XLIX.


Die Satanische Mord-Kur.

[445] So ein wol-bemittelter reisender Mann / wenn ihm ungefähr / nahe an einem sehr unsichrem / von vielen Raub-Vögeln und Mördern durchlaurten Walde / der Wagen umschlüge /[445] sich in das Raub-Gepüsche vertieffte / und denen wissendlichen Raubern überlaut zurieffe / sie sollten hervor kommen / und ihm seine köstliche Waaren wieder aufladen helffen; würde er wol keine schlechte Thorheit / doch keine so grosse /noch schädliche / begehen als der / welcher / zu den Knechten deß Teufels / von dem Wege ordentlicher und erlaubter Kur / hintritt / und sie / wann entweder der Wagen seines Glücks umgeworffen / oder an dem Wagen seines Leibs / das ist / an seiner Gesundheit /etwas zerbrochen ist / um die Wiederaufricht- oder Ergäntzung / begrüsst. Denn gleichwie zu besorgen /jene / die Strassenrauber und Buschklepper / dörfften die / mit dem umgefallenem Wagen / an der Erden ligende / Waaren zwar gern aufheben / aber für sich; oder aufs wenigste die allerkostbarste / mit ihren Raub-Klauen / ausklauben / und davon raffen: also steht viel gewisser zu befahren / der Teufel werde denen / welche sich / durch seine Sclaven / um seine Hülffe / und Kur bewerben / weit mehr schaden / als nutzen; mehr verderben / als bessern; tieffer verwunden / als heilen; und ihnen einen viel grossern Raub ausführen / weder ein leiblicher Strassenrauber. Denn so er je ihrer Leibs-Gesundheit einige Hülffe erweiset / geschicht es doch / auf keinen andren Anschlag / als hingegen ihre Seel in tödtliche Seuche / ja in den ewigen Tod selbsten / zu stürtzen / und also ihr theurstes Gut und Kleinod / zum Artzt-Lohn an sich zu reissen.

Es gelingt auch die leibliche Kur deß Satans denen / die sie suchen / wunderselten am Leibe: oder so sie ja / durch seinen Raht / heil werden /[446] wird hingegen das Ubel / auf einen Andren / doppelt versetzt / und also ein solcher gewissenloser Teufels-Patient / mit zwiefacher Blut-Schuld / belastet: indem er nicht allein / durch diesen verfluchten Mord-Artzt / in Tod-Sünde fällt / und ihm / durch kurtze Rettung deß Leibes / die Seele in die Rappuse giebt / (denn ein wissendlicher Satans-Patient steht in deß Satans Pflichten und Ansprüchen / so lang / biß er ernstliche Busse thut) sondern auch verursacht / daß der Neben-Christ um Gesundheit / wo nicht gar ums Leben / kommt: da doch ein wahrer Christ lieber / für seinen Nechsten /das Leben lassen / als sein Leben / durch deß Nechsten Tod / erkauffen soll.

Diß hat / vor wenig Jahren / gar nicht betrachtet eine Jungfrau hochfürnehmen Herkommens: welche zwar der Author, aus dem ich von ihr rede / nicht nennet; doch / ihres gottlosen Fürnehmens halben / in dieser Histori / Canidiana zu heissen / wol verdient; weil sie nemlich eine solche saubre Künstlerinn / wie vormals die Canidia zu Neapolis gewest / auf welche Horatius so übel zu sprechen ist / zu Raht gezogen /und sich in deß Satans Kur begeben hat.

Diese / von ihrer Verfahrung anjetzt so genannte / Canidiana ist / durch vielfältiges melancholisiren und trauren / wie auch Unordnung im Essen / endlich in Aberwitz gerahten / auch dabey / wie gewöhnlich zu geschehen pflegt / von dem Miltz- und Seiten-Weh angefochten worden. Weßwegen sie unterschiedliche Medicos nacheinander um Raht ersucht; und doch keine Hülffe empfunden hat: immassen dieses Ubel gemeinlich[447] sehr verstockt / und halsstarrig ist / grosse Gedult und Zeit erfordert / manches Mal auch / woferrn es zu tieff eingewurtzelt / durch kein andres Pulver, als den Grab-Staub / vertrieben wird.

Weil dann Canidiana / auf Erden / keine Hülffe mehr vermutet / auch vom Himmel keine hofft / noch deß Sinns ist / wie jene gläubige Seel / die da sang / Meine Hülffe kommt vom HErrn / der Himmel und Erden gemacht hat: begehrt sie Mittel / aus der Hellen; und ihre Verbesserung / von dem Verderber; befihlt / man soll zu einer alten Vettel / die deßfalls sehr berüchtigt war / gehen / und ihrenthalben sich Rahts / bey derselben / erholen. Und also setzte sich Canidiana / durch Beschickung dieser Canidiœ /auch der Seelen nach unter die thörichte Jungfrauen /nachdem sie vorhin / dem Verstande nach / sich auch / mit Thorheit / oder Witz-Verruckung / bekräncket fand.

Canidia lässt der Canidiana zurück entbieten / sie wolle ihr / folgenden Tages / um die schier anbrechende Morgenröte / gantz gewiß Raht und Hülffe verschaffen: warnet doch gleichwol dabey ernstlich / es solle ihr alsdann ja bey Leibe Niemand / aus selbigem Hause / entgegen kommen. Welches auch alle Mägde und Aufwärterinnen der Canidiana fleissig beobachteten / und sich / um selbige Zeit / inne hielten.

