XXXV.


Die Circœische Wandlung.

[363] Nicht Alles / was unserm engen Vernunfft-Maß nicht eingeht / lässt sich deßwegen / für ein blosses Fabelwerck / verkauffen. Ein höherer Verstand kann viel künstlen / oder ersinnen / das der nidrige nicht fasst. Der Adler und Habicht sehen schärffer / als die einfältige Täublein. Also kann sich auch die Ersinnung eines Engels / weit über allen menschlichen Begriff /schwingen / und solche wunderbare Sachen vorstellen / deren Grund unser Vernunfft-Auge / in der Natur /nicht erblickt: wann sie gleich / durch Hülffe der Natur / verrichtet werden.

Solches findet sich auch / bey vielen wunderseltsamen Blendungen / und künstlichen Triegereyen deß verschmitzten Geistes der Finsterniß: Ob die Art und Weise ihrer Vermittlung unsren Sinnen gleich zu subtil und unerreichlich: können wir darum nicht gleich den Handel selbsten den blossen Einbildungen melancholischer Leute / oder den leeren Rocken-Mährlein /beyrechnen: Wie zwar gantze Parlementen und Gerichte / in Franckreich / so wol / als auch einige ansehnliche Aertzte / gethan: Welche alle Zauber-Künste / für blossen Wahn-Betrug / und insonderheit die zaubrische Schein-Wandlung der Menschen in Wölfe / Esel / oder Pferde / für eine purlautere Phantasey und Melancholey / geachtet.[364]

Daß eine gewisse Kranckheit dergleichen Eigenschafften bey sich führe / und ihren Patienten / mit einer festen Einbildung bethöre / als sey er / zu diesem oder jenem Thier / verwandelt / und habe die Gestalt eines Rosses / oder Wolfs / oder einer Katzen /gewonnen; lässt man ungestritten: Wer wollte / wider so viel beschriebene / und täglich vorgehende Exempel / den Mund aufthun? Aber daß auch die Verwandlung der Zaubrer in gewisse Thier-Gestalten / nur auf blossem Wahn der Melancholey / beruhe / geht der vielfältigen Erfahrung / und auch der Vernunfft / zuwidern. Denn wann die Melancholey solche thierische Mißgestalten / in dem menschlichem Gehirn nur /ausbrütete; würden solche Melancholisirende / ihrer selbsteigenen Einbildung allein / nur so fürkommen /und nicht andre Leute eben so wol sie / für solche Thiere / alsdann ansehn: zudem würde die blosse melancholische Einbildung nicht / unter deß Nachbarn Vieh / so viel Schaden und Raub stifften / wie die bösen Leute thun / welche in (äusserlicher / und vom Satan ihnen angekünstelter) Gestalt wilder Thiere herumlauffen / Menschen / und Vieh zu beschädigen.

Daß die Verwandlung würcklich geschehe / will ich gleichwol hiemit nicht gemeynt haben; sondern nur dieses / daß die Schein-Wandlung kein leeres Geschwätz sey; nemlich die Teufels-künstige Vorstellung eines Thiers / an stat eines gegenwärtigen oder abwesenden Menschens. Welche Vorstellung kein solches Lehr-Geticht ist / wie die Circœische Wandlungs-Rute; sondern in vielerfahrener Gewißheit besteht.[365]

Ich gedencke hiemit weder Alles für gültig zu erkennen / noch für ungültig / was die Alten / von dergleichen Gestalt-Wechslungen / geschrieben.

Vincentius, der von Wundern / und Abentheuren /viel Wunders macht / und ein besondres Werck zusammen getragen / berichtet / aus dem Guilhelmo Malmesberiensi; daß / in Teutschland / zwo zaubrische Wirthinnen gewest / welche beyde die Teufels-Kunst gewusst / reisende / und bey ihnen zur Herberge einkehrende / Leute / so offt sie gewollt / in Thiere zu verwandeln: die sie hernach denen Kauffleuten /die aber von solcher Verwandlung keine Wissenschafft hatten / um ein gewisses Geld verkaufften. Da nun einsmals auch ein junger Mensch / bey ihnen /sein Quartier genommen / der von Komedien-spielen seine Nahrung erwarb / haben sie denselben / durch ihre Zauberey / alsofort in einen Esel / verbildet / der /mit hurtiger Reg- und Bewegung der Glieder / und durch mancherley Geberden / die er / bey gesunder Vernunfft / an sich blicken ließ / den Zusehern grosse Lust und Verwunderung erweckte. Gestaltsam deßwegen ein Nachbar diesen Hexen ein grosses Stück Geld / für den Esel / geboten; damit er seine Kurtzweil und Spaß / an demselben / haben mögte. Welche ihm den Esel auch überlassen / doch diese Warnung dabey gegeben haben / daß er denselben nur nicht sollte ins Wasser gehen lassen.

