LXIX.


Der hofmeistrende Geist.

[656] Viel Menschen leben unmenschlich und viehisch /und erheben ihr Hertz so wenig zum Himmel empor /als wie eine Mast-Sau ihren Kopff / zu dem Gestirn /aufrichtet. Um solche epicurische Säue / oder Säuisch-genaturte Leute / die wenig nach GOtt fragen /bekümmern sich die Engel GOttes auch wenig / und äussern ihrer Gesellschafft sich gar weit. Hingegen stifften die bösen Geister / mit so irdisch-gesinnten und ungöttlichen Gemütern / nur allzu gern eine (wiewol ungetreue) Vertraulichkeit. Dannenhero schreibt der gelehrte Bodinus gar nicht fein / noch christ-vernünfftig; Ihn beduncke / es können sothane Leute /auf keinerley Weise / weder mit bösen / noch guten Geistern / in Gesellschafft kommen; weil / zwischen solchen zweyfüssigen Säuen / und den Geistern / als derer Substantz unleiblich und gantz geistlich ist / ein gar zu grosser Unterscheid sey. Denn die leidige Erfahrung widerlegt es / und stellet / leider! tägliche Beweisthümer dar / daß die böse Engel / als unreine Geister / ein unreines Hertz für ihr bestes und liebstes Quartier halten.

Er führt zwar an den Spruch Jamblichi, die Seele eines Menschens / der seine Gedancken auf was Böses wendet / und sich darinn freywillig bemühet /verarte sich / in eine teuflische Natur; anfangs zwar mit stummer / nachmals aber mit[657] ausdrücklicher Bewilligung und Vergleich: allein damit widerspricht er ihm selbsten / und bekräfftigt / daß viehische Leute /die ja auch unter denen bösen sind / mit bösen Geistern / in Gemeinschafft treten / und diese sich zu jenen gesellen.

Er sagt hernach weiter: Wer sich hingegen deß Guten befleisst / sein Gemüt zu GOTT / und zur Tugend erhöht / und seine / durch GOttes Gnade gereinigte / Seele / erstlich auf die sittliche (oder Gemüts-) Tugenden / alsdann auch folgends auf die geistliche /legt / der könne vielleicht / mit einem Engel GOttes /eine solche Gesell- und Kameradschafft gewinnen /durch welche er bewahrt und erhalten / auch desselben Gegenwart empfinden / und solche Sachen / so ihm derselbe gebeut / oder verbeut / erkennen werde.

Dieses aber (spricht er) widerfahre sehr Wenigen /auch nur aus sonderbarer Gnade und Wolthätigkeit GOttes. Welches Averroes die Erlangung deß Verstandes genannt / und darein die grösseste Glückseligkeit aller Menschen gestellt. Er / der Bodinus, setzt hiernechst dazu das Exempel Socratis, welcher /beym Platone rühmt / er geniesse dieser Göttlichen Glückseligkeit / daß ihm ein gewisser Geist beystehe /so ihm / von Kindheit auf / überall sey nachgefolgt.

Weiter bemühet sich dieser gelehrte Frantzos solches / durch unterschiedliche Exempel H. Schrifft /und endlich / mit diesem denckwürdigem Beyspiel /zu vergewissern.[658]

Er hat / wie er schreibt / von einem Menschen /welcher dazumal / als er seine Dæmonomaniam, geschrieben / nemlich 1579 / und 80 / noch gelebt / vernommen / derselbe hette einen Geist zum beharrlichen Gefährten: welchen er damals allererst kennen gelernt / als er sieben und dreyssig Jahre alt war. Denn wiewol / seiner Meynung nach / derselbige Geist / die gantze Zeit seines Lebens / um ihn gewest: Massen er solches gemutmasset / so wol aus den vorher gehabten Träumen / als Gesichtern / wodurch er gewarnet worden / für gewissen Lastern / und Fährlichkeiten sich zu hüten: so hette er ihn dennoch niemals zuvor so vollkömmlich gemerckt / als wie / von gemeldtem 37sten Jahr seines Alters an. Solches aber ist ihm /seinem Bericht nach / widerfahren / nachdem er zuvor nicht aufgehört / ein gantzes Jahr durch / GOTT von Hertzen / Abends und Morgens / anzuruffen / daß Er einen guten Engel senden wollte / der ihn / in allem seinem Thun und Fürnehmen / führen und leiten mögte: Vor- und nach solchem Gebet aber / hette er eine bestimmte Zeit / zur Betrachtung Göttlicher Wercke / angewendet / bißweilen zwo oder drey Stunden gesessen bey der Bibel / dieselbe / mit ernstlicher Aufmerckung / und Andacht / gelesen / und in seinem Geist geforschet / ob er daraus ergreiffen mögte / welche dann / unter allen strittigen Religionen / doch die rechte wäre / und mit der Warheit übereinträffe. Dabey er dann nicht selten diese / aus dem 143 Psalm genommene / Verse gesprochen:
[659]

Me, Deus, informa quæ sit tua sancta voluntas,

Morigerasque manus præsta, gressusque sequaces:

Namque eris ecce Deus semper mihi: tramite recto

Spiritus ille tuus, divinaq; virgula ducat!


GOtt lehre mich / sey an der Seiten!

Und zeig mir deinen Willen an:

Laß deinen Geist / und Stab / mich leiten /

Mein GOtt! auf einer ebnen Bahn!


Er sagte / daß er die Weise derjenigen gar nicht loben könne / die GOTT bitten / daß Er sie / in ihrer vorgefassten Meynung / wollte erhalten: Nachdem er also immerzu / mit solchem Gebet / und Lesung heiliger Schrifft / angehalten / hette er / beym Philone, dem Hebrœer / im Buch von den Opffern / gefunden / es könnte ein guter / frommer / vollkomner / und von GOTT gereinigter / Mensch / GOTT dem HErrn kein grössers / noch angenehmers Opffer thun / als so er sich selbsten dem HErrn opfferte: Solchem Raht folgend / habe er GOtt seine Seel aufgeopffert.

Von der Zeit an / seynd ihm (wie er sagte) Träume und Gesichte voll Belehrungen gegeben / bald diesen / bald jenen Fehler zu corrigiren / bald einiger Gefahr vorzubeugen / bald diesen bald jenen schweren Knoten / so wol in göttlich- als menschlichen Dingen /aufzulösen / oder aus einer Beschwerlichkeit sich heraus zu wickeln. Unter andren / habe ihn gedunckt / als hörte er / im Schlaffe / GOttes Stimme / welche zu ihm spräche: Ich[660] will deine Seel erhalten: Ich bin der welcher dir erschienen.

Nachmals klopffte der Geist / alle Morgen / von drey oder vier Uhren / an seine Thür. Wann er dann aufstund / und die Thür aufthat / sahe er niemanden. Der Geist aber fuhr fort / solches jede Morgen zu thun / und weckte ihn / wann er nicht aufstund. Deßwegen begunnte er sich endlich / zu fürchten / und gedachte /es wäre ein böser Geist; ließ derhalben nicht ab /GOtt aneinander bitten. / Er wollte seinen guten Engel senden; sang auch offtmals die Psalmen / welche er schier auswendig kunnte.