Aber was geschicht? Ein andres Weibsbild / nemlich die Haushalterinn / (Haus- oder Küchenmeisterinn) so von diesem Handel gar nichs wusste / steht /ihrer Gewonheit nach / früh auf / und kommt der Vetteln unversehns entgegen.[448] Dieselbe war vorher so frisch / wie ein Fisch im Wasser: aber so bald sie dieser alten Hexen ansichtig worden / empfand sie eine hefftige Bangigkeit deß Hertzens / und Glieder-Zittern: Wozu hernach auch die Convulsiones (oder Krampff-Risse) einbrachen; wodurch dann das gute Mensch dermassen von Kräfften kam / daß sie / am neunten Tage / gegen Abend / ihren unschuldigen Geist aufgegeben.

Währen der Kranckheit / hat diese / von dem teuflischen Mord-Artzt hingerichtete / Weibs-Person beständiglich ausgesagt / sie sey frisch und gesund aus dem Hause gegangen / aber gleich mit dem ersten Anblick dieser ihr unbekandten Vettel / von der Kranckheit angegriffen; ob sie gleich die Ursach nicht gewusst.

Da nun diese Arme hin- und aufgeopffert war; erlangte die Jungfrau ihre Gesundheit plötzlich; nachdem ihr / von besagter Teufels-Vettel / etliche wenige natürliche Mittel gereicht waren; ohne Zweifel zu dem Ende / daß sie / die alte Canidia / bey Andren sich nicht einer unnatürlichen Kur / und Verhexung der gestorbenen Hausmeisterinn / verdächtig machen mögte.

Der Verfasser dieser Geschicht / Doctor Gabriel Clauderus, Fürstlicher Hof-Medicus zu Altenburg /mutmasset / aus der Ertödtung selbiger Hausmeisterinn / die alte Hexe habe gedacht / wann sie von der krancken Jungfrauen hinweg gegangen / diese Kranckheit heim- und behutsamlich / auf eine andre gantz fremde Person zu verpflantzen / die nicht in diese Haushaltung gehörte;[449] wann ihr nicht ungefähr ein andre Weibs-Person begegnete.1

Hieraus kann man leicht abnehmen / wo nöthig es sey / daß Einer / bevor er über die Haus-Schwellen tritt / sich / mit dem lieben Gebet / wol verwahre: auf daß er / wider die leib- und geistliche Pfeile deß Bösewigts / geharnischt einhergehe.

Unterdessen dienet dieses solchen Gottsvergessenen Leuten zum Warnungs-Spiegel / die mit Vertrauen und Glauben dem Höchsten abfällig werden /(denn wo kein Vertrauen zu GOtt / da ist auch kein Glaube an GOtt) und sich / mit verdammten Aberglauben / an den Baal Peor hencken / indem sie diesen für ihren Abgott annehmen / und / durch Ersuchung seines Rahts / ihn gleichsam / in ihren Nöthen / anbeten und anruffen; ob gleich nicht / mit äusserlichen Geberden / oder Worten / dennoch mit dem Hertzen /und Vertrauen. Sie empfangen / unter der äusserlichen Schein-Hülffe / einen tödtliche Seelen-Gifft / und gemeinlich auch / zu einer zeitlichen Straffe / den Tod für das Leben; die Verwundung / für die Heilung; die Verschlimmerung / für die Besserung; das Verderben / für die Erhaltung.

Solche Rahtgeberinnen und höllische Aertztinnen aber / welche durch ihre Segensprecherey / oder andre abergläubische Mittel / und teuflische Kuren / sich /und ihre Patienten dem zeitlichen[450] und ewigen Fluch unterwerffen / seynd eines solchen Tractements werth / dergleichen in der Grabschrifft / welche Samuel Sturmius, in seinem Tractat / welchen er Medicum non - Medicum titulirt / einer zaubrischen Vettel / zu wolverdienten Ehren / aufgesetzt / ihnen zuerkennt wird. Ich will es / zum Schluß dieser Geschicht / mit anknüpffen.


HIC. RECVBAT.

CASCA. LVSCA. ET. PANDA. ANVS.

DIGNA. ROTA. SECVRI. IGNE. ET LAQVEO.

OBSEQVIOSA. DIABOLI. SERVA.

PERNICIOSA. EREBI. ATE.

OMNIBVS. BONIS. INVISSIMA.

NVLLO. DIGNANDA. NOMINE.

PIIS. CHRISTIANIS. PROPRIO.

VT. TAMEN. SCIAS. LECTOR. QVÆ.

FVERIT.

SAGA. PHARMACEVTRIA. FVIT.

HANC.

TROS. ET. RVTILVS.

ADORABAT.

IPSA.

EX. ÆGROTANTIS. INDVSIO. ORACVLA.

EDIDIT.

CVRATVRA. NOVEMPLICI. LIGNO.

OMNIA. MORBORVM. GENERA.

SCILICET.

OMNIBVS. VERBA. DEDIT.

OMNIBVS. EXITIVM. ADTVLIT.

[451] NVNC.

REAPSE. EXPERITVR.

NISI. VERAM. EGERIT. POENITENTIAM.

QVAM. GRAVE. SIT. DIA. PROFANASSE.

NOMINA.

HINC. PIE. LECTOR.

DISCE. CAVERE.

INSIDIOSAS. PHARMACEVTRIAS.

OSEQVIOSAS. DIABOLI. SERVAS.

PERNICIOSAS. EREBI. ATES.

ET. TV.

QVI. HANCCE. CONSVLVISTI.

QVI. MENDACI. CREDIDISTI.

MOX. ABI. ET. AGE. POENITENTIAM.

ALIAS.

QVAM. GRAVE. SIT. DIA. PROFANASSE.

NOMINA.

BREVI. TV. QVOQVE. EXPERIERE.2

Fußnoten

1 D. Gabr. Clauder. Observat 79. Anni 3. Ephemerid. Dec. 2. Medico-Physicar. German. p. 185.


2 Samuel Sturmius, in Medico non-Medico p. 21. seq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 445-452.
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