Solches hat zwar der Käuffer fleissig / eine lange Zeit / beobachtet / und den Esel / eine gute Weile /von dem Wasser / wegbleiben lassen / endlich[366] aber doch ein Mal aus der Acht gestellt / also / daß der Esel / in den nechsten See / gegangen / und so bald er die Füsse drein gesetzt / gleich alsofort seine vorige Menschen-Bildung wieder gewonnen. Worauf der zulauffende / und den verschwundenen Esel suchende /Knecht / ihn / der ihm ungefähr eben begegnete / gefragt / ob er nicht hette irgendswo seinen verlohrnen Esel gesehn? Welchem er antwortlichen Bericht gegeben / er sey der Esel gewest. Solches lässt der Herr deß Weiland-Esels zur Stunde / als ein grosses Wunder / dem Papst zu Ohren gelangen. Dem es anfangs wunder-abentheuerlich vorgekommen. Dennoch hat es endlich Jedermann geglaubt / nachdem Petrus Damianus, der gelehrteste Mann seiner Zeit / geurtheilt / es könnte / nach dem Exempel Simonis Magi, gar wol etwas dergleichen geschehn.1

Deusingius rechnet dieses hingegen / unter die Getichte / und gleichfalls die Abentheuren / so man dem Simoni Mago zugeschrieben / für nichts gewissers; oder daß dieses letzte aufs wenigste eine teuflische Blendung nur gewest / was in der Histori Clementis, wie auch beym Irenæo, Eusebio, und Egesippo, als welche bißweilen den Mährlein gar zu willig geglaubt hetten / von ihm erzehlt wird; nemlich / daß / als Nero, samt allem zuschauendem Volck / gemeynt /Simon / der Zauberer / wäre mit dem Beil enthauptet /er / durch die zaubrische Verblendung / dermassen betrogen sey / daß er nicht erkennte / wie / an Simons Stelle / ein Widder / unter der Gestalt deß Simons /geköpfft wäre; und sey es darüber so weit gekommen /[367] daß Simon / als wie Einer / so von dem Tode wiedergekehrt / am dritten Tage / für einen Gott geachtet / auch deßwegen ihm zu Ehren / vom Nerone, zu Rom / ein Bild aufgerichtet worden / mit der Uberschrifft / Simoni Mago Deo.

Wann nun gleich diese Historie vom Simone Mago, so viel die Augenverblendung betrifft / wahr seyn sollte; so ist doch / aus dem Simone Mago, kein Widder geworden / (spricht Deusingius) er ist / zu keinem solchem Thier / warhafftig verwandelt; sondern nur seine Gestalt / und äusserliche Bildung dem Widder anbequemt / auf daß der Widder / unter der ertichteten Gestalt deß Simons / mögte abgehauen werden.

Für gleiches Schlages und Spreuers schätzet er die Abentheuer / so nach Sprengeri Bericht / in Cypern /sich soll zugetragen haben: nemlich / daß ein junger Engländer / auf gleiche Weise / von einer Unholdinn /in einen Esel soll verwandelt seyn / und unter solcher Esels-Bildung / drey gantzer Jahre / in unmenschlicher Dienstbarkeit / allerley Nothdurfft der Haushaltung habe zutragen müssen; weil er aber dennoch bey Vernunfft unterdessen geblieben; man einsmals beobachtet habe / daß er / vor der Kirchthür / auf die Knie gefallen / und sich also bezeigt / daß man von einem unvernünfftigem Thier / dergleichen nicht vermuten können: Darüber sey endlich das Weib / so den Esel getrieben / in Verdacht und Verhafft gekommen / und nachdem sie / vor den Richtern / Alles bekannt / auch den Jüngling / durch ihre Kunst /[368] wiederum / zu menschlicher Gestalt / gebracht / am Leben gestrafft worden.2