Hierauf offenbarte sich ihm der Geist / als wachte /und klopffte nur leise an. Selbigen Tags / vernahm /und hörte er gar eigendlich / daß der Geist / zum offtern / ein Glas anrührte: darfür ihn keine geringe Entsetzung ankam. Als er nach zweyen Tagen / seinen guten Freund / einen Königlichen Secretar / (der gleichfalls Anno 1580 noch am Leben war / als Bodinus diß Buch drucken ließ) mit einer Mahlzeit / zu Mittage / bewirthete: klopffte der Geist an die nechst /bey dem Gast / stehende / Banck: worüber derselbe sich errötete / und zu fürchten begunnte; er aber ihm hernach / sagend: Erschreckt nicht! Ihr habt deßwegen nichts zu fürchten! Und damit er ihm die Furcht desto besser möchte aus dem Sinn bringen / erzehlte er ihm die wahre Beschaffenheit.

Von selbiger Zeit an / ist der Geist allezeit um ihn gewest / und er / von demselben / durch ein kindliches Zeichen / erinnert und abgemahnt /[661] Und ###damit er ihm die Furcht desto besser möchte aus dem Sinn bringen, erzehlte#### er ihm die wahre Beschaffenheit. oder angefrischet worden. That er was Ungeschickts / oder Unrechts / gab ihm der Geist einen gelinden Streich ans rechte Ohr; widrigen Verhaltens aber / ans lincke. So Einer kam / ihn zu betriegen /oder zu hintergehen / empfand er den Streich am rechten Ohr: Daferrn aber ein redlicher Mann / der es gut mit ihm meynte / und ihm was Gutes zu erweisen gewillet / ihn besuchen wollte / fühlte er den sanfften Schlag / am lincken Ohr. Wann er was Böses (oder Ungesundes) essen / oder trincken wollte; ward ihm ein Zeichen gegeben / so wol / als wann er zweifelte /oder säumte / etwas fürzunehmen. Gedachte oder setzte er sich was Ubels vor / ward er / durch ein Zeichen / davon abgekehrt. Hub er unterweilen an / GOtt mit Psalmen zu loben / oder von seinen Wunderwercken zu reden; fühlte er sich / durch eine geistliche Krafft / darinn gestärckt und bestetigt seyn. Und damit er die eingegebene Träume / von den Phantaseyen / könnte unterscheiden / die von ungesundem Geblüt / oder Zerrüttung und Verwirrung deß Gemüts / zu entstehn pflegen / pflag ihn der Geist um die zweyte oder dritte Stunde zu wecken: Und nachdem er darauf wieder eingeschlaffen / alsdann ward ihm /durch warhaffte / Träume / angezeigt / was er von dem / darüber er in Zweifel stund / gläuben / oder thun sollte / oder was ihm vorstossen würde: also gar / daß / von selbiger Zeit hero / ihm fast nichts begegnet ist / so ihm nicht vorher angedeutet worden; auch nichts für glubwürdig geachtet / dessen er nicht vorher wäre erinnert worden.[662]

Er bat zwar GOtt täglich / daß Er ihn wollte seinen Willen / Gesetz / und Warheit / lehren und wandte einen Tag in der Wochen an / zu Lesung / und Betrachtung heiliger Schrifft / lobte GOtt / mit singenden Psalmen: brachte also denselbigen gantzen Tag /welchen er gäntzlich feyerte / in fröliger Andacht / zu / und kam alsdann keinen Tritt aus dem Hause. Hiezu bediente er sich aber nicht deß Sonntags / an dem sonst Andre ihre Andacht zu verrichten pflegen: Weil / wie er sagte / am Sonntage lauter Uppigkeit und Ruchlosigkeit getrieben würde.

Sonst bezeigte er sich / in allen seinem Thun / und übrigen Handlungen / eines fröligen Gemüts / pflag auch hierauf anzuziehen die Worte der Schrifft: Vidi facies Sanctorum lætas.

Imfall er / bey irgend einer Gesellschafft / kein gar zu gutes Gespräch gehalten / oder etliche Tage das liebe Gebet unterlassen hatte; ward er / im Schlaffe /alsofort daran erinnert. Woferrn er ein Buch las / das nicht gut war; schlug der Geist alsobald auf das Buch / daß er es sollte weglegen. Was seiner Gesundheit nicht dienlich / dafür warnete er ihn: und wann er kranck war / kurirte er ihn aufs allerfleissigste. Kurtz zu sagen: Er erzehlte dem Bodin hievon so vielerley /daß es dieser für unzehlich achtet / und nicht Alles wiederholen können.

Insonderheit ward er / von dem Geist / ernstlich erinnert / früh aufzustehn / und zwar gemeinlich um vier Uhr: Angemerckt / ihm (wie er berichtete) sich eine Stimm im Schlaff hören ließ / welche sprach: Wer wird am ersten aufstehn / zu[663] beten? Imgleichen ward er offt vermahnt / Almosen zu geben. Und je mehr Almosen er gab / je mehr gingen ihm seine Sachen von statten: In allen seinen Geschäfften / war das Glück mit geschäfftig.

Als seine Widersacher ihm nach dem Leben stunden / und in Erfahrung gezogen hatten / er würde zu Wasser reisen; hatte er im Traum ein Gesicht / als ob sein Vater zwey Pferde ihm zuführte / ein rotes / und ein weisses. Darum schickte er aus / um zwey Lehn-Pferde: worauf der Knecht ihm ein weisses und ein rotes brachte; ob er diesem gleich / wegen der Farbe /nichts hatte befohlen.

Bodinus hat ihn ein Mal gefragt; Warum er den Geist nicht offenbarlich anredete? Und darauf zur Antwort empfangen; Er hette zwar solches einsmals an den Geist begehrt; welcher aber gleich darauf einen starcken Schlag / als wie mit einem Hammer / an die Thür gethan; damit zu verstehn gebend / daß ihm solches nicht angenehm wäre. Er verhinderte ihn auch offt / am gar zu langen lesen und schreiben; damit seine Sinnen etwas ruhen mögten / und er auch der Betrachtung ein wenig abwarten könnte. Gar offt kam ihm eine gar subtile / oder gantz leise / und unabgesetzte (oder unarticulirte) Stimme zu Ohren: Was aber dieselbe habe andeuten wollen / davon gedenckt Bodinus weiter nichts.

Als dieser Author Jenen fragte: Ob er jemals die Gestalt deß Geistes gesehn? antwortete er: Wachend hette er niemals was gesehn / ohn allein einen hellen Schein / in Form einer runden[664] Blatten: Wie er aber einsmals in äusserster Lebens-Gefahr gestanden / und GOtt von gantzem Hertzen gebeten / Er sollte Sichs doch gefallen lassen / ihm sein Leben zu retten; habe er / früh Morgens / da er noch im Schlaff gelegen /über dem Bette / ein kleines Knäblein erblickt / im weissen / wiewol sich auf Purpur-Farbe neigendem Rock / von Angesicht trefflich schön / und von Gestalt hochverwunderlich. Und dieses bestetigte er vielmals / daß es gantz gewiß wäre.

