Der Kranich

[10] Rauh ging der Wind, der Regen troff,

Schon war ich naß und kalt;

Ich macht' auf einem Bauerhof

Im Schutz des Zaunes halt.


Mit abgestutzten Flügeln schritt

Ein Kranich drin umher,

Nur seine Sehnsucht trug ihn mit

Den Brüdern übers Meer;[10]


Mit seinen Brüdern, deren Zug

Jetzt hoch in Lüften stockt,

Und deren Schrei auch ihn zum Flug

In fernen Süden lockt.


Und sieh, er hat sich aufgerafft,

Es gilt erneutes Glück;

Umsonst, der Schwinge fehlt die Kraft,

Und ach, er sinkt zurück.


Und Huhn und Hahn und Hühnchen auch

Umgackern ihn voll Freud'; –

Das ist so alter Hühner – Brauch

Bei eines Kranichs Leid.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 10-11.
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