Mir kommen zwar dergleichen Händel anderst nicht vor / als betriegliche Aug-Verblendungen; doch darum nicht gleich / wie Mährlein / oder blosse Getichte. Der Satan hat beydes den Hexen / und auch denen Verhexten / wie nicht weniger andren Leuten /solche Wandlung vorgestellt / durch einen Augen-Betrug: indem nichts destoweniger diejenige / welche also / dem äusserlichen Schein nach / in Rosse oder Esel / verstellet worden / eine Roß-Arbeit / ob gleich nicht unter gleicher Last / (denn ein Roß / oder Esel /trägt schwerer / als ein Mensch) dennoch würcklich verrichten müssen. Wiewol der Hexen-Geist / um sein Gauckel-Spiel nicht zu hindern / oder zu entdecken /vielleicht selber solchen verstelleten Personen zu der Bürde / wann diese gleich unmenschlich / und menschlichen Kräfften unerträglich fällt / sonderbare Stärcke mittheilt; wie er sonst Manchen / der sich ihm ergeben hat / übermenschlich-starck / und schier unbezwinglich / machet. Denn daferrn oberzehlte Abentheuren sich nur / in dem Gehirn müssiger Mährlein-Schreiber / formirt hetten: würde man nicht / zu allen Welt- und Lebzeiten / davon etliche verzeichnet / und der Nachkömmlingschafft nachrichtlich hinterlassen haben: zumal weil man nicht nur schier in allen Jahr-hunderten / sondern auch / in unterschiedlichen / weit voneinander entferrnten / Ländern / davon geschrieben.[369]

Will man dem Luciano, und Apulejo gleich nicht glauben / daß sie / von den Larissœischen Zauberinnen / zu Eseln verwandelt worden / als sie eben darum zu ihnen gekommen waren / daß sie erfahren mögten /ob dem also / wie das Gerücht sagte / daß Menschen in Esel verkehrt werden könnten: so gebricht es gleichwol nicht / an andren Scribenten / welche mehrern Credits würdig / und solche abentheuerliche Schein-Wandlung beglauben.

Ich nöthige Niemanden / dem Verfasser deß heiligen Macarii Lebens seine Beypflichtung unverweigerlich zu verhuldigen / wann derselbe erzehlt / es habe Einer / auf eine eheliche Bäurinn Ehbruchs-volle Augen geworffen / und gern mit ihr buhlen wollen; weil sie aber seinem unzüchtigem Verlangen zu willfahren sich geweigert / einen Zaubrer ersucht / der entweder ihren Mann ums Leben bringen / oder das Weib gegen ihm verliebt machen / sollte: Worauf der Trudner die Bauren-Frau / in ein Mutterpferd / verwandelt / dafür sie auch / so wol von ihrem Mann /als von den Jüngern Macarii, zu welchem man sie hingeführt / (äusserlich) angesehn worden. (Wiewol ich keine Ursach finde / solches eine Fabel zu schelten.)

So fordre ich auch von Niemanden / daß er Alles /was Saxo Grammaticus schreibt / für lauter Glaubens-Articul erkenne: gleichwie hingegen Niemand /mit Fuge / von mir fordren kann / daß ich dieses gleich / von wahren Geschichten / auswerffe / was nicht allein er / sondern auch Crantzius, erzehlt: Wie nemlich Frotho, König[370] in Dennemarck / als er das Haus einer Zauberinn zerstöhren wollen / und deßwegen Etliche vorangeschickt / welche das Weib / samt ihren Kindern / greiffen sollten; Sie aber / die berühmte Hexe / sich in ein Pferd verwandelt / bald hernach aber / als der König selbst angelangt / die Gestalt einer See-Kuh angenommen / und auch ihre Söhne in Kälber verbildet habe; in welcher Gestalt sie / am Ufer deß Meers / herum geschweifft / und Weide gesucht: Biß der König / auf diese Meer-Kuh / und ihre Kälber / einen Argwohn bekommen / denselben nachstellen / und die Wiederkehr zum Meer abschneiden lassen; auch selbst hingefahren / dieselbe zu sehen / endlich vom Wagen gestiegen / und sich auf die Erden nidergesetzt: Worauf die Mutter die Hörner auf ihn gespitzt / und ihm einen Stoß in die Seiten versetzt / davon er gestorben; seine Soldaten aber diese Meerwunder mit Pfeilen durchschossen / und /nach Erlegung derselben / wahrgenommen / daß die Leiber derselben menschlich / die Köpffe aber thierisch wären.3 Welche der Satan vielleicht diesem Hexen-Gesinde / mit geschicklich-anbequemten Häuten von Thierköpffen / überzogen gehabt.

