40. An Anemonen, nachdem er von ihr gereiset war

[439] 1639.


Ach einig diß war übrig noch

von allen meinen Plagen,

daß ich das schwere Liebesjoch

muß abgeschieden tragen.

Die mir das größte Leiden tut,

die tröstet meine Sinnen.

Ich brenn und meines Brandes Glut

ist ach! wie weit von hinnen!


Nicht gläub' ich, daß die letzte Not

mir größre Qual kan machen.

An mir lebt nichts nicht als der Tod,

der stark ist in mir Schwachen.

Das kranke Herze windet sich,

die matten Augen brechen.

Nichts denk' ich, Liebste, denn an dich,

doch kan mein Mund nichts sprechen.


Nach dir zu warten ist umsonst,

o Ärztin meiner Seelen.[439]

Ich bin zu weit von dieser Gunst,

ich muß mich nur so quälen.

Doch freu' ich mich bei höchster Pein

und setze diß entgegen,

muß ich gleich der Betrübtste sein,

es ist der Werten wegen.


Ach, Anemone, meine Lust,

bleib unverwant im Herzen.

Ich tu dasselbe, wie du tust,

und fühle gleiche Schmerzen.

Ists wahr, daß alle Frölichkeit

wird süßer nach dem Leiden,

so schicke, Schatz, dich in die Zeit.

Wir sehen uns mit Freuden!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 439-440.
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