Ein andres Mal / da ihm abermal eine grosse Gefahr zunahete / und er sich eben zu Bette legte; verhinderte ihn der Geist / und ließ ihm keine Ruhe / biß er vom Bette aufgestanden: Weßwegen er / die gantze Nacht durch / im Gebet / beharrete / und / folgenden Tags / wunderbarer und unglaublicher Weise den Fäusten der Mörder / oder Henckersbuben1 entrann. Nach Uberstehung solcher Lebens-Gefahr / hörte er /schlaffend / eine Stimme ruffen: Jetzt soll man sprechen: Wer unter dem Schirm deß Höchsten sitzt /etc.

Summa; in allen Fährlichkeiten / und Schwerigkeiten / Reisen / und Unternehmungen / ersuchte er GOTT / um Raht. Und als er / in einer Nacht / bat /GOTT wollte ihm seinen Segen geben; bekam er / im Schlaff / ein Gesicht / darinn ihn sein Vater segnete.

Bodinus beschliesst diese / aus dem Munde selbiger Person geschöpffte Erzehlung / mit diesem Urtheil: daß man sich nicht zu verwundern habe /[665] daß sich auch die bösen Geister zu den Leuten gesellen /wann auch die Engel und gute Geister / der menschlichen Gesellschafft sich theilhafft machen. Daß ein Jedweder seinen guten Engel habe / will er nicht / für gewiß / ausgeben / weil solches / wie er recht urtheilet / schwer falle / recht zu versichern. Wo er aber / mit jetzt-erzehlter Geschicht / hinaus trachte / ist gleich anfangs erwehnt; nemlich er will dadurch erweisen /daß der Engel GOtes mit einem tugendhafftem und Gott-ergebenem Menschen / eine sonderbare und genaue Vertraulichkeit schliesse / ihn allenthalben begleite / und schirme: wiewol solches nicht allen Tugendhafften / sondern nur sehr wenigen / widerfahre.

Allein die Stellen / so er deßwegen / aus Göttlicher Schrifft / zu Zeugen rufft / beweisen weiter nichts / als eine englische Beschirmung aller und jeden gottseligen Menschen / und keine so sonderbare ungeschiedene immerwährende Gegenwart eines einigen / auf eine gewisse Person nur / bestimmten Engels: Denn daß der Engel deß HErrn sich um die herlagere / so Ihn fürchten / wird nicht nur etlichen wenigen / sondern allen und jeden Gottsfürchtigen / zum Trost / im Psalm / gelehrt.

Nichts destoweniger gestehe ich dem Bodino gar gern / daß dennoch etlichen Personen / von GOTT /die Gnade einer sonderbaren und sehr mercklichen / ja augenscheinlichen Engel-Hut / vor Andren / zu theil werde. Denn wie GOtt seine Gaben unterschiedlich /unn nicht nach einerley Maß / austheilet / diesem mehr Erkenntniß giebet / denn jenem / auch bißweilen im Gesicht was offenbaret /[666] was Er einem Andren unentdeckt lässt; weil ohne dem Jedermann / an der allgemeinen Offenbarung seines heiligen Worts und Willens / zu seiner Seligkeit die Gnüge hat: also kann Er auch wol / mir sonderbarer Entdeckung der Engel-Hut / Einen / vor dem Andren / beehren und behulden.

Um den Elias / lagerte sich so wol eine Englische Hut / als wie um den Elisa / und um den / von den Arrianern verfolgen / Athanasium: gleichwol ward nur dem Ertz-Vater / Jacob / und dem Elisa / und seinem Knaben / nicht aber dem Elias / noch dem Athanasio, das Heer der Engel sichtbarlich gezeigt: ohnangesehn / diesen so wol / als jenen / der Engel deß HErrn ausgeholffen.

Aber daß ein Engel jemals einem Menschen solcher Gestalt sollte zum Hofmeister verordnet seyn / daß er demselben täglich hette gewisse Erinnerungen seines Thuns und Lassens geben müssen; dessen wird man /in heiliger Schrifft / gar keine Fußtapffen erspühren: angemerckt / GOtt / zu dem Ende / sein Wort uns /zur Richtschnur / verordnet / daß wir darnach unsren täglichen Wandel abmessen und einrichten sollten /und deßwegen keiner andren so ordentlichen Offenbarungen / oder übernatürlichen Anzeigungen / benöthigt seyn mögten.

Ich widerspreche deßwegen nicht / daß die Göttliche Liebe manchen / Ihr / durch fleissiges Gebet /sonderlich wol befohlenen / Menschen / entweder durch ein Gesicht / oder Traum / für Unglück warne /ja auch wol bißweilen manchem ruchlosen[667] also ausserordentlich zur Busse wincke / oder auch von verkehrter Beharrlichkeit ihn abschrecke: Denn es überzeugt hierinn die gewisse Erfahrung allen Zweifel. Und solche wunderbare Warnungen / oder auch merckliche Träume werden vermutlich durch einen Engel / dem Menschen vorgebildet.

Als Abt Otto zu St. Lamprecht / Rudolff von Liechtenstein / und Heinrich von Waldsee / beym Könige Jacob in Arragonien anlangten / um desselben Fräulein Tochter / Elisabeth / vor Keyser Friedrichen /zu werben; war / in der Nacht vorher / dem Fräulein /im Traum / ein schöner Fürst erschienen / der Friedrich hiesse. Da nun erstbenamte Gesandten / Keyser Friedrichs / (den seine Schönheit den Beynamen deß Schönen erworben) durch ihre Ankunfft und Werbung solchen Traum ihr eines Theils wahr machten: trug sie destoweniger Bedencken / neben ihrem Herrn Vater /in diese heirahtliche Ansuchung zu willigen; bevorab / weil das Bildniß deß schön-gestalten Keysers / mit der Gestalt / welche ihr der Traum hatte vorgestellt /sich auffs Beste verglich. Massen Sie dann hierauf /um Pfingsten / in Teutschland / gen Basel begleitet /allda prächtig eingeholt und mit dem Keyser gecopulirt auch hernach / mit offentlicher Krönung / zu einer Römischen Keyserinn / beehret ward.

