CXXIX
DER WEIN DER BETTLER

[150] Oft kommt bei einer laterne rotem glanze

Beim rasseln des glases · der flamme zuckendem tanze

In alter vorstadt irrgängen dumpf und feucht

Darin in stürmischer gärung die menschheit keucht:


Ein bettler des weges der mit dem kopfe schüttelt ·

Der wie ein dichter an mauern rennt und rüttelt ·

Er nimmt auf die spähenden wächter keine acht ·

Ergiesst sein herz in eingebildeter macht[151]


Erhabne gesetze gebend und eide schwörend

Die bösen vernichtend die schuldlosen opfer erhörend.

Der himmel ist über ihm wie ein throndach geschmückt ·

Er ist von dem glanz seiner eigenen würden entzückt –


Ja diese leute von häuslichen sorgen gepeinigt

Vom alter gemartert und von der arbeit gesteinigt ·

Entkräftet · unter dem haufen von trümmern geneigt ·

Ein wüstes gewühl das der riesigen stadt entsteigt:


Sie kehren mit ihren gefährten in kriegen gemagert

Zurück und ein fassgeruch über den ziehenden lagert ·

Wie fetzen von alten fahnen hängt ihr bart –

Die banner die blumengeschmückten bogen der fahrt


Erheben sich vor ihnen in festlichem jubel ·

Sie bringen in glänzendem und betäubendem trubel

Von sonne von waffen von pauken und stimmengebraus

Dem liebetrunkenen volke die ehre nach haus ..


So rollt durch die völker · die schwelger in heitren genüssen

Der wein sein gold dahin in blendenden flüssen ·

Er singt in der kehle des menschen was er schon vollbracht

Und mit seinen gaben erwirbt er sich fürstliche macht –[152]


Den gleichmut zu wiegen und zu verscheuchen den kummer

Erfand der Herr von reue erfasst den schlummer

Für all die verwünschten die nah an den gräbern sind –

Der mensch fand den wein · der sonne geheiligtes kind.

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 150-153.
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