LIX.


Der schädliche Jäger-Blick.

[544] Daß der Basilisk / aus seinen ertz-gifftigen Augen /tödtliche Strahlen schiesse / und diejenige / welche von ihm angeblickt worden / sterben müssen / wird /schon lange / unter die Getichte gesetzt; wiewol die würckliche Erzeugung eines Basilisken / vor unlanger Zeit / von Etlichen wiederum hat wollen behauptet werden. Ich übergebe solches den Natur-Kündigern /zu mehrer Untersuchung: und stelle aber allhie dem Leser einen andren Basilisken vor / nemlich den alten Drachen / der das menschliche Geschlecht / mit dem Sünden-Gifft / verderbt hat. Derselbe kann auch wol /durch blosses Ansehn seiner häßlichen Erscheinung /einen Menschen an seinen Sinnen / und Verstande /und an der Leibes-Gesundheit / tödtlich gefähren. Mancher / der ihn / in irgend einer angenommenen Gestalt / erblickt / nimt von solchem Schrecken / den Tod / oder verliert seine Vernunfft. Aus vielen Geschichten / die solches bezeugen / soll anjetzo eine neuliche erzehlt werden.

Um Martini 1684sten Jahrs / geht ein neunjähriger Knabe / und Wäise / Namens Peter Winckler / nachdem er seinen Groß-Vatern um Erlaubniß gebeten /von dem Dorff Urspring / so auff dem Ulmer-Bodem ligt / gantz allein / nach dem Dorff Ballendorff / da er geboren; zweiffels[545] ohn seine Verwandten daselbst zu besuchen / und ergetzt sich daselbst mit spielen. Nachdem er seine Freud und Lust allda gebüst / und wieder heim / zu seinem Großvatter / kehren will; verfehlt er deß Wegs / und geht in einem dicken weit-reichendem Walde / etliche Stunden / irre.

Da erblickt er unversehns einen Jäger / welcher einem Hirschen nachsetzt / der mit rücklings-geworffenem Gewigte vor ihm / und seinem Birsch-Rohr /flohe. Derselbe vermeynte Jäger / schoß bald darauf nach dem Wilde / und fällete dasselbe / nicht ohn erschreckliches Krachen / zu Bodem; ergriff auch selbiges / indem der Knabe noch zu gegen / bey den Füssen / schleppte es ins Gepüsche / und verbarg es in den Hecken. Hernach kam er / aus den Hecken / samt seinem / an der Hand leitendem / Hunde / wiederum hervor / ging auf den Knaben zu / und fragte ihn / ob er nicht Lust hette / nechster Tagen / wiederum bey ihm auf / der Jagt / zu seyn?

Für solcher entsetzlichen / verfluchten / und unverhofften Gesellschafft / erschrickt der Knabe / als welcher den Hirschen / den Hirsch-fällenden Jäger / und Jagt-Hund ihm selbsten mit sehr tieffem Nachdencken vorstellete und einbildete: derhalben wird ihm angst und bange / also / daß er erschrecklich anhebt zu schreyen / und endlich in tieffster Bestürtzung / nach dem er die Landstrasse wieder gefunden / heimkommt: Da er den Seinigen / zittrend und bebend /klagt / was ihm sey begegnet / und acht Tage lang gantz zerrüttet und bestürtzt bleibt.

Nach Verfliessung solcher acht Tagen / brach das Ubel / so von solchem Gesicht und Schrecken[546] bey ihm angesetzt / endlich recht aus: denn er verlohr die Sprache / bekam Convulsionem, sperrte und verdrehete das Maul gantz wunderlich / warff und erschütterte den gantzen Leib hin und wieder / machte ein trutziges / verkehrtes grausames Gesicht / gefährliche Augen und drohende Blicke / samt abscheulichen und entsetzlichen Geberden. Wobey auch allerhand Züfalle sich eräugneten. Solcher Gestalt ward er gantzer zween Monaten / mit grosser Bestürtzung aller Umstehenden / gequält / und wollten die / von einem benachbartem Medico verordnete / Artzneyen / nicht helffen. Darum brachten der Pfarrherr zu Urspring /welcher ihm / mit geistlichen Mitteln getreulich beystund / und der Pfleger zu Ballendorff / diesen kläglichen Fall bey dem Raht der Stadt Ulm an / und ersuchten denselben um Hülffe. Worauff der Knabe / in das gemeine Spittal daselbst genommen / und der Kur Doctoris Eberhardi Gockelii untergeben worden. Welcher erkannt / daß solches deß Knaben Ubel / urspringlich / von einem gespenstischem Larven-Gesicht / herrührete / jedoch hernach natürliche Ursachen / die er / in der hierüber gedruckten Observation1 gar vernünfftig erörtert / dazu gefallen. Weßwegen er ihm allerhand Medicamenten dawider geordnet / und dadurch / nechst Göttlicher Hülffe / die Gesundheit so wol der Vernunfft / als deß Leibes / ungefähr nach anderthalb Monaten / wieder zuwegen gebracht.

Daß aber solcher Jäger unnatürlich / und der leidige Teufel gewest seyn müsse / gaben nicht[547] allein die ungemeine Bestürtzung / Angst / und drauff erfolgende Zufälle deß Knabens / gnugsam zu mercken: sondern man kunnte es auch hieraus ohnedem leicht schliessen / daß man damals / weder von einigem Jäger / noch erlegtem Hirschen / das geringste vernommen / oder in Erfahrung ziehen können.

Es steht aber dahin / ob nicht etwan der Knabe / als er bey den Verwandten gewest / und mit seines Gleichen vielleicht Büberey getrieben / auch nicht etwan dabey geflucht und geschworen: Massen man solches / in diesen Jahren / von der übel-gezogenen und ruchlos-auffwachsenden Jugend / nur leider! allzuviel /und überall / höret. Welche schlimme und böse Kinderzucht der von GOtt verhengten Macht deß Satans den Zügel um kein Geringes erweitert / und besorglich / neben andren Ursachen / den gerechten GOtt bewegt / fast alle Bäume zu Ruten über uns zu machen.

Fußnoten

1 Quæ inter Anni 4ti. Decad. 4. Observationes Observatio 27 est.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 544-548.
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