Noch viel verwunderlicher ist der Traum Keysers Caroli deß Vierdten / damals aber nur Königlich-Böhmischen Printzens / gewest. Bey dessen Herrn Vater / dem Könige Johann / hielt der Königliche Dauphin / oder ältester Printz von[668] Franckreich / um Beystand an / wider den Hertzog von Savoyen, als mit welchem er Krieg führte; bekam auch darauff gute Vertröstung. Indem König Johann Völcker zusammen bringt / kommt eins Mals gedachtem seinem Printzen / Carl / im Traum / ein Kriegsheer zu Gesicht / und unter demselben ein schön-gebildter Jüngling; welcher aber / mitten aus dem Kriegs-Hauffen / hinweg geführt ward / an einen besondern Ort / allda er Männiglichen vor Augen stehend / seines Geschlecht-Gliedes beraubt ward. Worüber Printz Carl sich höchlich verwundert / und nachdem er allernechst bey sich einen andren Jüngling / von ungemeiner Herrlichkeit und Ansehn / erblickt hatte / denselben fragt / Wer doch immer mehr der Jüngling sey / mit dem man so scharff verfahre / und aus was Ursach man ihm solche peinliche Schmach angethan? Jener antwortet: Es ist der Dauphin / erst-geborner Sohn deß Königs in Franckreich / der diese Straffe empfähet. Den Unzüchtigen pflegt mans so zu machen.

Da Printz Carl deß Morgens auffgestanden war; berichtete er seinen Herrn Vater / was ihm geträumt /und bat / derselbe mögte den Marsch der Hülff-Völcker nur contramandiren: denn der Dauphin würde schwerlich mehr der Völcker verlangen; sondern ohne Zweifel allbereit deß Lebens beraubt seyn.

Der König kehrte sich / an solche Rede / nichts /sagte / man müsse auff Träume nicht gehen / noch so viel darauf halten: und ließ den Zug der Völcker vor sich gehen.[669]

Nachdem man aber / ungefähr zwo Tagreise / mit den Völckern fortgerückt / flog die Zeitung daher / es hette den Dauphin / unter Belägerung eines Schlosses / ein Pfeil an die Schaam getroffen / darüber er sein Leben eingebüsst. Massen Carolus hernach / zur Erinnerung dieses überaus denckwürdigen Traums /eben an dem Ort / wo ihm solches Traum-Gesicht vorgestellet worden / ein Stifft gebauet / und selbiges mit Einkünfften / reichlich versehn hat. Der Bäyerische Scribent / Adelzreiter / gedenckt / es habe dieser Königliche Printz / Carl / in Italien / sich mit vielen Ehfrauen befleckt / und ohne Zweifel diesen Traum zur Warnung bekommen / sich an dem Dauphin zu spiegeln.2

Dieser herrlich-gestalter Jüngling / der ihm / auff seine Frage / antwortlichen Unterricht gegeben / ist vermutlich eben derjenige Engel gewest / welcher den Traum gebildet; und nicht seine eigene Seele.

Georg Friedrich / Marchgraf zu Brandenburg / ein vortreflicher Herr / befand sich / im Traum / gleichsam auff seinem Grabe / welches Er / in der Kirchen zu Heilbrunn / bey seinem Leben / sehr kostbar hatte verfertigen lassen / und sahe / daß daselbst ein Engel-Bild umgefallen wäre. Dieser Traum bewegte ihn / alsofort einen Kammerdiener / auff Heilbrunn zu schicken. Welcher es also / in der Warheit befunden / und das umgefallene Bild mit sich gebracht. Weil nun also der Augenschein erwies / daß es kein leerer Traum gewesen: legte[670] der tugendhaffte Fürst / alle andre Sachen aus dem Sinn / und schickte sich zum seligen Ende. Massen Er auch / kurtz darauff / am 22sten Aprilis / 1603ten Jahrs / die Ewigkeit angetreten /und sein hochfürstlicher Leichnam / das herrliche Engel-Bild / in die Verwesung gefallen.3

Lasst uns / von so hohen / zu niedrigern / Personen schreiten. Eine / mir ehedessen in Ehren bekandte /Jungfrau / traumte / wie sie / von vier grossen Hunden / angefallen würde / welche ihr den Rock zerrissen. Gleich deß folgenden Tags / gingen zweymal / und in zweyen Gassen / doch in einer Stunde / zween grosse Hunde / solchem nach in allem vier / auff sie loß: unter denen die beyde letzte ihr so hefftig zusetzten (vielleicht weil sie / als eine reisende Person / in selbiger Stadt / fremd war) daß sie sich nicht mehr zu retten wusste / und ohne Zweifel von ihnen zu Bodem gerissen wäre / wann nicht die Leute zugeeilt / und diese beyde grimmige Rüden / mit Steinen und Prügeln / vertrieben hetten. Nichts desto weniger hat der allerböseste ein grosses Stück ihr aus dem Schurtz gerissen.

Mir selbsten kam / in meiner Jugend / im Schlaffe /vor / als ob / bey einer Hochzeit / eine gewisse Person / die Hanns genannt ward / mich kurtz um mit einem Rohr erschiessen wollte / und ich schier keinen Raum / auszuweichen / fand: es käme aber zuletzt meine Base (so eine Witwe war) und schändete den Kerl weg / daß er / mit seiner Büchsen / fortgehen müsste. Folgenden Tags / fiel mir / über dem Mittags Essen /ungefähr dieser Traum[671] ein / den ich / gegenwarts meiner seligen Fr. Mutter Schwester / bey der ich zu Tische gieng / erzehlte / und zu der andren / gegen mir über sitzenden / Basen / beym Zutrincken / lächlend sagte: Ich bin der Frau Basen unsterblichen Danck schuldig / weil sie mich diese Nacht vom Sterben errettet hat.

Diese antwortete / ich sollte diesen Traum nicht allerdings verspotten; sondern heut daheim / ohne Gesellschaft / bleiben: Denn es wäre eben diesen Morgen ein groß Unglück geschehen / indem einer Corporal-Frauen ihr Kind / durch einen unfürsichtigen Schuß / auff dem Arm getödtet worden.

Als ich / nach dem Essen / auffstund / hinauff nach meiner Studier-Stuben / zu gehen; reichte sie mir /den Schlüssel zum Obst-Boden / darauff allerley delicate Baum-Früchte lagen; damit ich / bey empfindendem Appetit / nehmen und essen könnte; so viel mich gelüstete: vermeynte also / diese Obst-Kugeln sollten mir dienlicher seyn / weder die / so man mir im Schlaffe hette spendiren wollen. Welches ich auch /nicht ungern annahm. Und dieser Schlüssel ist /nechst GOtt / damals / für dem Tode / mein Schild gewest.

