22. Salibene

[416] Wolte sie nur, wie sie solte,

und solt' ich nur, wie ich wolte,

so wär' ich und sie vergnügt.

Ach! wie wär' es wol gefügt,

wenn wir nicht so widerstrebten,

sondern itzt und für und für,

ich bei ihr und sie bei mir,

in verglichner Liebe lebten.


O wie würden unsre Heerden

so geschwinde feister werden!

Feld und Tal und Berg und Hain

würde mit uns frölich sein.

Alle Nymphen würden lachen

und uns manchen schönen Tanz,

manchen schönen lieben Kranz

in den bunten Wiesen machen.


Ich auch würd' auf meiner Pfeifen

ein erfreutes Liedlein greifen,

wenn ich in der Liebsten Schoß

alles Kummers wurde los.

Denn wolt' ich anstat des Klagen,

das mich itzt für seiner Pein

kaum läßt mich und meine sein,

nur von lauter Wonne sagen.
[416]

O du schöne Salibene!

Salibene, o du schöne,

schau doch, wie sich Alles liebt

und in außen Freuden übt.

Alles wird durch Lust gerüret.

Wir nur gönnen unsre Zeit

der verstoßnen Einsamkeit.

Denk', ob diß sich auch gebüret.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 416-417.
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