45. Auf des Wohledlen Herrn Hieronymus Imhofs, Fürstl. Holstein. Gesandten u.s.w. Hofejunkern seinen Namenstag in Astrachan. 1636

[165] 1636 September 30 a.R. Oct. 10 n.R.


Gönnt Gott inkünftig uns das liebliche Gelücke,

da unser Deutschland uns sieht kommen wol zurücke,

das liebe Vaterland, das, wie man sagen will,

des Leides und der Angst noch weiß, noch hat kein Ziel,

weil Mars noch drinnen rast: alsdenn so wird sichs schicken,

daß wir bei deutscher Kost uns nach der Lust erquicken

und unsrer Freunde Schar, die durch die lange Nacht

in süßer Fröligkeit an unsrer Tafel wacht,

erzählen, was wir hier nach langer Länge sehen,

was Übels und was Guts uns hier und da geschehen.

Denn wird uns eine Lust das zu erwähnen sein,

was ohne Reu' und Leid uns itzt kaum fället ein.

Itzt ist es keine Zeit, daß du dir machest Sorgen,

wie du uns würdig wollst bewirten an dem Morgen

bis in die tiefe Nacht, nun wir um deine Hand,

der Höhers was gebührt, dir knüpfen dieses Band,

das reich an Armut ist. Laß diesen Kummer fahren!

Wir wollen diese Lust bis auf die Rückkunft sparen.

Doch daß dem Tage noch geschehe halb sein Recht,

wolan, so halte dich auch hier nicht allzuschlecht!

Sei gastfrei, wie du pflegst! Wir wolln dir gerne folgen

in die berühmte Stadt der weitgepreisten Wolgen:

sie mein' ich, Astrachan, die königliche Stadt,

die viel an voller Lust, wie unser Deutschland, hat.

Zu Schiffe schickt sichs nicht, daß wir von ganzem Herzen

nach unsrer schönen Art an solchen Festen scherzen.

Wir wollen an das Land, in unser Lusthaus gehn;

da laß die Tafel denn für uns gedecket stehn!

Frei muß ein Herze sein, das recht sich will erfreuen.

Es ißt sich nicht gut froh, wenn man schon was muß scheuen.

Gönnst du uns volle Lust, so schaff' uns einen Plan,

den man beschleichen nicht, auch nicht behorchen kan![165]

Der schöne Herbsttag selbst giebt Anlaß sich zu setzen

und in der grünen Schoß des Gartens zu ergetzen.

Der nahe Weinstock beut die braunen Trauben dar,

mit weißen untersteckt. Das fruchtgefüllte Jahr

reicht ganz sein Reichtum her, trägt Pfirschken auf und Quitten,

läßt Äpfel aller Art hin auf den Teppich schütten.

Der Vater der Revier, gesteifet an sein Rohr,

setzt frischen Kaffiar und gute Krebse vor.

So heiße bringen auch Melonen und Arpusen,

die angenehme Kost für Mutter Amathusen

und ihr verbuhltes Volk, das nur den Zucker liebt,

den Paphos Nachbar heißt und Kandien uns giebt!

Diß ist genung Confect. Nun wirst du selber wissen,

daß sich ein guter Trunk auf einen guten Bissen

gehöre recht und wol. Doch da sei du darfür!

Hier ist ein Überfluß an Weine, Meth und Bier'

und was den Durst wol löscht; es sei denn, daß vielleichte

der Reußen ihr Getränk' dich gar zu schlecht sein deuchte

für unsern deutschen Mund: so ist der beste Rat,

sprich unser Schiff drum an, das gnung von Spanien hat,

von Frankreich und vom Rhein'! Ich will vor Willen nemen

und mich auf allen Fall und, was du giebst, bequemen.

So ekel bin ich nicht, ich bin auch nicht so stolz.

Ein guter reiner Trunk schmeckt ja so wol aus Holz

und gar aus bloßer Hand, als aus dem teuren Golde,

des mancher mehr vertut, als er sein hat zu Solde.


Was aber denk' ich erst: ists heute Freitag nicht,

dein Fasttag, den ein Man nicht allzuleichtlich bricht,

der ein Gewissen hat? Wir haben uns zu frühe

auf diesen Tag gefreut. Tut weiter keine Mühe,

ihr Brüder, heut' ists nichts! Wer will sich legen drein?

Was man gelobet, hat, das muß gehalten sein.

Wir wollen heute dich in deiner Andacht lassen.

Freund, morgen wirst du dir ein weltlichs Herze fassen

und, wie es billig ist, uns alle laden ein:

so woll'n wir einen Tag für zweie lustig sein.
[166]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 165-167.
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