Nach meiner Stuben / ging der Weg / durch einen Saal / dessen Fenster / auff meine Stuben-Fenster /hinschauten: Und in selbigem Saal / stund der Diener am Fenster; welchen gedache meiner Fr. Mutter Schwester / weil ihr seliger Herr unlängst erst mit Tode abgangen war / annoch bey sich in Diensten eine Zeitlang behielt / und auch die andre Base / so ihres verstorbnen[672] Herrn gleichfalls längst begrabenen Brudern Tochter / und so wol / wie sie / eine gar christliche Witwe war / zur Gesellschafft bey sich im Hause hatte. Besagter Diener / so ein Engländer von Geburt / putzte damals eben ein paar Röhre ab / welche er verliehen / und nun allererst wieder heimbekommen hatte. Ich stund ein wenig still bey ihm / und fing an / von guten Röhren / mit ihm zu reden. Als er mir aber eines derselben schier gerad entgegen richtete / und nur bloß allein das Zünd-Pulver anzufeuren gedachte / der Meynung es wären beyde Röhre ungeladen (massen er dann auch vorhin eines schon loßgebrannt / und ungeladen befunden hatte) wollte ichs nicht gestatten; sondern sprach in Schertz und Ernst zu ihm: Ich traue euch nicht: Ihr heisst Hanns! Und ein Hanns hat mich heint erschiessen wollen. Worauff er / mit Lachen / das Rohr / wider zu dem Fenster und auff die Fenster-Simsen niderlegte; damit er es vorher noch weiter saubern unn bläncken mögte; ich aber meines Weges fort- und herum / nach der Studier-Stuben zu / gieng.

Weil ich nun / so gleich nach der Mahlzeit / nicht studiren wollte: gedachte ich / in der Arcadia deß Herrn von Sidney / um deß zierlichen Stili willen / ein paar Bläter zu lesen / und setzte mich / samt dem Buch / auff den Stuhl / an das / jedoch / uneröffnete /Fenster / nachdem ich obberührten Schlüssel neben mir nidergelegt. Kaum hatte / ich ungefähr etliche Bläter durchgeblickt / als ich auffstund / das Buch aus der Hand legte / und nach dem Schlüssel griff / um auf den Boden zu gehen / und ein paar guter Borstörffer zu holen. Indem[673] ich aber zugleich die lincke Hand empor hebe / und in Gedancken den Kopff kratzte /druckt ermeldter Diener / dasjenige Rohr / welches er gleichfalls kugeln-leer zu seyn gemeynt / loß / und hält es gerad gegen mein Fenster zu: also / daß er vermutlich / mich unfelbar getroffen hette / so ich nicht /um einen Augenblick zuvor / aufgestanden / und ungefähr um eine Handbreit zurück gewichen wäre / ehe der Schuß geschahe.

Denn weil derjenige / dem er die Röhre geliehen /dieses eine auff einen Wolff sehr scharff geladen hatte: fuhren / nebst einigem groben Hagel / zwo Kugeln durch mein Fenster / zwar Gott-lob! ohn meine Verletzung / doch gleichwol über alle Masse gefährlich: angesehn / die eine Kugel hart an meiner Brust /genau unter meinem aufgehabenen lincken Arm vorbey; die andre gleichfalls genau vorüber / passirte. Beyde schlugen in die Wand hinein; der Hagel aber /zur rechten und lincken Seiten / neben mir / dergestalt hin / daß mich kein einiges Schrott davon berührte; aber die Fenster häßlich zerlästert und gelöchert wurden.

Wie der Diener / aus dem Geklinge der in den Hof hinabgefallenen Fenster-Gläser / merckt / daß er unwissend scharff geschossen / eilt er meiner Stuben zu: weil ihm bekandt war / daß dieselbe gerade gegen seinem Fenster über. Vor Bestürtzung / kunnte er / kein Wort reden / sondern sahe mich nur an / und gab durch die Gesichts-Erblassung seinen Schrecken zuverstehn: gleich wie ich auch / vor Entsetzung / nicht stracks / sondern über eine kleine Weile allererst /lächlend / zu ihm sagte: [674] Seyd nur gutes Muts! Ich lebe noch! Jetzt ist mir mein Traum redlich ausgangen. Nehmt / ein andres Mal / euere Röhre besser in Acht.

Indem er hierauff höchlich um Verzeihung bat; kam obgemeldte Base dazu / schändete ihn ärgerlich aus / und wann ich mich noch recht erinnere / so hat sie ihm gar ein paar tapffere Maulschellen gereicht. Denn man hatte drunten / so wol den Schuß / als die klingende Gläser / gar starck gehört.

Daß solche Träume / aus natürlichem Vermögen der menschlichen Seelen / ihren Ursprung nehmen sollten / wie ein und andrer Medicus geschrieben /welcher der Seelen eine weissagende Krafft zugerechnet / geht aller Vernunfft zu widern / und könnte /wann solche Weitläufftigkeit allhie nicht zu ungelegen fiele / mit vielen gewissen Beweis-Schlüssen widerlegt werden. Es mus entweder / von einem guten /oder bösem Engel / oder unmittelbar von GOtt / dergleichen Verwarnung / so durch wachende / oder traumende Gesichter / geschicht / entspringen.

Wann aber Jemand fragte / wozu solche vorbedeutliche Träume sollten nützen / nachdemmal die Erfüllung dennoch entweder würcklich erfolgen / oder der Traum eitel Phantasey gewesen seyn müsse? so antworte ich / es nütze fast viel denen / die GOtt fürchten. Denn die werden dadurch bewogen / sich GOtt desto fleissiger / im Gebet / zu befehlen / daß Er sie für Unglück behüten / und im fall der Traum vielleicht was Böses weissage / dasselbe gnädiglich abwenden wolle.[675]

Zudem wird bey manchem kalt-sinnigem; bevorab jungem / Menschen / dadurch ein Nachdencken und ernstliche Betrachtung göttlicher Allwissenheit / und Vorsehung / erweckt. Und wann junge Leute / in ihrer unbedachtsamen Jugend; gleich nicht alle Mal solchen Begegnissen sonders viel nachsinnen; thun sie es doch gemeinlich / in ihrem männlichem / oder auch wol allererst im betagtem / Alter. In welchem ich mich solcher Händel nicht selten erinnere / und damit / zur Dancksagung für göttliche Hut / ansporne. Denn das Alter betrachtet / das Vergangene viel anders /weder die Jugend das Gegenwärtige. Und weil GOtt zuvor sihet / daß der Mensch dermaleins zu solcher Erkenntniß werde kommen / errettet Er ihn / durch seine zuvorkommende Güte / aus der Gefahr / kehret das andringende Ubel zurück / oder lindert es auffs wenigste / und bricht ihm seinen Gewalt: oder so Er demselben seinen Lauff ungehemmt lässt / giebt Er dem Menschen / welcher damit verunglückt und beladen wird / durch solche merckliche und seltsame Träume zu mercken / daß ihm solches nicht / ohn GOttes Willen / ungefähr zugefallen / sondern durch dessen Verhengniß also vorher zugedacht sey / entweder zur Straffe / und Züchtigung / oder zur Versuchung.

Daß aber vielmals würcklich dadurch der Unfall ruckfällig werde / liesse sich / durch mancherley Fälle / bezeugen. Ich kann es auch / mit diesem meinem eigenem Exempel / bewehren. Hette mir der Traum nicht gedräuet / es wollte mich Einer / den man / mit lauter Stimme / Hanns nannte / durchaus erschiessen; so wäre ich besorglich / vor diesem[676] Diener meiner seligen Frauen Mutter Schwester / stillgestanden / als er schertzend das Rohr gegen mir loß feuren wollte; hette auch / als ich / in der Nacht / aus dem Angst-Traum / erwachte / nicht eine / (wiewohl damals ziemlich kurtze) Bitte zu GOtt gethan / daß Er mich behüten wollte.