Ich stelle Jedwedem zur Beliebung / solcher Erzehlung Glauben zu geben / oder zu entnehmen: meines Theils aber / sehe ich mich gleichwol auch nicht gezwungen / solches / und dergleichen / für gewisse Getichte anzunehmen: denn von solcher Meynung werde ich abgehalten / durch diese folgende Begebenheit /welche mir ein fürnehmer Herr[371] beglaubt / und vor wenig Jahren / in dem Hertzogthum Cräin / sich würcklich zugetragen.

Eine Frau / die viel edler von Geblüt / als von Gemüt / sich befunden / ist ein Mitglied einer sehr unedlen Gesellschafft worden / nemlich der Hexen-Versammlung / die einen Christen aller adlichen Ehren seines Christenthums entsetzt / und / nebst andren Bocks- oder Gabel-reiterinnen / mit ausgefahren /zum Truden-Tantz; doch weder auf einem Bock /noch Stock / noch Besem / noch Gabel; sondern / auf einem vernünfftigem Roß; nemlich auf ihres Herrn Reitknecht. Welchen sie / indem er im Schlaffe gelegen / aufgezäumt / und also / auf ihm davon geritten /wie auf einem natürlichem Pferde. Denn so bald sie ihn aufgezäumt / hat er sich / in die Gestalt eines Rosses / verändert / sie aufsitzen / und sich von ihr reiten lassen müssen.

Nachdem aber der Knecht solches abentheurlichen Reuters / und auch deß ungesegneten Orts / da sie ihn hingeritten / überdrüssig worden; hat er sich einsmals / unter währendem Hexen-Reigen / abgezäumt. Und /als seine Frau wieder zu ihm getreten / in Meynung /ihn wieder heimzureiten / ist er behände zugesprungen / und hat ihr eben denselbigen Zaum angeworffen / womit sie ihn bißhero gezügelt / und zum Pferde verwandelt hatte. Weil sie nun alsofort hiedurch (dem Schein nach) zu einer Stutten ward; setzte er sich hurtig auf / und ritte / auf diesem seltsamen Post-Klepper / nach Hause: allda er es in den Stall gezogen.[372]

Deß Morgens gehet er hin / und verkündigt seinem Herrn / er habe / auf dem Felde / in den Schoden /eine schöne Stutte angetroffen / und mit sich heimgeführt in den Stall. Der Herr geht hin / die Stutte zu besehen; verwundert sich über derselben Schönheit höchlich; befihlt endlich dem Knecht / er solle sie abzäumen / und ihr ein Futter vorlegen. Wie aber der Knecht ihr den Zaum abnimt / verwandelt sie sich /Augenblicks / in seines Herrn Frau.

Hierauf hat so wol die Frau / als der Herr / dem Knecht hart eingebunden / daß er von diesem Handel nichts melden sollte; ihn auch / mit Verehrung eines guten Stück-Geldes / zum Stillschweigen verbunden. Aber solcher silberner Rigel war nicht starck genug /die Lippen-Thür fest genug zu schliessen: Die Schwätz-Lust hat ihm dennoch den Mund erbrochen /das Geheimniß ausgelassen / und ruchbar gemacht; wiewol nicht / durch offentliche Aus- oder Ansage vor Gericht; sondern nur bey einigen Bekandten: durch welche es nachmals noch weiter ausgebreitet worden. Obgedachter Herr aber /4 der mir solches zugeschrieben / hat es / aus seinem eigenem Munde / gehört /nachdem er ihn darum gefragt.

Diesem nach hat man / an dergleichen Schein-Wandlungen / nicht zu zweifeln.

Fußnoten

1 Vincent. in Spec. lib. 3. c. 109.


2 Sprengerus Inquisitor, è Guilhelmo, Tyri Archi-Episcopo, citante Wolfshusio, in Oratione de Lycanthropia.


3 Saxo Grammat. lib. 5. Histor. & Cranzius lib. 1. Daniæ, c. 32.


4 Nemlich der Herr Baron Valvasor: In dessen Crainerischem Werck auch diese Abentheuer / von mir /ist mit angezogen worden.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 363-373.
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