LVIII.


Das wütende Heer.

[526] Unter dem wütenden Heer / versteht Mancher insonderheit den gespenstischen Aufzug deß so genannten Treuen Eckards / insgemein aber meynet man / heutiges Tages / damit das Jagt-Geschrey und Gebell der Hunde / so der Teufel / manches Mal / bey Nacht / in den Wäldern / anrichtet. Und in dieser letzten Bedeutung / ist es zu nehmen / was ich jetzt erzehle.

Aus gutem Grunde / wird der böse Feind / in heiliger Schrifft / einem Jäger und Vogel-Beitzer verglichen / der dem Wilde und Geflügel Stricke und Garnen legt. Seine Versuchungen seynd Netze / und Lock-Körner / womit er die unfürsichtige Seelen zu fahen bemühet ist. Und wie ein unverdrossener Jäger /weder Hitze / noch Kälte / scheuet / sondern Tags und Nachts dem Wilde nachstellet / auch / ob er gleich etliche Mal mit ledigem Garn heimkehren muß / dennoch bald wiederkommt / dem Fange obligt / und lauschet: also / wann schon der geistliche Jäger bißweilen mit seinen Pfeilen einen blossen schiesst / und fehlzielet / und seine aufgespannte Stricke nichts / als leeren Wind / fahen: wird doch seine Unverdrossenheit dadurch nicht abgeschreckt / sondern ermuntert; seine gefährliche Jagt-Lust und Fang-Gierde nicht abgekühlt / sondern allererst heisser entzündet. Die Lufft-Streiche seynd seines Hirschfängers Wetz-Steine / daran sie nur geschärffet[527] werden. Dannenhero der Mensch / die gejagte Hindinn / immerdar alle Tritte beäugen muß; daß er den Schlichen dieses unermüdeten Jägers nicht zum Raube werde; und dem Zeitlichen nicht zu sehr nachjagen / damit er nicht erjagt noch gefangen werde von diesem arglistigem Jäger /der die Sicheren am ersten beruckt.

Ausser solchen unsicheren Jägerey aber / stellet der böse Geist manches Mal auch wol eine sichtbare Jägerey / oder vielmehr ein Affen-Spiel der Jagt / an: den Leuten entweder zum Spott / oder Schrecken; oder auch / daß er sie / zumal wann er sich / in eines Verstorbenen Gestalt / dabey sehen lässt / mit falscher Einbildung / es sey der Verstorbene selbst / der also in den Wäldern herumgehet / und jagt / betriege. Wie dann vor diesem die Dennemärcker geglaubt / der Geist ihres ruchlosen Königs Abel ritte / in den Wildnissen / und einig-andrer Orten / auf der Jagt sichtbarlich herum; da es doch ein Aufzug deß Teufels gewest.

Man versichert / daß er manches Mal auch wol etlicher annoch lebenden Personen Gestalt / und Weise zu jagen / gar lebhafft vorstelle.

In meiner Jugend / ward solches / in einem gewissen Lande / von einem hochbegüterten alten Cavallier / der seinen Unterthanen sehr übel / unchristlich / und tyrannisch / mitzufahren pflag / gar starck geredet; nemlich daß man / da er noch lebte / gar offt / in den Wäldern / sein Ebenbild erblickte / daneben auch seine Stimme gar kenntlich schreyen hörte. Ob der blosse und allgemeine Haß seiner Wüte / oder die Warheit / solches Gerücht[528] ihm erweckt habe / kann ich nicht wissen: so viel aber ist meiner Gedächtniß noch bekandt / daß er über die Masse gern zu jagen /und die arme leibeigne Leute damit gnug abzumatten / pflag: wann sie aber / aus Ungedult / davon / in andre Länder / entfliehen wollten / und / durch seine Nachsetzung / wieder erhaschet worden; hat er sie sehr übel tractirt.

Es sey nun gleich solche gespenstische Erscheinung seiner Person / auf der Jagt / eine Geschicht /oder Geticht: so glaube ich doch gar gern / GOtt lasse dergleichen Fürstellung dem Satan offtmals zu / solchen Leuten zum Spott / die ihr Hertz / mit dem Jäger-Netze / gantz verstrickt / hingegen das Band der Liebe / gegen ihren geplagten Unterthanen / gäntzlich zerrissen; den Wald mehr / als den Himmel / verlangt; ein Wild höher / als GOtt / und sein Wort / geschätzt haben; gleich jenem Edelmann / von welchem Johannes Rist erzehlt / daß / als man ihn / in seinem Letzten / ermahnt / sich / mit dem Zehr-Pfenning deß heiligen Abendmals / zu versehen / und GOtt / durch ein bußfertiges Gebet / zu empfehlen / er / auf sein gut Holsteinisch / geantwortet / Ja ja! dat kümt noch wol! (Es hat noch gute Zeit damit!) hingegen alle seine Jagt-Hunde herbey holen lassen / und nachdem dieselbe / ihrer Weise nach / ein grosses Jagt-Geheul und Gebell angefangen / mit gefaltenen Händen / seines Theils gar beweg- an Seiten der Umstehenden aber gantz lächerlich / gesprochen: Och du lewe GOtt! welck een arm verlaren Hüpken hinderlat ick! (Ach du lieber GOtt! welch ein arm- und verlohrnes[529] Häufflein hinterlasse ich!) und also mehr für seine Hunde / als für Seel und Seligkeit / Weib und Kind / gesorgt. Von dergleichen Jagt-verpichten /ruchlosen Personen / sage ich / steht gar leicht zu glauben / daß der Teufel / nach ihrem Tode / ihr Gedächtniß / in den Wäldern / offt begehe / ihrer Gestalt und Jagt-Manier nachaffe / und die Leute dadurch erschrecke.

Es ligt / ein paar Meilen / von hiesiger Stadt / ein grosses Dorff / und allernechst daran ein Wald. Daselbst musste ich einsmals / auf der Reise / im Wirtshause / übernachten. Als ich nun / nach dem Abend-Essen / mich / ungefähr um halb zehen / schier zur Ruhe legen wollte / und mit meinem Reis-Gefährten am Fenster stund; erhub sich / in dem Walde / ein überaus lautes Jagt-Geschrey / Gebell / und andres Getümmel / nicht anders / als ob man / in vollem Hetzen / begriffen wäre. Und solcher Jagt-Lärm wärete schier / meines Erinnerns / eine halbe Stunde; schallete bald lauter / bald gelinder / oder leiser / bald näher / bald weiter: biß er sich endlich gar tieff / in den Wald hinein zu ziehen / und zu verlieren / schien. Ob es hernach / da ich allbereit schlieff / nicht wieder angefangen zu jagen / kann ich nicht wissen.

Deß Morgens berichtete uns der Wirth / daß es /um den Neu-Mond / (der damals eben im An- und Eintritt war) allezeit sich also hören liesse.

Diesem nach glaube ich / seit dem / um so viel leichter / was der Theologus, Doctor Müller / in seinem Informatorio, gedenckt / daß ein Fürstlich-Mecklenburgischer[530] Secretar ihm erzehlt habe / er hette sich einsmals / im Walde / dergestalt verirrt /daß ihn die Nacht daselbst befallen / und sich / bald hernach / ein grosses grauerisches Geräusch und erschreckliches Getümmel / als gleichsam einer starcken Jagt / von weitem hören lassen: weßwegen er eilends abgestiegen / sein Pferd an einen Baum gebunden / unter dem nechst dabeystehendem sich auf die Erde gelegt / und in seinen Reis-Mantel gewickelt: Da dann endlich das (so genannte) wütende Heer näher gekommen / mit einem entsetzlichem Jagt-Getös / Gehetze und Geheul / hart neben ihm vorbey getrabt /ohn einige Berühr- oder Verletzung seiner Person.

Zu Tours in Franckreich / spricht man / König Hugo reite deß Nachts herum / und schmiere diejenige / so ihm begegnen / tapffer ab. Ich vermute / es sey / vor Alters / gleichfalls daselbst der Jag-Teufel / oder das Wütende Heer / bey Nacht-Zeit / umher geritten / und / nachdem solches / mit der Zeit / aufgehört /hernach ein Kinder-Mährlein draus gemacht worden /womit man die Kinder im Zaum gehalten. Nach welchem Gespenst / nemlich deß Hugonis, man die Hugenotten (oder Reformirten in Franckreich) endlich benamset hat: Massen solches dieser Bericht Thuani bezeugt:

Wie / in jedweden Städten / der Gebrauch / daß man die Kinder / und einfältige Weiblein / mit allerley ertichteten Abentheuren / Gespenstern / und Polter-Geistern / schreckt: also spricht man / zu Tours, daselbst reite König Hugo, zu Nachts / um die Stadt-Mauren / schlage die Leute / so ihm begegnen /[531] oder raffe sie gar hinweg. Solchen Namen hat man hernach / von solchem Gespenste / den Reformirten in Franckreich angehenckt / und Hugenotten benamst: weil sie gleichfalls / bey Nacht / zur Predigt / und zum Gebet /sich versammleten; indem sie es / bey Tage / nicht durfften wagen.1

Wiewol / von dem Ursprung solches Namens der Hugenotten / unterschiedlich geschrieben wird. Denn Etliche geben aus / das Wort Huguenots (oder Hugenotten) sey daher entsprossen / daß sie sich deß Königs / und Königlichen Geblüts / von Hugone Capeto her / angenommen / und solches defendirt haben. Andre sprechen; als die Faction zu Amboise gestillet /oder vielmehr / im Jahr 1559 offenbart worden / da habe ein junger Teutscher / damals gefangener / Edelmann / nachdem ihn der Cardinal von Lothringen vor sich bringen lassen / und wegen der Conspiration befragt / in Lateinischer Sprach geantwortet: Huc nos, Serenissime Princeps, advenimus etc. Welches die ungelehrte Frantzosen dahin verstanden / als ob er sich einen Hugenotten genennt hette. Solcher Mißverstand ist zwar wol zu glauben; angemerckt / ums Jahr 1581 / in Franckreich / über sechs und dreyssig tausend Personen / unter den Geistlichen / so Aemter gehabt / gewesen / deren kaum 150 recht haben Latein reden können; wann anderst dem Verfasser deß alten Büchleins / so le Cabinet du Roy de Françe titulirt und Anno 1581 in Octav gedruckt worden / hierinn sicher genug zu trauen. Allein woferrn[532] sichs / mit besagtem Mißverstande / also verhält; erfolgt daraus vielmehr der Schluß / daß selbiger die rechte Wurtzel deß Namens Huguenot nicht seyn könne. Denn weil die ungestudirte Frantzosen diese beyde einsylbige Worte Huc nos etc. für Huguenot aufgenommen; so muß nothwendig das Wort Huguenot allbereit zuvor bekandt gewest seyn.

Martinus Crusius will diesen Namen / von obgemeldtem Hugone Capeto, herführen; doch / durch einen andren Weg: nemlich / weil die Reformirte beschuldigt worden / als ob sie / von ihrem Könige abgefallen; wie Hugo gethan.

Wiederum ziehen Andre diesen Namen her / von Johann Hussen; aber / wie mich dunckt / gantz irrig: denn der Nam Huß / und Huguenot stimmen / im Laut / wenig überein.

Viel einen bessern Schein hat es / was Gerlachius, in seinem Türckischem Tag-Buche / aus dem Bericht eines Frantzösischen Mahlers / erzehlt; nemlich der Hugenotten Nam komme her / von einem alten Hause oder Geschlecht: Dann es sey / in einer Stadt / da der König / eine Zeitlang / Hof gehalten / ein Thurn gestanden / darein die von der Religion (das ist / die Reformirten) mit guter Wissenschafft und Zusehen der Hof-Diener / zusammen gekommen / und ihren Gottesdienst verrichtet: Selbiges Haus / Thurn / und Geschlecht / habe deß Hugis Haus geheissen; daher man sie hernach die Hugenotten genannt.2[533]

Dieses ist etlicher Massen verwandt / mit der Ursach / welche Chytræus, in seiner Sächsischen Chronic / davon anziehet; da er schreibt: Der Hugenotten Nam soll / wie man sagt / im Jahr 1561 erstlich / in Franckreich / zu Tours an der Lovre, aufkommen seyn: da die Leute / so der reformirten Religion anhängig gewest / bey S. Hugons Pforten sich versammlet und zusammen kommen / und daher / von den Bürgern / Hugenotten seynd genennet worden.3

Unter solcher Manchfaltigkeit der Ableitung dieses Namens / führet die allererste und diese letztere / in meinen Augen / den Preis. Ja ich halte gäntzlich dafür / daß beyde / an seinem Ursprunge / auf gewisse Art /Theil haben. Die allererste Quelle zwar scheint diese zu seyn / so Chytræus angezeigt; nemlich die Zusammenkunfft bey S. Hugons Pforten / in einem Hause /welches hernach / wegen solcher nahen Pforten / von Andren / für ein Haus oder Thurn Hugonis, ausgegeben worden. Weil aber die Römisch-Catholische solchen / von besagter Pforten urspringlich also genannten / Hugenotten Spinnen-feind gewest; haben sie vielleicht / aus verbittertem Eyfer / hernach / mit der Zeit / eine andre Erklährung darüber gemacht / nemlich daß der Nam Hugenott / von dem Gespenst deß Königs Hugonis, herkäme / und nachmals die Reformirten / in solchem Verstande / auch Hugenotten genannt. Gestaltsam auch Camerarius deßwegen diesen Namen von solchem[534] Gespenst herleitet / wann er schreibt / Hugenot (oder vielmehr Hugo) sey ein Gespenst / so sich / zu Orliens, bey Nacht / sehen lasse: daher / wie man vermeyne / die Hugenotten ihren Namen haben sollen. Wiewol Thuanus, für Orliens, Tours setzet.

So muß derhalben / in den alten Zeiten / ein gewisses Gespenst / in Gestalt Hugonis, einige Jahre nacheinander / etwan gejagt / endlich aber sich verlohren haben. Weßwegen die Nach-Zeit / in Franckreich / es für ein Mährlein aufgenommen / und zum Kinder-Schrecken gebraucht. Woferrn sonst nicht diese Meynung / so ich / vors allerletzte / aus einem Frantzösischem Scribenten / erzehlen will / alle die vorhergesetzte überwindet. In der Stadt Genf / ist vormals eine gewisse Religions-Genossenschafft entstanden / welche sich wiederum / im Jahr 1536 / in zweyerley Hauffen oder Secten / zerspaltet; davon man eine die Eignots / und die andre Mammelus geheissen. Aber diese letzte wurden endlich / von jenen / zu Grunde gerichtet / und ausgerottet / also / daß damals die Eignots den Platz allein behielten. Und diese überbleibende waren alle / zu der Zeit / der Römisch-Catholischen Religion beypflichtig. Nachdem aber folgends die Stadt Genf / mit der Stadt Bern / in Bündniß /und gutes Vernehmen / sich begeben; rissen die Religions-Strittigkeiten und Verwirrungen / daselbst gleichfalls ein / und zerrissen die Eigenots zu Genf wiederum in zwey Theile: Eines bestund in Römisch-Catholischen; das andre / in reformirten Protestanten. Welche letztere Parthey / von Jahren zu[535] Jahren / zunahm über die Catholische den Meister spielte / selbige gar zur Stadt hinaus schlug / und verjagte: also /daß die Eignots (welche nunmehr reformirter Religion waren) zu Genf allein blieben / und ein grosser Theil derselben der Zwinglischen Lehr beystimmte / wie gelichfalls ihre Bundsverwandte / die von Bern. Weßwegen man / nachdem die Reformirten in Franckreich der Genfer Kirchen-Ordnung und Disciplin angenommen / dieselbe Hugenots (da sie zuvor Lutheraner genannt wurden) benamste / und also den vorigen Namen Eignots / der so viel / als Eyd-Genoß / oder Bunds-Genoß bedeutete / mit der Zeit in den Namen Huguenots verwandelt hat.4

Allein es will mir nich allerdings zu Sinne / daß der Name Hugenot, von Eignot, sollte entsprungen / oder so viel / als Eignot, gesagt seyn: angemerckt / Eignot, und Huguenot unterschiedlich lauten / auch Thuanus, ohne Zweifel / hierinn mehr Glaubens / als einig andrer Scribent / verdient / und ohne Zweifel die gründliche Nachricht hievon gehabt / als ein fürnehmer und hochgelehrter Præsident deß Parlements. Jedoch glaube ich / der Nam Eignot habe einigen Anlaß / zu dem Spott-Namen Hugenot, gegeben: ob gleich die Römisch-Gesinnte die Wörter Hugenot, und Eignot, an sich selbst nicht für einerley genommen. Denn es kann seyn / daß man die / so da eigendlich zuvor Eignots hiessen / endlich / nachdem sie / aus[536] Furcht /ihren Gottesdienst und Zusammenkunfft / bey Nacht /angestellt / per paranomasiam, durch eine schimpfliche Vernennung und Wort-Verdrehung / an stat Eignots, Hugenots genannt / nach dem entweder ehedessen warhafftig / oder dem Kinder-Geticht und Mährlein nach ertichteter Massen / herumstreinendem Gespenste Königs Hugonis.

Wir lassen aber diese strittige Mutmassung fahren /und schreiten zu einer andern unstrittigern Geschicht.

Nachdem / zwischen Könige Heinrich / dem Vierdten / und dem Könige in Spannien / der Friede getroffen; suchte Jener (Heinrich der Grosse nemlich) allerley Ergetzungen / und unter Andren die Jagt-Lust. Darinn er aber bißweilen der Sachen zu viel that / und die Masse zu weit überschritte / biß ihn endlich diese Abentheuer begegnete.

Er hatte eins Mals / in dem Forst bey Fontainebleau, eine Jagt angestellt; als er einen Hauffen Hunde bellen / auch dabey das Jäger-Horn schallen /viel Leute ruffen und schreyen hörte / allerdings wie es zugeht / wenn man dem aufgetriebenem Wilde nachsetzt. Solches lautete zwar anfangs / als obs noch ziemlich ferrn / und ungefähr eine halbe Frantzösische Meile weit / von ihm wäre: es kam aber / in einer Minuten / gar nahe.

Diß begunnte ihn zu verdriessen / daß sich Jemand erkühnen dörffte / ihm seine Lust zu zerstöhren / in einer solchen Gegend / die den Königen[537] in Franckreich allein / zu ihrer Ergetzlichkeit / vorbehalten wird: schickte derhalben den Grafen von Soisson hin /nebenst etlichen Andren; um solche kühne Jäger aufzusuchen. Derselbe reitet / mit seinen Gefährten / fort / kann aber nichts antreffen. Sie hören zwar Alle das Geschrey und das Getöß; bekommen aber weder Menschen / noch Hunde / ins Gesicht; können auch keinen gewissen Ort finden / da das Gehetz sich hören lässt.

Nachdem sie also eine Weile hierum vergeblich bemüht gewest / tritt / aus dicken und finstern Hecken /ein langer schwartzer Mann hervor / und redet sie an.

Was er sagte / kunnten sie / vor Bestürtzung /so gar eingendlich nicht verstehen. Etlichen daugte / als ob er spräche: M'attendez vous? Wartet ihr auf mich? Etlichen / als sagte er: M'entendez vous? Versteht ihr mich? oder wisse ihr / wer ich sey? und was ich hiemit sagen wolle? Andren aber kam es /und zwar fast am glaublichstem / vor / als spräche er: Amendez vous! Bessert euch!

Weil / nach solcher redenden Stimme / das Gespenst gleich verschwand; fanden sie nicht rahtsam /weiter fort zu reiten. Nachmals befragte man die Schäfer / Köhler / und andre Arbeits-Leute / welche sich / in diesem Walde / gemeinlich aufhielten; und vernahm / von ihnen / so viel Berichts / daß sie offt einen schwartzen Mann gesehn / der mit Hunden aufgezogen käme / gleich ob er jagen wollte / doch ihnen gleichwol kein Leid thäte;[538] und / von ihnen / der grosse / oder lange Jäger genannt würde.

Der Frantzösische Erzehler dieser Geschicht / de Serres, vermeynt / solche Geister und Gespenster erscheinen bißweilen auf Göttliche Zulassung / darum /damit die Leute mercken mögen / daß die ewige Providentz sie nicht unversehns überfalle; sondern vorher warne; insonderheit aber / durch diß Gespenst / den König Heinrich erinnern wollen / sich also zu erlustiren / daß er unterdessen nicht vergässe / seine Unterthanen / bey ihrem Recht zu schützen / Gericht und Gerechtigkeit zu handhaben.5

Nun ist nicht ohn / daß GOTT dergleichen gespenstische Erscheinungen freylich denen / die wenig an Ihn / und nur an Lust und Uppigkeit / gedencken zu mehrer Uberzeugung ihrer unchristischen Ruchlosigkeit / wol mag begegnen lassen: aber diejenige / so den Warnungen Göttliches Worts und seiner Lehrer das Ohr verschliessen / werden schwerlich / durch deß Teufels Erscheinen und Zusprechen / sich bekehren. Und besorge ich / die Erscheinung dieses Gespenstes habe vermutlich dem Könige nicht viel Gutes / bedeutet; sondern die Herbey-Nahung seines traurigen Mord-Endes / durch den Meuchel-Mörder Ravaillac. Denn als Bruto, und Cassio Severo von Parma, ein schwartzer Kerl erschienen / seynd sie bald darauf ums Leben gekommen.

So schreibt man auch / dem Bischoff Brunoni sey gleichfalls / auf der Donau / ein Mor erschienen / als er Abends darauf / bey Einbrechung[539] deß Saals / darinn er sich / mit dem Keyser / befand / todt geblieben.

Es wollen auch Etliche / eben diesem Könige /Heinrich dem Vierdten / sey / kurtz vor seiner Ermordung / ein Mann vors Bette getreten / mit einem brennendem Licht / welcher ihm gedrauet / und also gewarnet: Wirst du nicht Busse thun / so soll dein Leben / mit Allernechstem / ausgelescht werden /wie ich diß Licht lesche! Welches er zugleich umgekehrt / und ausgethan.

Es ist zwar dieser Herr / von Natur / großmütig /gnädig / gütig und freundlich / aber dabey der Welt-Lust gar zu anhängig / und eben damals auch / in einem weit- und hochaussehendem Anschlage / begriffen gewest / der dem Römischen Reich / zu grossem Nachtheil und Unruhe hette gereichen sollen. Aber den Faden solches Gewircks (oder Anschlags) hat das meuchelmördliche Messer abgeschnitten / ehe denn er völlig ausgewirckt.

Zu deß Griechischen Keysers Isaacii Comneni Ablegung deß Regiments / soll / wie Zonaras, aus dem Thracesio, berichtet / ein Gespenst Ursach gegeben haben / auf diese Weise. Der Keyser war / auf das Jagen / sehr erhitzt: Aber einsmals stieß ihm ein wilder Hauer (oder wild Schwein) grausams Anblicks auf: dem er / zu Pferde / in vollem Sporn / nachsetzte. Aber der Bogger stürtzte sich ins Meer / und verschwand plötzlich. Hingegen fuhr ein Glantz oder Strahl / wie ein Blitz / den Keyser vorbey: davon er /vor[540] Schrecken / vom Pferde fiel / auch eine Weile /wie erstaunt / auf der Erden ligen blieb / und mit dem Munde sehr schäumete. Die Meisten hielten dafür / es wäre kein natürlicher Bogger / sondern ein Gespenst /gewest. Endlich hat man ihn / in einem Fischer-Nachen / nach seiner Burg / geführt. Da er eine Zeitlang kranck gelegen / und / in Meynung / er würde nicht wieder aufkommen / das Haar abscheeren lassen / solchem nach das Regiment verlassen / und in ein Kloster gegangen: darinn er auch / nach wiedererlangter Gesundheit / die übrige Lebens-Zeit zugebracht.6

Von einem vormaligen Marchgrafen zu Brandenburg / schreibt man / daß er der Jagt allzusehr nachgejagt / und mehr einen Jägermeister / als Regenten /abgegeben. Als er aber eins Mals einem wilden Schwein sehr inständig und eyfrig nachgeeilt; hab er sich drüber / in dem Walde / verirrt / also / daß seine Jagtleute und Diener ihn verlohrn / und er / deß Nachts über / in der Wildniß / sein Quartier nehmen müssen. Je weiter er geritten / je finsterer ist es ihm /vor den Augen / worden. Weil nun / im Finstern /zumal in einem Walde / übel fortzukommen / und man leicht / mit dem Pferde / stürtzet; dabey dann weder Arm noch Bein / ja so gar der Hals selbst / für dem Bruch versichert seynd: hat er sich müssen gefallen lassen / abzusteigen / und unter einem Baum niderzusitzen.[541]

Wie grauerisch bey solcher Entfernung von allen Menschen / einem solchen Herrn / der mit vierlen Menschen umgeben / und von ihnen bedient zu seyn /gewohnt war / vorgekommen / zumal bey der häßlich-schwartzen und unleutseligen Nacht / fällt leicht zu ermessen. Noch gleichwol hette dieser Herr damals lieber mit Einsamkeit vorlieb genommen / als sich /von einer höchst-verdrießlichen und unmenschlichen Gesellschafft / beschreckt gewusst. Denn es ist nicht lange angestanden / da hat der höllische Nach-Affer /der Teufel / vor seinen Ohren / gleichfalls ein Jagt-Gehetz angestellt / und ist er / von Allerley teufflischen Gespenstern / grausamlich angefochten und geplagt worden: darum daß er die arme Unterthanen /mit seiner unmässigen Jägerey / gar zu unbarmhertziglich mit genommen / und zu Schaden gebracht. Daher er dann daselbst ein ziemliches Schweiß-Bad ausstehen / und lernen müssen / daß Fürsten und Herren / wann sie in ihrem Beruff stehn / auch solchem hohen Beruff gemäß wandlen / als göttliche Stathalter / vom Satan gescheuet / und gefürchtet werden; wann sie aber solchen ihren obrigkeitlichen Stand / mit Uppigkeit / Ruchlosigkeit / und Bedruckung der Unterthanen / überschreiten / alsdann sie hingegen den Satan / und seine Anfechtungen zu scheuen haben. Denn wie zwar die Jagt an sich selbsten einem Regenten nicht verboten / noch seinen Stand auffhebt / oder umstosst: also ist dennoch eine so übermachte Jagt /welche der Regierung Abbruch / und den Unterthanen Schaden thut / unfürstlich / und keinem obrigkeitlichem Stande zu- oder anständig. Daher dann auch nicht zu verwundern /[542] daß der Teufel / wann er solche Herren antrifft / die gar zu offt im Forst herum reiten /und sich / durch Verirrung dann ein Mal allein antreffen lassen (wiewol vermutlich der Teufel selbst diesen Marchgrafen unvermerckter Weise / in die Irre / verführt hat) alsdann nicht / wie Regenten und deß Himmels Anwalten / sondern wie deß Himmels Rebellen /betrachtet / und wie ruchlose Leute tractirt.

Darum hat auch dieser Fürst / nachdem er solche Jäger / und Schreck-Geister um sich gehabt / solchen Nacht-Schweiß / Tribulirung / Angst / und Schrecken / ihm zu einer guten Correction dienen / durch selbige sich zur Besserung bewegen / und die / in diesem Angst-Bade ausgeschwitzte / Jagt-Sucht hinfort nicht mehr so einnehmen lassen.

O wie heilsamlich würden manche grosse Herren nicht allein ihrem Lande / und fürstlichem Hause /sondern auch ihrer / mit so vielen Netzen gefährten /Seelen / vorstehen / wann sie / aus solchen Beyspielen / die Betrachtung ziehen mögten / unter was für eine Angst-Presse diejenige Herren / nach diesem Leben /verfallen müssen / welche / in diesem Leben / ihren Unterthanen / durch stetige Pressuren / das Leben so mühselig und bitter / wie den Tod / machen! Können die Gespenster anjetzo / da sie noch / mit beschränckter Macht / den Menschen nur anfechten / dannoch auff GOttes gemessene Zulassung / einem übel regierendem Herrn solchen Schweiß austreiben; was wird ihm dort nicht für Bangigkeit das Hertz beklopffen /wann alle die gesetzte Schrancken weggenommen /und der böse Geist völligen Gewalt über ihn erlangt hat![543]

Weil dann / auff der Jagt / sich leicht ein Unglück begeben kann / und indem der Mensch dem Wilde nachsetzt / der Satan hingegen dem Menschen nachjagt / sonderlich aber denen grossen Herren daselbst gern nachschleicht / wann sie von dem Hauffen sich zu weit absondern / und entweder / durch Gefahr von einem schädlichen Thier / oder auch wol durch ein Gespenst / sie manches Mal / zumal diejenige / so den Forst öffters / als die Gerichts- und Regiments-Stuben / besuchen / erschreckt: hat man bey dem Jagen / billig diese Ermahnung Scherertzii, zu beobachten: Ejusmodi exercitia cum pietate, sine pauperum oppressione, & proximi damno, fiant: ne, dum creaturas alias capere volunt, à diabolo venatores capiantur: Solche Ubungen müssen / mit Gottesfurcht /ohne Druckung der Armut / und Schaden deß Nechsten / geschehen: damit die Jäger / indem sie andre Kreaturen wollen fahen / nicht selbst / vom Teufel / gefangen werden.7

Fußnoten

1 Thuanus lib. 24. Histor. p.m. 1104.


2 Gerlach im Türckischen Tagbuch / am 308 Bl.


3 David Chytræus, im II Theil der Sächsischen Chronic am 147 Blat / beym Jahr 1561.


4 Spon. t.T. vie du Mareschall Tavannes le Labour. Addit aux Memoires de Casteln.


5 De Serres in Henrico IV. fol. 749.


6 Zonaras Tom. 3. Annal. fol. m. 128. a.


7 Scherertz. de Spectris, c. 1. Num. 6.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 526-544.
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