Wann solches die Menschliche Seele selbst mir hette geweissagt / würde sie auch wol zugleich die Umstände etwas besser dabey mir vorgestellet haben; als / zum Exempel / an welchem Ort ich / in solche Gefahr / kommen / durch was für eine Person damit angefochten / und wie daraus gerettet werden sollte: dergleichen Umstände die Engel / mit Fleiß / auslassen. Wie kunnte doch meine Seele errahten / daß meine Base / durch Uberreichung deß Schlüssels / das mir bevorschwebende Unglück würde verhindern? Welches doch gleichwol derjenige muß gewusst haben / welcher mir den Traum gebildet. Es muß /durch Göttliche Offenbarung / ihm solches seyn entdeckt worden; nemlich daß ich / durch Ergreiffung deß / auff dem Fenster-Simse ligenden / Schlüssels /dem Schuß behände entweichen würde.

Ich muß noch ein merckwürdiges Exempel beyfügen. Der hoch-wolgeborne Freyherr / Herr H. Johann Weichard Valvasor / schreibt / in seinem grossen Werck / welches die Ehre deß Hertzogthums Crain getitulirt wird / es habe ein gewisser Cavallier / in Seiner / und etlicher Andrer Gegenwart / erzehlt / ihm hette getraumt / wie ihn sein bestes Pferd bäte / er sollte doch dißmal seiner / mit der vorhabenden Reise / verschonen; wo nicht / so würde es / bey dem ersten Berge umfallen. Weil aber[677] doch solches nur / für einen natürlichen blossen Traum geachtet: habe er dennoch / deß andren Tags / eben dieses Pferd vor andren / zu seinem Ritt / erwählt / und sey / in Gefährtschafft etlicher andrer Herren / darunter auch hoch-gedachter Freyherr von Valvasor gewest / folgenden Tags fortgereiset. Wie sie nun ein Stuck-wegs mit einander fortgeritten; ist das / sonst vortreffliche Pferd bey dem ersten Berge / nidergestürtzt / und Augenblicks / mit hoher Verwundrung seiner Gefährten /todt geblieben.

Wie ist es doch möglich / daß die Natur / oder menschliche Seel / solche noch verborgene Obhandenheiten / eine Zeitlang zuvor sollte wissen / und /aus eigener Krafft / durch sich selbsten / ihr selbsten /im Traum vorstellig machen? Derhalben fliessen nothwendig solche nachdenckliche und zutreffende Träume aus einer übernatürlichen Ursach / und vermutlich / von einem Engel.

Will nun Jemand / mit Bodino / solches einem sonderbaren Schutz-Geist / oder Schirm-Engel / gleichwie die Träume / welche derjenige Mensch / dem er einen absonderlichen und ungeschiedenen Schutz-Geist zugeeignet / soll gehabt haben / zurechnen: begehre ich ihm darinn weder beynoch abzustehen; sondern allein dieses / für gewiß / zu setzen / daß solcher Warnungs-Träume Eingeber ohne Zweifel ein Engel sey. Obs ein absonderlicher / jedwedem Menschen zugeeigneter / oder bald dieser / bald jener Engel sey /davon kann ich wie vorhin gemeldet / keine Gewißheit und Unfehlbarkeit machen.[678]

Es mag aber ein besonders dem Menschen zur Leib-Hut gewidmeter / und ihm zugeeigneter Schutz-Engel / oder ein allgemeiner / jedoch für dißmal / zu seiner Bewahrung verordneter Engel seyn: so glaube ich doch nimmermehr / daß GOtt der Herr einigem Engel Befehl gebe / durchgehends / bey allem Fürnehmen und Handel / einen Menschen zu- oder abzumahnen: ob ich schon oben zugestanden / und noch gestehe / es werde etlichen Menschen bißweilen solche Engel-Hut merck- und empfindlich zu erkennen gegeben / auch wol ein solcher Englischer Wächter oder Beschützer seinem Bewachten öffter / als ein Mal /sicht und scheinbar / in einer angenommenen gewissen Gestalt. Und darum will ich zwar die Warheit der Erzehlung / oder Begebenheit / so wir aus der Feder Bodini vernommen / nicht bestreiten; aber doch auch nicht dafür bürgen / daß der Geist / welcher demselbigen Menschen so geheim und vertraulich worden /fromm und heilig / das ist / ein guter Engel / gewest: Angemerckt / unterschiedliche Sachen denselben sehr verdächtig machen / und in Zweifel eines auffrichtigen Zwecks bringen.

Es will / aus denen Umständen / welche Bodinus giebt / an derselbigen Person / schier eine geistliche Hoffart / Scheinheiligkeit / Offenbarungs-Begierde /und Enthusiasterey / hervor blicken: wenn man betrachtet / daß dieselbe / mit dem geoffenbartem Wort GOttes / unvergnügt / GOtt inständigst angeruffen /Er wollte seinen Engel senden / der sie / in allem thun und fürnehmen / führen und leiten mögte. Welches Gebet besorglich nicht / auff das gewöhnliche Englische Geleit[679] / oder auff denjenigen Dienst / welchen die heilige Frohn-Geister allen denen / so die Seligkeit ererben sollen / auff göttlichen Befehl / thun / gerichtet worden; sondern / auf eine solche sonderbare vertrauliche Gemeinschafft / Conversation / und sinn-oder empfindlichen / ja gleichsam sichtbaren / oder aufs wenigste vernehmlichen Beystand / und Hofmeisterey eines eigenen ihr zugeordneten Engels / dergleichen nachmals / ihrer Meynung und Einbildung nach /erfolget ist; imgleichen / auff eine ausserordentliche Erleuchtung in Glaubens- und Religions-Sachen / wodurch sie / in der Bibel / die Unfehlbarkeit in Religions-Strittigkeiten erkennen könnte. Welche man doch / durch ordentliche Mittel / nemlich durch lesen und Anhörung göttliches Worts / wie auch vernünfftige Gegenhaltung andrer Religions-Sätze / nechst einem andächtigem Gebet / wol erhalten kann; und deßwegen um keine ungemeine / sondern um nöthige und gewöhnliche Erleuchtung / und Oeffnung deß Verständniß am Göttlichen Wort / beten muß. Denn ungemeine / ausseordentliche Erleuchtungen / oder Gaben / und unmittelbaren Beystand / hat GOtt keinem versprochen; ob er sie gleich Etlichen / aus freyem Willen / schencket / und den Aposteln / oder ersten Lehrern / bey erster Anrichtung christlicher Gemeinen / vorher im alten Testament / bey dem Propheten Hesekiel / verheissen hat; damit ihre noch nicht ausgebreitete Lehre / unter Jüden und Heiden / ohne Irrthum gepflantzet / und durch grosse Wunder / als eine Glaubens- und Wandels-Richtschnur / bestetigt würde. Seit dem solches geschehen / und die Lehre der Evangelisten und Apostel[680] / nebst denen Göttlichen Regel-Büchern altes Testaments / für eine unbetriegliche Lehr und Offenbarung Göttliches Willens /von dem Christen-Volck angenommen ist / kann Niemand mehr / ohne hoffärtige Einbildung / oder geistlichen Stoltz / GOtt / in seinem Gebet / um unmittelbare Erkenntniß / und Wegweisung im rechten Christen-Wandel / ersuchen; sondern muß sich / an das gegebene Wort / halten / und GOtt bitten / um Beystand deß Heil. Geistes / daß er Ihn / und seinen Heil. Willen / daraus unbetrieglich erlerne / auf solche Weise / die GOtt allen Christen vorgeschrieben; nemlich daß er selber / aus reiner Heilgegierigen / und keiner ehrsüchtigen / Intention / oder blosser Wissens-Lüsternheit / in der Schrifft / unter fleissiger Anruffung GOttes / fein mit einfältigem und gläubigem Hertzen / forsche / nach dem Grunde der Warheit /und was er nicht gnugsam begreifft / von den christlichen Lehrern erfrage.

Alsdenn wird der Heil. Geist / mit Erleuchtung unsrer Augen / und mit seiner Würckung / nicht ausbleiben / daß man die rechte Warheit erkenne / oder in der erkandten befestigt werde.

Wer aber über das / nach einem sonderbaren Liecht trachtet: der steckt sich / in rieffe Gefahr / daß seiner innerlichen Ehrsucht / unn geistlich-stoltzen Einbildung / nicht ein Irrlicht / auff GOttes gerechtes Verhengniß / begegne. Und ein solches dörffte eben diesem Mann / den Bodinus einen / auff denselben insonderheit bestimmten / Schutz-Geist / zum Directorn aller seiner Handlungen / zuschreibet / vielleicht / auff ein dergleichen hoffärtiges Gebet / widerfahren seyn.[681]

Es ist gewißlich / von einem solchen Mann / der ein gantzes Jahr durch / die Heil. Schrifft / so ernstlich gelesen / und GOtt / um die Sendung eines guten Engels / so inbrünstig dabey angeruffen / wol was Seltsames / daß ihm allererst Philo / der Hebræer / im Buch von den Opffern weisen müssen / der Mensch könne GOtt kein angenehmers Opffer thun / als so er sich Ihm selbst opffere: da doch solches die Heil. Schrifft / an mehr als einem Ort / und zwar viel besser und deutlicher weiset / was / und wie man GOtt / für geistliche Opffer thun müsse; nemlich zu forderst / im Glauben und Gebet / seinen Sohn / der da ist die Bezahlung für unsere Sünde / zum vollgültigen (wiewol am Kreutz ein Mal auffgeopffertem) Versöhn-Opffer; und hernach unsren Willen zur gäntzlichen Ergebung und gehorsamer Gelassenheit / wie nicht weniger das Danck-Opffer / deß Lobs und der Liebe / für alle seine leib- und geistliche Wolthaten / darbieten.

Hernach so will mir diese Verfahrung und Manier gantz nicht Englisch scheinen / daß der vermeynte Schutz-Geist ihm bald einen gelinden Streich ans Ohr gegeben / wann er etwas Geschicktes / oder Ungeschicktes / gehandelt; bald ein Glas angerührt / bald an die Banck geklopfft: Denn solches haben gemeinlich die Polter- und Geheim-Geister im Gebrauch.

Drittens / kann dieses nimmermehr eines guten Geistes Eingeben seyn / daß er den Sonntag nicht hat / mit der Gemein / zugleich feyren wollen / sondern denselben verworffen / und / aus eigener Wahl / einen andren Tag in der Wochen / zu seinem Sabbath / oder GOttes dienst / erkoren. Und[682] weil sein Schutz-Geist ihm solches nicht gewehrt / da er ihn doch andrer viel geringerer Sachen stets erinnert hat; sehe ich nicht /wie es ein guter Geist könne gewesen seyn. Denn daß / von vielen Gottlosen Leuten / der Sonntag / durch allerley Ruchlosigkeit / wird entheiligt / entbündt mich gar nicht meiner Schuldigkeit / denselben zu heiligen und zu feyren; so wenig mich dieses / daß der meiste Hauff den heiligen Namen GOttes mißbraucht / oder lästert / beursachen kann / denselben nicht gläubig anzuruffen / noch zu loben.

Guckt derhalben der Sonderling und Enthusiast /aus dieses wunderlichen Heiligens Wandel / fast scheinbarlich heraus / so wol als der ruhmredige Maul- und Schein-Christ. Wäre er ein rechter ungefärbter / und so eyfriger Christ gewest / wie er sich /beym Bodino / rühmt / so würde er nicht bißweilen /seiner eigenen Bekenntniß nach / sich mit unnützem Gespräch / und eitel-sinniger Gesellschafft / beruffet /noch etliche Tage das liebe Gebet eingestellt haben: Sintemal auch allerdings kein laulechter / geschweige dann ein wahrer Christ / einen einigen Tag ungebetet lässt vorüber gehen.

Daß ihn endlich sein eingebildter Schirm-Geist /auch / zum Früh-Gebet / offt auffgeweckt / verbessert mir meine Meynung von selbigem Geist noch nicht: weil derjenige / so sich in einen Engel deß Lichts zuverstellen weiß / offtmals auch so thut / und unter solchem Schönbart seinen Schalck / den Wolff unterm Schafs-Beltze / verbirgt.

Beym Athanasio / lieset man / daß der Teufel die Ordens-Leute offt ermahnt habe / deß Nachts aufzustehen / zu beten / und GOtt zu loben / mit Psalmen.[683]

Wie viel einfältige Christen hat dieser Betrieger zu fleissiger Anhörung Göttliches Worts zum Gebet /zur Wolthätigkeit gegen den Armen / und allerley andren gottseligen Wercken / aufgemuntert / wann er sich / bey ihnen / in ein gut Credit setzen / und ihnen einbilden wollen / er wäre ein guter englischer Geist! Schreibt doch Bodinus selber / es habe eine Hexe / zu Bloys, als sie ein bezaubertes Weib kuriren wollen /befohlen / man solte zu Mitternacht / in der Sanct Marien Kirchen / die Messe deß Heil. Geistes singen lassen. Und von einem Meister aller Hexen-Meister /sagt er / daß derselbe schreibe / wenn man Schätze graben wolle / müsse man / nach gemachten Kreysen /(und aberglaubischen) Characteren / gewisse Psalmen sprechen; als / Aus der Tieffen ruffe ich Herr etc. GOtt sey uns gnadig etc. u.a.m. Imgleichen Vater Unser etc. Gegrüsst seyst du / Maria! etc. Ich glaube daß ich sehn werde das Gute deß Herrn etc. Requiem æternam etc. Item auff vier mit saubren Pergament überzogene Täflein diese Worte schreiben: Alles / was Odem hat / lobe den HErrn! oder Alle gute Geister loben den Herrn!

So lieset man / im 12ten Articul / der Entscheidung / welche / von der Sorbona zu Paris / im Jahr 1398 /wider die Zauberer heraus gegeben worden / daß der Satan / einfältige oder solche Leute die seiner Arglist noch unerfahrn seynd / betriege / indem er ihnen befehle / zu fasten / zu beten; auch / zu dem Ende / offtmals der Heil. Hostia mißbrauche.[684]

Wann es nun gewiß ist / daß der Satan / bey zaubrischen Händeln / manche heilige Sprüche / zum Deck-Mantel der Tod-Sünde / so man dadurch begeht /mißbrauchen lässt: warum sollte er nicht eben so wol / wann es GOtt zugiebt / auch seinen subtilen Betrug /und heimtückischen Zweck / bey den Sonderlingen und Enthusiasten / damit schmincken / verheelen /und verlarven?

Solchem nach kann ich / auff diesen Schutz-Geist /welchen Bodinus / mit manchen falsch-gedeuteten /Sprüchen heiliger Schrifft / zu bescheinigen bemüht ist / kein gutes Auge haben / noch ihn ausser Verdacht lassen.

Es soll sich auch Niemand irren lassen / daß der Geist diesem Menschen / in Gestalt eines kleinen Knäbleins im weissen Rock / einsmals / und ein andres Mal / wie ein heller Scheiben-runder Schein / erschienen: Denn es stellet sich gleichfalls der Satan / in so beliebter Zier / Gestalt / und Glantz manchen Leuten bißweilen vor / wann er das verführische Irrlicht seines Eingebens / für einen Leit-Stern / verkauffen will. Manche Zaubrer / und Schwartzkünstler / erblicken ihn / in Gestalt eines kleinen zarten Kindes: wie /in meiner Jugend-Zeit / in einer Reichs-Stadt / er allezeit einem Hexen-Weibe / in solcher Bildung / vorgekommen / auch sich / wann er zulange bisweilen ausgeblieben / von ihr mit Ruten hat streichen lassen /wie ein kleiner Bube. Und daß er auch wol / in weissen Röcken / jemaln sich ihnen / zumal denen / die einen Geheim- oder eignen Hauß-Geist / bey sich führen / præsentirt / wie ein Büblein / ist[685] gewiß. Massen er auch / um ihnen sich desto annehmlicher zu machen / sich allerley leutseliger Namen anmasst / und ihnen befihlt / daß sie ihn den weissen Geist / oder das kleine Herrlein / etc. tituliren sollen: Wie der gelehrte Italiäner / Paulus Griliandus / aus der / von ihm / als Richtern / bey peinlicher Verhör der Zaubrer / eingenomenen Bekenntniß und Aussage / seiner Bezeugung nach / solches erfahren hat. Weßwegen man /auf solche äusserliche Erscheinungen / eben so wenig sich kan sicherlich verlassen.

Der hoch-ehrwürdige Pater / und gelehrte Jesuit / Bohuslaus Balbinus, beglaubt / in seinen Collectaneis historicis Regni Bonemiæ, daß / in einer gewissen Böhmischen Land-Stadt / welche er nicht gerne nennen wollen / die so genannte Haus-Geisterlein / in einem Hause daselbst / regiert / und bey den Leuten deß Hauses das Ansehn guter Geister gewonnen haben: Weil sie ein paar ausbündig-schöner Büblein /als wie von fünff Jahren / erblickt / welche man fast alle Tage gesehn / mit ineinander geschlungenen Armen und Füssen / spielen und lachen. Massen auch die Einwohner selbiges Hauses deßwegen dieselbe gar andächtig verehrten / und für heilige Schutz-Engel achteten. Dagegen diese vermeynte Engel-Knaben sich auch danckbar erzeigten / ihnen die Pferde striegelten / der Kühe / Schafe / Gänse / und Hüner / fleissig warteten: also / daß alles Vieh / nach der Hauswirthinn bestem Wunsch / gesund / fett- und fruchtbar / und so schön ward / daß alle Nachbarn diß Haus darum neideten.[686]

Zuletzt gelangt dieser wunderliche Handel vor gemeldten Pater Balbin / als derselbe einsmals deß Orts / im Schloß / bey dem Grafen / sich befand. Weßwegen er dahin geht / und von den Leuten im Hause die Versicherung einnimmt / es habe ihn das Gerücht hierinn nicht betrogen; sintemal es ihnen Allen nur allzuwol bekandt sey.

Es kostete ihn grosse Mühe / sie zu überreden / daß es böse Geister und Kobalten wären: Denn sie erzehlten vielerley Bequemlich- und Nutzbarkeiten / und gute Dienste / so ihnen von diesen lieben Englein geleistet würden; welche ja gar nichts Böses thäten; sondern / wann ein Unglück obhanden / nur weinten /und Gegen-Stands / wann etwas Gutes sollte erfolgen / frölich lachten.

Er befahl endlich / man sollte ihm ruffen / wann solche Englein wiederkämen. Das geschahe: man sagte ihms an / als sie wieder zugegen waren: darum machte er sich stracks auff / sie zu sehen. Allein ehe er noch zur Thür hinein getreten / seynd sie verschwunden. Zuletzt / seynd sie / wie er glaubte / durch die heilige Sachen / so er den Leuten ausgetheilt / vertrieben / und also der Göttlichen Ehren / wornach sie /allem Ansehn nach / getrachtet / verlustig worden /auch hernach niemals wiederum erschienen.4[687]

Ich mögte wünschen / dieser hochgelehrte Mann hette hernach / da er die Weisse Frau / um ihrer Sittsamkeit / züchtigen Ansehens / und Laster-Hasses /willen für eine selige Seele / und für keinen bösen Geist / erkennen wollen / dieses seines eigenen Exempels von den schönen Knäblein / sich wieder erinnert.

Unterdessen habe ich ihm / an diesem Ort / billig zu dancken / für diß / von ihm entliehene / Beyspiel: welches mir bestetigen hilfft / daß die böse Geister offt / unter einer schönen annehmlichen Gestalt so wol deß Gesichts / als der Wercke / verborgen stecken: dergleichen auch besorglich obgedachtem Sonderling Brillen verkaufft / und seine heimtückische Bosheit / in den Glantz einer gütigen Schönheit / versteckt hat; wie manche Vergiffterinn / in einem zierlichem Pocal / oder Glase / den Tod samt ihrer Meuchel-List / verheelet.

Fußnoten

1 Carnificum manus steht / beym Bodino.


2 Adelzreiter. Parte 2. Histor. Bavar. lib. 3. Num. 16.


3 H. J.W. Rentsch / am 686stem Blat deß Brandenburgischen Ceder-Heins.


4 P. Balbinus in Collectan. Hist. Regni Bohem.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 656-688.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon