39. Anemone und Neren

[438] 1639 April.


Als Anemone

der Venus kleinem Sohne

zuwider war,

weil sie Nerenen,

des züchtigen, des schönen,

vergaß sogar,

indem er sie

durch Scheiden mußte lassen,

hub sie ihn an je mehr und mehr zu hassen,

die Falsche, die.


Neren, der schiede.

Sie ward des Liebsten müde

und ihrer Pflicht.

Auf bunte Kräuter,

auf Blumen und nichts weiter

war sie erpicht,

bis einer Zeit

Kupido ihr ward innen,

als sie allein um ihre Blumenbrünnen

spaziert erfreut.


Nach dir, du Harte,

bin ich es, der ich warte!

fuhr Amor auf.

Stracks sank sie nieder,[438]

kam auch zu sich nicht wieder,

so starb sie drauf.

Den toten Geist

streut Amor aus für Samen,

bald wuchs ein Kraut, das nach der Nymfen Namen

noch itzund heißt.


Ach, Anemone,

du aller Schönen Krone,

halt Ja und Nein.

Laß dir, o Blume,

für aller Blumen Ruhme

die Treue sein.

Neren ist tot

von Anemonens Schmerze:

ich werd' entfreit durch Anemonens Herze

von aller Not.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 438-439.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte