

mit gutem Fuge war befreit,

da ich des Lebens süßes Wesen

von ihren Lippen durfte lesen.


Was aber? Soll mich etwas kränken,

das nichts ist als ein bloßer Wahn?

Ich will vielmehr mich dahin lenken,

wohin mich Dapferkeit weist an

und den vergällten Süßigkeiten

mit großem Herzen widerstreiten.


Das hab' ich wol gedenken können.

Wer klug ist, baut nicht auf den Sand.

Wer suchet Trost bei leichten Sinnen,

bei Unbeständigkeit Bestand,

bei Schatten Licht, bei Tode Leben?

Kan mir denn Nichts nicht Alles geben?


Die glatte Gunst der falschen Frauen

ist ein zerbrüchig, schlipfrich Eis,

betreugt den Fuß, der drauf will trauen,

an nichts mehr als an Kälte heiß,

kan nichts nicht als die Augen blenden

und wird zu Wasser unter Händen.


Wer ihnen traut, pflügt in die Winde

und säet auf die wüste See,

mißt des verborgnen Meeres Gründe,

schreibt sein Gedächtnüß in den Schnee,

schöpft, wie die Schwestern ohne Liebe,

das Wasser mit durchbohrtem Siebe.


Der freie Wind fährt ohne Zügel,

ein leichter Pfeil eilt auf Gewin,

der starke Plitz hat schnelle Flügel,

ein strenger Fall scheußt plötzlich hin:[408]

für ihren Sinnen sind nicht schnelle

Luft, Pfeile, Plitz und Wasserfälle.


Wer will dem Panther abewaschen

was man auf seinem Rücken schaut?

Sie weichet keiner Seif' und Aschen,

des braunen Mohren schwarze Haut.

Der Wankelmut und leichte Zoren

ist allen Weibern angeboren.


Was spielet güldner als die Flammen,

was brennt auch mehr als eben sie?

Wo Lust ist und Gefahr beisammen,

da ist das Glück' ohn' Wandel nie,

Schau zu, der du zu kühne liebest,

daß du dich freuend nicht betrübest!


Wer weiß nicht, wie sich Venus stache,

daß ihr das Antlitz lief voll Blut,

als sie Adonis Rosen brache?

Dem Strauche wuchs daher der Mut.

Die Farbe hat er angenommen,

darvon die Purpur-Rosen kommen.


Der süße Saft der gelben Bienen,

Kupido, der verführte dich;

da du dich woltst zu tief erkühnen,

so kriegst du einen bittern Stich.

Diß dein Exempel lehret Alle:

wo Honig ist, da ist auch Galle.


Es ist ein Wechsel aller Sachen.

Auf Schein kommt Plitz, auf Tag folgt Nacht,

ein nasses Leid auf trucknes Lachen,

auf Wollust das, was Eckel macht.

Und diese, die dich gestern liebet,

ists, die dich heute so betrübet.


Nicht, daß ich daher hoffen wolte

(wo Hoffnung bei Verzweiflung ist),

daß sie mich wieder lieben solte.

Nein! Sie hat einen Sinn erkiest,

dem fester Stahl nicht zu vergleichen

und harte Diamanten weichen.
[409]

Sie darf sich darum nicht erheben,

daß sie mich hat gegeben hin.

Ich kan, Gott Lob! ohn' sie wol leben.

Wer sie ist, weiß ich, daß ich bin.

Was einem einmal wird genommen,

um das kan er nicht zweimal kommen.


Will sie schon itzt von mir nicht wissen, -

sie heißt mich weder Freund noch Feind, -

noch dennoch wird sie sagen müssen,

daß ich es habe gut gemeint.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Ihr Gift der Zeit, ihr Pest der Jugend,

weg Venus, Amor, weg von mir!

Forthin so dien' ich nur der Tugend.

Wenn ihr verwelkt, bleibt ihre Zier.

Wer sich der Weisheit ganz ergiebet,

der liebet recht und wird geliebet.


Komm, güldne Freiheit, komm, mein Leben,

und setze mir dein Hütlein auf!

Ich habe gute Nacht gegeben

der Eitelkeiten schnödem Lauf.

Sie sei nun, wie sie will, alleine!

Auch ich bin Niemands mehr als meine.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 407-410.
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